Die Diabetes-Therapie entwickelt sich derzeit mit großer Geschwindigkeit. Fünf Jahre, die seit der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie„Therapie des Typ-1-Diabetes“ vergangen sind, haben deutliche Veränderungen in der Versorgung mit sich gebracht - auch bei der Leitlinie waren damit umfangreichere Anpassungen nötig. „Insbesondere im Bereich der Glukosesensoren hat es in dieser Zeit einige technische Neuerungen gegeben“, sagt Professor Dr. med. Thomas Haak aus Bad Mergentheim, der die Arbeit an der Leitlinie für die DDG koordiniert hat. Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) im Unterhautfettgewebe sei mittlerweile zum Standard geworden. Sie ermöglicht es, den Gewebszuckerspiegel nahezu in Echtzeit zu verfolgen und die Therapie wesentlich präziser zu steuern. Allein, aber vor allem in Kombination mit automatischen Insulinpumpen (AID), könne die CGM das tägliche Diabetesmanagement deutlich erleichtern. „Weil Studien zum langfristigen medizinischen Effekt dieser Systeme bislang fehlen, basiert dieser Teil der Leitlinie auf kurzfristigeren Studien, sowie auf Erfahrungsberichten von ärztlicher und von Patientenseite“, sagt Haak. Diese belegten den großen Nutzen, etwa die Vermeidung von Unter- und Überzuckerungen durch die eingebaute Warnfunktion, müssten aber in Zukunft noch durch wissenschaftliche Studien untermauert werden. Bereits jetzt gilt als gesichert, dass die Messwerte der CGM gut mit dem Langzeitwert des Blutzuckerspiegels, dem sogenannten HbA1c, korrelieren. Damit seien sie auch aussagekräftige Parameter zur Beurteilung der langfristigen Diabeteseinstellung.
Die Vorteile moderner Diabetes-Technologie sind auch ein Schwerpunkt der aktualisierten Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“. „Für junge Menschen mit Diabetes und ihre Familien ergeben sich dank des großen technischen Fortschrittes auch Erleichterungen bei der Integration und Teilhabe in KiTa und Schule durch eine bessere Stoffwechselkontrolle und neue Möglichkeiten, z.B. Follower-Funktion, Alarme und anderes.“, so Leitlinien Koordinator Dr. med. Martin Holder. Denn die Auswirkungen einer Diabeteserkrankung betreffen nicht nur das Leben der jungen Patienten selbst: In den meisten Fällen tragen Eltern maßgeblich zur Pflege und Behandlung bei. Diese zusätzliche Verantwortung und Sorge stellt oft eine erhebliche Belastung dar und kann sogar zu finanziellen Einbußen führen, insbesondere da erfahrungsgemäß Mütter häufig ihre berufliche Tätigkeit reduzieren müssen und eine Betreuung in KiTa oder Schule sicherzustellen. Die Integration moderner Technologien, wie Insulinpumpen, kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) und automatische Insulinabgabesysteme (AID), können eine wirksame Unterstützung bieten. „Da diese Technologien eine weitgehend uneingeschränkte und altersgerechte Integration bei gleichzeitig guter Kontrolle des Blutzuckers ermöglichen, empfehlen wir, sie nach Möglichkeit allen Kindern und Jugendlichen anzubieten", so Holder.
Darüber hinaus aktualisiert beziehungsweise erweitert die Leitlinie nun auch die Themen Telemedizin, Ernährungstherapie, Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention. „Auch die wichtige Phase der Transition wird jetzt in einem eigenen Kapitel behandelt“, sagt Leitlinien Koordinator Dr. med. Ralph Ziegler. Sie bezeichnet den Übertritt von Jugendlichen von der pädiatrischen zur erwachsenen Gesundheitsversorgung – einem Lebensabschnitt, in dem mit der Volljährigkeit und damit Selbstverantwortung sowie weiteren Themen eine ohnehin schon instabile Lebensphase beginnt. In dieser Zeit verringert sich meist die Unterstützung der Eltern beim Krankheitsmanagement. Nach dem Schulabschluss stehen Berufseinstieg oder Wohnortwechsel für ein Studium an. Manchmal verschieben sich auch einfach die Prioritäten der Heranwachsenden und der Diabetes rückt zu sehr aus dem Blick. „Die Leitlinie gibt nun wertvolle Empfehlungen dazu, wie junge Menschen adäquat und bestmöglich behandelt werden können, sodass sie möglichst ein Leben ohne Einschränkungen führen können und eine optimale Betreuung erhalten“, sagt Ziegler, der nicht nur an der Kinder- und Jugend-Leitlinie, sondern auch an der Leitlinie zum Typ-1-Diabetes der Erwachsenen beteiligt war.
Neben den zwei bereits fertiggestellten werden derzeit noch drei weitere diabetologische Leitlinien unter Federführung der DDG aktualisiert. „Verschiedene Arbeitsgruppen in unserer Fachgesellschaft überarbeiten derzeit die Leitlinien zum Gestationsdiabetes, zum Diabetes im Alter sowie zum Thema Diabetes und Straßenverkehr“, sagt DDG-Leitlinienkoordinator Professor Dr. med. Karsten Müssig.