Adjuvante endokrine Therapie: Was gibt es Neues?

Im Februar wurde die S3-Leitlinie und Anfang März die AGO-Leitlinie zum Mammakarzinom aktualisiert. Gibt es Anlass zu Änderungen in der adjuvanten endokrinen Therapie?

Die adjuvante endokrine Therapie mit Tamoxifen und Aromatasehemmern (AI) leistet einen maßgeblichen Beitrag zum beobachteten Anstieg der Überlebensraten bei Brustkrebs. Sie reduziert das relative Rezidiv- bzw. Sterberisiko bei Patientinnen mit hormonsensitivem Mammakarzinom um etwa 40 % bzw. 30 %, unabhängig von Alter, Tumorstadium und Vortherapie.1 Bei mehr als 70 % der neu diagnostizierten Brustkrebstumoren ist eine Expression von Estrogen- und Progesteronrezeptoren (ER/PgR) zu finden.2 Für den optimalen Einsatz der endokrinen Therapie gibt es detaillierte Leitlinienempfehlungen.

AGO-Update: „nicht sehr viel geändert“

Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Onkologische Gynäkologie (AGO) hat nach dem State-of-the-Art-Meeting am 29. Februar 2020 in Frankfurt ihre Leitlinien aktualisiert. An den Empfehlungen zur adjuvanten endokrinen Therapie beim Mammakarzinom hat sich „nicht sehr viel geändert“, wie Prof. Jens Huober (Ulm) auf onkowissen.tv berichtet. Huober zeichnet zusammen mit Prof. Ulrike Nitz (Mönchengladbach) verantwortlich für die aktuelle „Version 2020“ der entsprechenden Leitlinien-Folien (PDF-Link).

Bei niedriger ER-Positivität nur noch „+“-Empfehlung

Eine leichte Differenzierung erfolgte mit Blick auf die Zielgruppe der Patientinnen, für die eine adjuvante endokrine Therapie infrage kommt: Der Empfehlungsgrad für die Anwendung beim Status „fraglich endokrin sensitiv“ (1–9 % hormonrezeptorpositive Zellen) wurde von „++“ auf „+“ heruntergesetzt. Es hat sich gezeigt, dass Tumore mit niedriger ER-Positivität eher den triple-negativen Mammakarzinomen ähneln. Die endokrine Therapie bleibt damit eine im individuellen Fall empfehlenswerte Option, die aber „nicht bei jeder Patientin unbedingt gemacht werden muss“.

Langzeitdaten zum Benefit von endokriner Therapie und ovarieller Suppression

Zudem weist Huober auf „neue Daten“ zum Gesamtüberleben aus den SOFT- und TEXT-Studien hin, in denen die Wertigkeit einer ovariellen Suppression in der adjuvanten endokrinen Therapie untersucht wurde. Für prämenopausale Patientinnen mit erhöhtem Rezidivrisiko konnte eine Verbesserung des Gesamtüberlebens bestätigt werden. Speziell in der SOFT-Studie zeigten sich dabei für die Kombination von GnRH-Analoga mit Tamoxifen gegenüber dem Regime GnRH-Analoga + AI Vorteile hinsichtlich Effektivität und Nebenwirkungen, so der AGO-Experte.

Im Fazit eines Übersichtbeitrags aus dem vergangenen Jahr heißt es in diesem Kontext: „Prämenopausale Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko oder in sehr jungem Erkrankungsalter (< 35 Jahre), insbesondere nach (neo-) adjuvanter Chemotherapie, profitieren von einer endokrinen Therapie mit Tamoxifen und ovarieller Suppression mit GnRH-Analoga. Benefit, aber auch Nebenwirkungen werden noch größer, wenn Aromatasehemmer und GnRH-Analoga eingesetzt werden.“2

Postmenopausale EAT: „eine individuelle Entscheidung“

In seiner kurzen Videobotschaft vom jährlichen AGO-Treffen zum State of the Art geht Huober noch auf die Therapiedauer bei postmenopausalen Patientinnen ein. Die Weiterführung einer adjuvanten endokrinen Therapie über die in vielen Fällen ausreichenden 5 Jahre hinaus wird durch das Rezidivrisiko bestimmt. Dieses lässt sich v. a. anhand von Lymphknotenstatus sowie Größe und Biologie des Tumors einschätzen. Bekannt ist zudem, dass der Nutzen einer erweiterten adjuvanten Therapie (EAT) etwas geringer ausfällt, wenn die Patientinnen in den ersten 5 Jahren bereits Aromatasehemmer statt einer alleinigen Therapie mit Tamoxifen erhalten haben. „Insofern ist es eine individuelle Entscheidung“, betont der Leitlinien-Experte. Die Therapiewahl hängt u. a. vom individuellen Risiko und von der Verträglichkeit der Behandlung in den ersten 5 Jahren ab.

