Bestimmte Immunzellen nehmen im Alter zahlenmäßig zu, sind aber zu „ausgelaugt“, um Krankheiten effektiv zu begegnen. Immuntherapien, die die T‑Zellen stimulieren sollen, den Tumor zu bekämpfen, sind daher bei betagten Pateinten oft weniger wirksam.
Obwohl das Altern einen wichtigen Risikofaktor für Krebs darstellt, werden die meisten präklinischen Immuntherapie-Studien an jüngeren Patienten durchgeführt. Ältere Patienten über 65 Jahren zeigen oft eine schwächere Immunantwort auf Neoplasien, Impfungen und Immuntherapien. Eine Arbeit der Monash University in Melbourne liefert spannende Hinweise, woran dies liegen könnte.1,2
Die Wissenschaftler beschreiben eine kleine Subpopulation von T‑Zellen, die sog. virtuellen T‑Gedächtniszellen, die bei jungen Menschen und Tieren etwa 5 % der T‑Zellen ausmachen.
Mit steigendem Alter kommt es zur Akkumulation dieser Zellen und zugleich verlieren sie die Fähigkeit zur Aktivierung. Zurück bleiben also viele "erschöpfte" seneszente T‑Zellen, die sich kaum noch teilen und nicht mehr funktionstüchtig sind.
Als Gegenpol dieser erschöpften Zellen könnte eine Untergruppe von Zellen gelten, die als "wirklich naive" T‑Zellen bezeichnet werden. Damit sind antigennaive T‑Zellen gemeint, die den Thymus gerade erst verlassen haben und noch keine proliferative Vorgeschichte haben.
Den Forschern fiel auf, dass diese zwar auch im Alter ihre Fähigkeit behalten, eine Immunantwort zu initiieren, doch ihre Zahl nimmt bei betagten Menschen deutlich ab (von 90 % auf 30 %). Als Ursache für diesen Rückgang vermuten die Autoren altersbedingte inflammatorische Prozesse ("inflamm-ageing").
Es gibt noch weitere Mechanismen, die dazu beitragen, dass die Funktion des Immunsystems im Alter nicht nur abnimmt, sondern sich grundlegend nachteilig verändert.
Noch weitere "abträgliche" Zellen bekommen mit der Zeit zahlenmäßig ein Übergewicht, insbesondere proinflammatorische Zellen. Auch die Funktion und Prävalenz von Suppressorzellen kann im Alter zunehmen, vor allem die der MDSCs (myeloide Suppressorzellen), da die Myelopoese bei betagten Menschen zunimmt, während die Lymphopoese zurück geht.
Des Weiteren können Medikamente altersspezifische Wirkungen auf Immunzellen haben und auch Eigenschaften der "gealterten" Mikroumgebung können die Immunität erschweren oder zerrütten.3 Begriffe wie "Immunoseneszenz" oder ARID charakterisieren die Summe all dieser Veränderungen.
Koautorin Professor Nicole La Gruta vom Melbourner Institut für Biomedizinische Entdeckungen äußert hoffnungsvoll: "Nun, wo wir die Auswirkungen des Alterns auf diese T‑Zellen verstehen, werden wir vielleicht in der Lage sein, diese selektiv anzusteuern, um Immuntherapien zu verbessern."
Da die Population immer älter wird und viele Neoplasien mit zunehmendem Alter häufiger werden, ist dies ein wichtiges Problem. Obwohl sich der Abwärtstrend bei den Krebsinzidenzen insgesamt weiter fortsetzt, wird die Anzahl älterer Patienten mit Krebs in den kommenden Jahren beträchtlich ansteigen. Die Krebsinzidenz ist für über 65‑Jährige um das 11‑fache erhöht und fast 80 % aller Neoplasien werden bei Menschen über 55 Jahren diagnostiziert.4
Eine Lösungsstrategie wäre die Entwicklung von Therapien zur Entfernung der dysfunktionellen virtuellen T‑Gedächtniszellen oder zur Anreicherung funktionsfähiger echter naiver T‑Zellen während der Immuntherapie bei alten Krebspatienten. Auch Behandlungen zur Reduktion chronischer Entzündung könnten einen Ansatz darstellen, um den Verfall der Immunfunktion zu verhindern.
Referenzen:
1. Monash University. "Why older people respond poorly to cancer treatment." ScienceDaily. www.sciencedaily.com/releases/2018/06/180619122958.htm (accessed July 28, 2018).
2. Quinn KM et al. Age-Related Decline in Primary CD8+ T Cell Responses Is Associated with the Development of Senescence in Virtual Memory CD8+ T Cells. Cell Rep. 2018 Jun 19;23(12):3512-3524
3. Hurez V et al. Considerations for successful cancer immunotherapy in aged hosts. Clin Exp Immunol. 2017 Jan;187(1):53-63.
4. Marosi C, Köller M. Challenge of cancer in the elderly. ESMO Open. 2016;1:e000020. doi: 10.1136/esmoopen-2015-000020