Ein Ziel der NVL war es, die Diagnostik der arteriellen Hypertonie zu optimieren, um Über- sowie Unterversorgung zu vermeiden. Bluthochdruck ist ein wesentlicher Faktor für die Entstehung und Progression kardiovaskulärer Erkrankungen, die durch adäquate frühzeitige Intervention zum großen Teil verhindert werden können.
Wichtig ist neben der medikamentösen Therapie die nicht-medikamentöse Intervention als Basis jeder Langzeitversorgung. Gerade eine Stärkung der patientenzentrierten Versorgung ist essenziell für die Patientenadhärenz, die bei einer jahrzehntelangen Therapie erforderlich ist. Die Kommunikation über die Sektoren- und Professionsgrenzen ist notwendig, um die Langzeitversorgung von Menschen mit Hypertonie zu ermöglichen.
Die arterielle Hypertonie hat eine Prävalenz von ca. 32 % in der deutschen Bevölkerung und immer noch nimmt man an, dass ca. 30 % aller Betrofenen ihre Diagnose nicht kennen oder auch trotz Therapie nicht adäquat versorgt sind. Ab einem Blutdruck von 140 mmHg systolisch und/oder 90 mmHg diastolisch wird eine arterielle Hypertonie identifziert.
Bei Symptomen (z. B. Schwindel, Kopfschmerzen) oder auch etablierten Endorganschäden (Schlaganfall, Herzinfarkt) sowie bei zufällig gemessenen erhöhten Blutdruckwerten sollten entsprechende Kontrollen erfolgen – üblicherweise durch die Praxisblutdruckmessung. Die Diagnose Bluthochruck wird in der Regel mit einer 24 h-Blutdruckmessung bestätigt, kann aber auch ergänzt werden durch weitere Praxisblutdruckmessungen bzw. systematische Messungen.
Ist die Diagnose Hypertonie bestätigt, sollte neben einer Anamnese und körperlichen Untersuchung auch hier in der Labordiagnostik nach Diabetes, Fettstofwechselstörungen und Nierenfunktionsstörungen gefahndet werden. Gerade die Identifkation von Endorganschäden ist enorm wichtig, wo neben einem 12-Kanal-EKG auch ein potenzieller Albuminverlust, bestimmt über die Albumin/Kreatinin-Ration im Morgenurin, im Fokus stehen sollte. Bei Patienten mit bereits eingetretenen Endorganschäden ist eine dringende Behandlungsnotwendigkeit gegeben.
Sekundäre Hochdruckursachen sind eher selten (ca. 10 % aller Hochdruckerkrankungen), sodass nur bei Verdacht darauf gezielt weiter dahingehend untersucht wird. Gerade ein sich schnell entwickelnder bzw. ein therapierefraktärer Hochdruck lenkt den Verdacht auf eine mögliche sekundäre Hypertonieform.
Betrofene sollten nach der Diagnose Hypertonie zügig vom Blutdruck her kontrolliert werden, wobei das Erreichen der Ziele nur 4–6 Wochen dauern sollte. Nach erfolgreicher Kontrolle ist ohne Komorbiditäten eine jährliche Überprüfung empfehlenswert und bei bestehenden Komorbiditäten (chronische Nierenkrankheit, Herzinsufzienz) eine quartalsweise Kontrolle. Eine wichtige Basis für die Therapieefektivität ist auch die regelmäßige Heimblutdruckmessung durch den Patienten (ab 7 Tage nach Kontrolltermin 2×morgens und 2×abends).
Als Therapieziel sollen Patient:innen und Ärzt:innen gemeinsam initial und wiederholt im Erkrankungsverlauf individuelle Therapieziele vereinbaren. Eine partizipative Entscheidungsfindung fördert die Adhärenz. Die NVL empfehlt für alle Altersgruppen einen Zielblutdruck <140/90 mmHg, wobei dies durchaus individualisiert werden sollte – je nach Lebenserwartung, Alter des Patienten, Problemen durch Arzneimittelnebenwirkungen und -interaktionen, kardiovaskulärem Risiko und auch funktionellen und kognitiven Fähigkeiten des Patienten. Der Blutdruck sollte 120/70 mmHg nicht unterschreiten, aber nicht über 160/90 mmHg liegen. Die NVL defniert einen „Hypertonieziel-Schieber“. Ein junger, gesunder Patient ohne Endorganschäden (60 Jahre) wird eher einen Zielblutdruck unter 130/80 mmHg haben, während ein 85-Jähriger mit bereits deutlicher Hinfälligkeit und orthostatischer Regulationsstörung auch mit einem systolischen Druck von 140–150 mmHg als ausreichend kontrolliert gilt.
