Die allogene Stammzelltransplantation (allo-SZT) ist die häufigste zelluläre Immuntherapie für Patienten mit hämatologischen Erkrankungen, aber die Prognose wird bis heute noch durch die Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD) und, wenn ein Rezidiv auftritt und der Graft-versus-Leukämie (GvL)-Effekt versagt, beeinträchtigt.
Das intestinale Mikrobiom, das neben Bakterien auch Pilze und Viren umfasst, wurde in Studien mit der Prognose von allo-SZT-Patienten in Verbindung gebracht. Es war jedoch unklar, warum die Diversität des bakteriellen Mikrobioms positiv mit dem Gesamtüberleben nach allo-SZT korreliert ist. Präklinische Studien zeigten, dass aus Darmmikrobiom stammende Metaboliten Epithelschäden reduzieren und die GvHD bei Mäusen mindern konnten. Daher stellten wir die Hypothese auf, dass Metabolite das Bindeglied zwischen dem Mikrobiom und der allo-SZT darstellen könnten, und machten uns daran, protektive immunmodulierende Metaboliten (IMMs) in allo-SZT-Patienten zu identifizieren sowie die mikrobiellen Konsortien und die der Metabolitproduktion zugrunde liegenden Synthesewege zu beschreiben.
Wir haben eine prospektive, longitudinale, zweizentrische Studie durchgeführt, um ein umfassendes Profil des intestinalen Bakterioms, Fungoms, Viroms und des mikrobiellen Metaboloms von Patienten, die eine allo-SZT erhalten, zu erstellen. Die Stuhlproben von 78 Patienten wurden mittels Amplikon- und Metagenomsequenzierung sowie Massenspektrometrie analysiert. Diese Daten wurden mithilfe der Multi-Omics Factor Analysis (MOFA) integriert, einem Verfahren, mit dem komplexe Varianzmuster in multimodalen Datensätzen identifiziert werden können. Die Metagenomsequenzierung wurde angewandt, um Stoffwechselwege der verschiedenen Bakterienarten mit spezifischen IMMs zu verknüpfen. Darüber hinaus konnten wir virale Genome rekonstruieren und so Bakteriophagen, d.h. Viren, die Bakterien infizieren, charakterisieren. So haben wir festgestellt, dass diese sog. „auxilliary metabolic genes“ (AMG) kodierten und dadurch die bakterielle Metabolitproduktion modulieren könnten.
Mit dem MOFA-Algorithmus konnten wir IMMs mit den Bakterien der Familien Oscillospiraceae und Lachnospiraceae sowie deren Bakteriophagen in Verbindung bringen. Auf der Grundlage von zweijährigen Follow-up-Daten erstellten wir den IMM-Risiko-Index (IMM-RI), der kurzkettige Fettsäuren (SCFA), eine verzweigte Fettsäure (BCFA), ein Indol (Indol-3-Carboxyaldehyd) und einen Flavonoid-Metaboliten (Desaminotyrosin) umfasste. Ein niedriger IMM-RI-Score wurde als über der optimalen Schwellenkonzentration dieser Metaboliten liegend definiert und korrelierte mit einem längeren Gesamtüberleben (OS), einer geringeren Inzidenz von gastrointestinaler GvHD und einer geringeren Rezidivrate nach allo-SZT.
Gene, die für mikrobielle Enzyme kodieren, die an der Biosynthese von SCFA beteiligt sind, und insbesondere Butyryl-Coenzym A (CoA):Acetat-CoA -Transferase (BCoAT), ein Coenzym, das für den letzten Schritt der Butyratsynthese erforderlich ist, wurden im Darmmikrobiom von Patienten mit einem niedrigen IMM-RI-Risiko reichlich exprimiert. Darüber hinaus trugen diese Patienten zwei Bakteriophagen in sich, die BCoAT als AMG kodierten. Das BCoAT-AMG war eng mit dem BCoAT-Gen aus Oscillospiraceae verwandt, was auf einen durch Phagen vermittelten horizontalen Gentransfer zwischen mikrobiellen Konsortien schließen lässt.
Unsere Studie unterstreicht, wie mikrobielle Konsortien und die von ihnen produzierten IMMs allo-SZT-Patienten schützen könnten. Wir haben fünf IMMs definiert, die mit abgeschwächter GvHD korrelierten, aber auch die GvL modulieren könnten. Der IMM-RI könnte auch als prognostischer Marker für andere Immuntherapien relevant sein, die durch das Mikrobiom beeinflusst werden, z. B. chimäre Antigenrezeptor (CAR)-T-Zellen oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Unsere Daten liefern Hinweise auf das Vorhandensein von Bakteriophagen-AMGs, die die Metabolitproduktion beim Menschen unterstützen und möglicherweise die Prognose der allo-SZT beeinflussen können.
Zu diskutieren sind die Limitationen unserer nicht-interventionellen Studie. Als erstes beschränkte sie sich auf die Assoziation von Mikrobiomsignaturen und Metaboliten mit klinischen Ergebnissen. Dennoch ist es plausibel, dass IMMs die Prognose der allo-SZT direkt beeinflussen könnten, z.B. durch die Aktivierung von Typ-I-Interferon-Signalen, die die GvHD und GvL modulieren können. Als zweites, obwohl der IMM-RI das Gesamtüberleben vorhersagen konnte und unabhängig mit einer Verringerung der Rezidivrate verbunden war, war unsere Studie nicht für eine multivariate Analyse ausgelegt. Diese Ergebnisse sollten als explorativ betrachtet werden, und wir sind dabei, sie im Rahmen des deutschen MAGIC Konsortiums in einer größeren, multizentrischen Kohorte zu validieren.
In Zukunft könnte der IMM-RI als Screening-Test auf Transplantationsstationen eingesetzt werden, um eine Momentaufnahme einer klinisch relevanten, funktionellen Mikrobiomsignatur zu erhalten. In Verbindung mit präklinischen Arbeiten, die derzeit von uns untersucht werden, könnten unsere Ergebnisse die Entwicklung neuer, mikrobiombasierter Präzisionstherapien ermöglichen, bei denen Metabolit-Cocktails zum Einsatz kommen, die in klinischen Studien zur Vorbeugung oder Behandlung von GvHD oder Verminderung des Rezidivrisikos bei allo-SZT-Patienten mit durch Biomarker nachgewiesenen mikrobiellen Verletzungen untersucht werden könnten.
Dr. med. Erik Thiele Orberg, München