Ampel-Koalitionäre bleiben bei der Bekämpfung der Volkskrankheit Diabetes unkonkret und mutlos

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt das geplante Register- und Forschungsdatengesetz der künftigen Bundesregierung, das helfen soll, bestehende Versorgungsprobleme durch Digitalisierung besser zu lösen. Auch die Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes und die angekündigte Stärkung der Primär- und Sekundärprävention wird von der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft positiv bewertet.

Eine Nationale Diabetesstrategie stand im letzten Koalitionsvertrag und wurde im Sommer 2020 im Deutschen Bundestag zum Teil unter Zustimmung der jetzigen Ampel-Koalitionäre verabschiedet – jedoch ohne Folgen. Der nun vorgelegte Koalitionsvertrag berücksichtigt Teilaspekte daraus, hat aber keinerlei Fokus auf die Prävention, Früherkennung, Versorgung und Erforschung der Volkskrankheit Diabetes, an der heute schon acht Millionen Menschen leiden – Tendenz stark steigend. „Besonders bedauerlich ist, dass keine Steuer auf stark gesüßte Erfrischungsgetränke, die sogenannte „Zuckersteuer“, eingeführt wird“, kritisiert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. Auch der Nutriscore soll zwar weiterentwickelt, aber bedauerlicherweise nicht im Sinne einer verbindlichen Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln durchgesetzt werden.

Sehr begrüßenswert ist, dass sich die Koalitionäre auf das längst überfällige Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel geeinigt haben. Allerdings lässt auch das zu viel Handlungsspielraum, da sich das Verbot explizit nur auf Formate beziehen soll, die sich an Kinder unter 14 Jahren richten. Auch andere Aussagen im Koalitionsvertrag bleiben unklar – so beispielsweise, was mit den „auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen für Zucker, Fett und Salz“ gemeint ist. Immerhin sollen für die „Gemeinschaftsverpflegung“ wie beispielsweise Kita oder Schule künftig verbindliche Standards etabliert werden. „Viele der geplanten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus. Wir erwarten jetzt, dass der angekündigte Nationale Präventionsplan, der inklusive konkreter Maßnahmenpakete auch zu Diabetes entstehen soll, die offenen Punkte konsequent aufgreift“, so Bitzer.

Positiv bewertet die DDG die Vorhaben in Digitalisierung und Forschungspolitik. Für die künftig bessere Versorgung von Menschen mit Diabetes ist es wesentlich, anonymisiert Daten beispielsweise von Krankenkassen nutzbar zu machen, um daraus Schlüsse für Prävention, Früherkennung und Versorgung ziehen zu können. „Der Aufbau eines Diabetes-Registers sowie der Ausbau der Versorgungsforschung gehört zu einer der zentralen Forderungen im Rahmen der Nationalen Diabetesstrategie“, betont der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Professor Dr. med. Andreas Neu. Auch das erklärte Ziel der Koalitionäre, Forschungsausgaben zu erhöhen, Forschungsprojekte stärker zu vernetzen sowie den Transfer der Grundlagenforschung in die Anwendung zu beschleunigen, klinge vielversprechend. „Wir schließen daraus, dass Einrichtungen wie das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung verbindlich fortgeführt und weiterhin durch den Bund gefördert werden. Das ist dringend notwendig, um die komplexe Stoffwechselkrankheit Diabetes noch besser verstehen und behandeln zu können“, so Neu.

Die Stärkung der Digitalisierung soll auch im Versorgungsalltag spürbar werden. „Beispielsweise sollen telemedizinische Leistungen regelhaft besser genutzt werden – vorausgesetzt, dadurch erhöht sich die Versorgungsqualität. Das ist vor allem für die Versorgung in der Fläche hilfreich“, betont der Pressesprecher der DDG, Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. „Offen lässt die Ampel hingegen, ob diese Leistungen künftig auch adäquat vergütet werden.“ Ansonsten gibt der Koalitionsvertrag keinerlei Aufschluss darüber, wie die Versorgung von chronisch Kranken wie Menschen mit Diabetes verbessert werden soll. Die Koalitionäre betonen einmal mehr, die sektorenübergreifende Versorgung zu stärken. Dazu streben sie gemeinsam mit den Ländern eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung im ambulanten und stationären Bereich an. „Das ist ein guter Ansatz. Hierbei sind unbedingt Experten aus den medizinischen Fächern mit einzubinden, um beispielsweise auch absehbare Versorgungsdefizite zu antizipieren“, so Gallwitz.

Die bereits verabschiedete Nationale Diabetesstrategie muss jetzt dringend in einen Nationalen Rahmenplan für Bund und Länder überführt werden, der definiert, wie die Diabetes-Pandemie wirkungsvoll bekämpft werden kann. „Der jetzt vorgelegte Koalitionsvertrag hat gute Ansatzpunkte, bleibt aber in zu vielen Punkten unkonkret. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen müssen, ob die Ampel wirklich bereit ist, im Interesse der Menschen mit Diabetes auch Entscheidungen zu treffen, die mehr sind als ein halbherziger Kompromiss“, bewertet Barbara Bitzer abschließend das Koalitionspapier und bietet an: „Wo auch immer Fachexpertise für die Umsetzung der künftigen Vorhaben benötigt wird, steht die Deutsche Diabetes Gesellschaft und ihr Netzwerk aus Wissenschaft, Ärzteschaft, Beratungsberufen und Patientenverbänden als Gesprächspartner zur Verfügung.“