Langzeit-Evidenz bestätigt lebensverlängernden Effekt

Insgesamt gibt also wenig Neues zur endokrinen Therapie in der Adjuvanz zu berichten, wie auch die kürzlich veröffentlichte Version 4.3 der S3-Leitlinie zum Mammakarzinom zeigt. Jenseits von Paginierung, Numerierung der Empfehlungen und punktuell konsolidierter Evidenz gibt es im Kapitel „4.7.2. Endokrine Therapie“ keine relevanten Änderungen.1

Dafür hat eine Analyse der Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative Group (EBCTCG)3 kürzlich eindrucksvoll belegt, dass mit dem differenzierten Einsatz der adjuvanten Antihormontherapie die Prognose verbessert und die Mortalität relevant gesenkt werden kann. Die Ergebnisse wurden beim San Antonio Breast Cancer Symposium im Dezember 2019 präsentiert. Die Auswertung erstreckte sich auf die gepoolten Daten von mehr als 82.000 Patientinnen mit ER+ Mammakarzinomen, die in 108 Studien mit einer 5-jährigen adjuvanten endokrinen Therapie behandelt worden waren.

Bei Patientinnen, deren Brustkrebs nach dem Jahr 2000 diagnostiziert worden war, zeigte sich im Vergleich zu Patientinnen mit früher erfolgter Erstdiagnose ein um 30 % niedrigeres Risiko für eine Fernrezidivierung (DR). Der mediane Beobachtungszeitraum nach der 5-jährigen Therapie betrug 2,7 bzw. 6,1 Jahre. In den Jahren 5–10 nach Diagnosestellung lag das Rezidivrisiko der nach 2000 diagnostizierten Patientinnen bei 3 % für T1N0 und 5 % für T2N0, mit nur wenigen beobachteten Fällen nach Jahr 10. Bei gleichbleibender Entwicklung der Rezidivraten lassen sich den Autoren zufolge folgende Werte für das 20-Jahres-Risiko einer Fernrezidivierung projizieren: 8 % für T1N0 und 14 % für T2N0 – im Vergleich zu 13 % bzw. 19 % bei Patientinnen, deren Brustkrebs vor der Jahrtausendwende diagnostiziert wurde.3

EAT mit Letrozol senkt Risiko einer Fernrezidivierung um 29 %

In San Antonio wurden auch die Update-Ergebnisse der NSBAP-B42-Studie4 berichtet, in der knapp 4.000 postmenopausale Patientinnen nach einer 5-jährigen adjuvanten endokrinen Therapie (AI oder Tamoxifen für höchstens 3 Jahre, gefolgt von AI) für weitere 5 Jahre Letrozol oder Placebo bekamen. Zwar zeigte sich in der 10-Jahres-Analyse beim Gesamtüberleben kein signifikanter Unterschied (86,1 % bzw. 85,5 %). Dafür bewirkte die EAT mit Letrozol eine signifikante Verbesserung beim krankheitsfreien Überleben (DFS) – dem primärem Studienendpunkt – um 4 %, was eine relative Risikoreduktion um 16 % bedeutet (76,1 % vs. 72,1 %; HR 0,84). Das relative DR-Risiko konnte um 29 % gesenkt werden (96 vs. 133 Ereignisse; HR 0,71). Eine statistisch signifikante Erhöhung von osteoporotisch bedingten Knochenfrakturen oder arteriellen thromboembolischen Ereignisse war nicht zu verzeichnen.4 „Die Ergebnisse zeigen erneut, dass die erweiterte endokrine Therapie auch mit Aromatasehemmer nach entsprechender Risiko-Nutzen-Abwägung für bestimmte Patientinnengruppen erwogen werden kann“, kommentieren die Autoren eines aktuellen Update-Artikels.5

Referenzen:

  1. Interdisziplinäre S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Langversion 4.3, Februar 2020. AWMF-Registernummer: 032-045OL. http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom
  2. Krämer S et al. Adjuvante endokrine Therapie beim Mammakarzinom: Was ist der aktuelle Stand? Gynäkologe 2019;52:354-9
  3. Pan H et al. Improvements in long-term outcome for women with estrogen receptor positive (ER+) early stage breast cancer treated with 5 years of endocrine therapy: Analyses of 82,598 women in the Early Breast Cancer Trialistsʼ Collaborative Group (EBCTCG) database. Cancer Res 2020;80(4 Suppl):Abstr GS2-04
  4. Mamounas E P et al. Ten-year results from NRG Oncology/NSABP B-42: A randomized, double-blinded, placebo-controlled clinical trial of extended adjuvant endocrine therapy with letrozole (L) in postmenopausal women with hormone-receptor+ breast cancer (BC) who have completed previous adjuvant therapy with an aromatase inhibitor (AI). Cancer Res 2020;80(4 Suppl):Abstr GS4-01
  5. Schneeweiss A et al. Update Mammakarzinom 2020 Teil 1 – frühes Mammakarzinom: Konsolidierung des Wissens über bekannte Therapien. Geburtshilfe Frauenheilkd 2020;80(3):277–87

Abkürzungen:
AI = Aromatase-Inhibitor
BCFI = breast-cancer-free interval
DFS = disease-free survival
DR = distant recurrence
EAT = erweiterte adjuvante endokrine Therapie
GnRH = Gonadotropin-Releasing-Hormon
HER2 = human epidermal growth factor receptor 2
HR = Hazard Ratio
NSAPB = National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project
SOFT = Suppression of Ovarian Function Trial
TEXT = Tamoxifen and Exemestane Trial

Ajuvante endokrine Therapie mit Aristo – bewährt und kostengünstig: