Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erhalten jeden Tag in Deutschland mehr als 1.000 Erwachsene die Diagnose Diabetes. Trotzdem geraten diabetologische Schwerpunkte an Kliniken und diabetologische Fachabteilungen zunehmend unter Druck, weil sie für Krankenhäuser oft nicht lukrativ sind. Aufgrund der steigenden Erkrankungszahlen und eines in der Folge stetig ansteigenden Versorgungsbedarfs warnt die DDG vor einem drohenden Versorgungsdefizit. Zu den konkreten Maßnahmen, die die DDG von den Verantwortlichen der Politik dringend fordert, zählen etwa der Ausbau und Erhalt diabetologischer Lehrstühle deutschlandweit, verbesserte Bedingungen für diabetologische Behandlungen bei Fallpauschalen und Regelungen bei der Bettenplanung in Krankenhäusern.
Über 8,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden derzeit an Diabetes – Tendenz stark steigend. Dank des medizinischen Fortschritts lassen sich chronische Krankheiten wie Diabetes heute gut ambulant behandeln. „Schwere Unterzuckerungen oder andere akute Stoffwechselentgleisungen bei Diabetes können jedoch nur stationär versorgt werden“, so Professor Dr. med. Monika Kellerer, Past-Präsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin des Zentrums für Innere Medizin I am Marienhospital in Stuttgart. Bei Menschen mit Diabetes Typ 2 seien es häufig Begleit- und Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen oder das diabetische Fußsyndrom, die eine Behandlung im Krankenhaus erfordern. „Deswegen ist es unabdingbar, dass jedes Krankenhaus eine qualifizierte Betreuung für Menschen mit Diabetes sicherstellt“, so Kellerer.
Doch die Realität ist eine andere: Lediglich 20 Prozent der Kliniken in Deutschland erfüllen die Kriterien der DDG zur Behandlung von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Laut der Expertin müssen Kliniken seit Jahren bei Stellen und Betten in der Diabetologie den Rotstift ansetzen. „Das Vergütungssystem der Diagnosis Related Groups (DRG) benachteiligt die diabetologischen Fachabteilungen in Krankenhäusern“, so Kellerer. „Fallpauschalen für aufwendige Eingriffe sind attraktiver als diabetologische Maßnahmen, die überwiegend konservativ erfolgen. Dieses System der Hochleistungsmedizin wertschätzt eine informierende, aufklärende und patientenzentrierte Versorgung zu wenig.“
Wenn Kosteneinsparungen die Diabetologie weiter aus dem Krankenhausbereich verdrängen, fehle der stationäre Bereich auch als Ausbildungsplatz für alle medizinischen Fachkräfte. Derzeit gibt es nur noch an acht Universitäten eigenständige, bettenführende klinische Lehrstühle für Diabetologie in Deutschland; gleichzeitig wird die Zahl der Diabetespatienten nach Expertenschätzungen bis 2040 auf bis zu zwölf Millionen ansteigen. „Um diese Herausforderung meistern zu können, müssen die Universitäten die diabetologischen Lehrstühle erhalten und ausbauen, statt sie kaputtzusparen“, betont Kellerer. „Wer soll sonst den ärztlichen Nachwuchs in Zukunft ausbilden, wer die Patienten betreuen und klinische Studien durchführen?“
Die Past-Präsidentin der DDG sieht deshalb Handlungsbedarf und richtet einen deutlichen Appell an Bund und Länder: „Es ist nicht hinnehmbar, dass das DRG-Vergütungssystem wichtige leitlinienbasierte Versorgungsaspekte der Volkskrankheit Diabetes unzureichend abbildet und damit für Kliniken wirtschaftlich unattraktiv macht“, kritisiert Kellerer. „Die Fallpauschalen im stationären Vergütungssystem müssen angepasst werden, damit Diabetesabteilungen im Krankenhaus kostendeckend arbeiten können und erhalten bleiben.“ Neben der Vergütungsanpassung sieht die Expertin auch Verbesserungspotenzial in der landesweiten Bettenplanung und fordert, bei der Erstellung der Krankenhaus-Bettenpläne für die Diabetologie mehr Kapazitäten einzuplanen.
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