Wichtig für die individuellen Ziele ist die Kontrolle mittels Lebensstiländerungen und Medikamenten, wobei die Patient:innen gut über die Einfüsse der Therapie und der Allgemeinmaßnahmen informiert sein sollten, um Adhärenzbarrieren abzubauen.
In der medikamentösen Therapie ist bei geringer Hypertonie (Blutdruck bis 160 mmHg, geringes kardiovaskuläres-Risiko oder geringe Gebrechlichkeit) zunächst eine antihypertensive Monotherapie empfohlen. In den anderen Situationen sollte man bevorzugt mit einer primären Kombinationstherapie beginnen. Fixkombinationen sind hierbei bevorzugt einzusetzen.
Als primäre Antihypertensiva werden ACE-Hemmer/Sartane mit Kalziumkanalblockern oder Thiaziden bzw. thiazidartige Diuretika einzeln bzw. in Kombination empfohlen. Beta-Blocker kommen bevorzugt bei Herzinsufzienz und koronarer Herzerkrankung zum Einsatz. Führen eskalierende Dosierungen und Kombinationen der Medikamente nicht zum Ziel, sollte man immer auch die Adhärenz der Patienten überprüfen bzw. die Möglichkeit einer sekundären Hypertonie in Erwägung ziehen.
Bei wirklicher Therapieresistenz wird in Abhängigkeit der Nierenfunktion bei einer eGFR >45 ml/min auf 1,73 m2 Spironolakton oder bei Unverträglichkeit auch Eplerenon genutzt, bei Nierenfunktion <45 ml/min auf 1,73 m2 werden Alpharezeptorblocker oder auch Betablocker bevorzugt. In der komplizierten Hochdrucksituation sollte man einen Hochdruckexperten zu Rate ziehen.
Auch die hypertensive Notfallsituation wurde umfangreich bewertet. Bei einer hypertensiven Entgleisung (>180 mmHg systolisch/>110 mmHg diastolisch) ohne akute Begleitsymptome sollte nach 30 min in Ruhe erneut gemessen werden und ggf. auch dann eine Anpassung der oralen Medikation erfolgen. Kurzwirksame/ sublinguale Medikamente sollte man vermeiden. Beim hypertensiven Notfall mit Begleitsymptomen sollte eine Krankenhauseinweisung erfolgen.
Bleibt die Hypertonie trotz Ausschöpfen der therapeutischen Optionen (Lebensstil und Medikation) unkontrollierbar, kann auch eine renale Denervation angeboten werden. Hier sind die Patient:- innen entsprechend im Rahmen der Aufklärung über Nutzen und Schaden umfangreich zu informieren.
Da die Betreuung von Hypertonie-Erkrankten eine unter Umständen jahrzehntelange Therapie erfordert, ist eine enge Verzahnung von primärärztlicher und fachspezifscher Versorgung häufig notwendig. Prinzipiell sollte aber die Dokumentation über den Hausarzt erfolgen. Auch die Einbindung von Apotheker:innen und Pfegekräften bzw. medizinischen Fachangestellten ist aktiv notwendig. Die NVL bietet auch umfangreiches Material für Betrofene an, das die Krankheit Hypertonie und deren Folgekrankheiten gut verständlich macht.
Insgesamt ist die NVL eine sehr praxisnahe und für die optimierte Versorgung der Patienten und Patientinnen hoch relevante Empfehlung. Bei den Blutdruckzielen ist die Leitlinie sehr variabel und eher unkonkret, was es im klinischen Alltag schwieriger macht, für Patienten jedoch zielführend ist. Je jünger ein Patient bei der Diagnose Hochdruck, desto geringer sollten die Zielwerte sein, damit langfristig keine Schäden entstehen. Die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen kann man mit gut kontrolliertem Blutdruck ideal beeinfussen. Dies ist auch im gesundheitsökonomischen Sinn nicht nur für die Patienten nachhaltig.
Alle Dokumente zur NVL Hypertonie, wie Lang- und Kurzfassungen oder Patientenblätter, fnden Sie online unter https://www.leitlinien.de/themen/hypertonie