Nutzen als Akne-Therapeutikum bestätigt

Mikropillen mit der Kombination Dienogest/Ethinylestradiol werden auch zur Behandlung einer mittelschweren Akne eingesetzt. Spricht die Evidenz tatsächlich für ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis?

Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) können sich bei geeigneter Zusammensetzung positiv auf das Hautbild jugendlicher und erwachsener Anwenderinnen auswirken. Dieser Zusatznutzen bei leichten Androgenisierungserscheinungen ist ein in der Praxis sehr geschätzter Nebeneffekt der oralen Verhütung. Für KOK mit der Kombination aus 2 mg Dienogest und 0,03 mg Ethinylestradiol (z. B. Aristelle®) gibt es sogar eine eigenständige Zulassung zur Akne-Behandlung.

Empfehlung der EMA nach Neubewertung der vorhandenen Daten

Aufgrund des Risikos für venöse Thromboembolien (VTE) unter Gestagen/Estrogen-Kombinationen wurde allerdings der Nutzen in dieser Indikation von der britischen Arzneimittelbehörde in Zweifel gezogen. Im vergangenen Jahr hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) darauf hin eine Neubewertung der verfügbaren Daten vorgelegt1. Die resultierende Empfehlung lautet:

Ein Behandlungserfolg stellt sich laut EMA-Statement üblicherweise frühestens nach 3 Monaten ein, weitere Fortschritte werden nach einem halben Jahr beobachtet. Der CHPM empfiehlt den Ärzten daher, die Anwenderinnen 3 bis 6 Monate nach Beginn der Behandlung und danach regelmäßig zu untersuchen, um die Notwendigkeit der Weiterbehandlung zu prüfen.

Die CHPM- bzw. EMA-Empfehlungen erhielten durch Beschluss der EU-Kommission Anfang April 2017 für alle EU-Mitglieder rechtsverbindlichen Charakter und wurden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entsprechend kommuniziert2.

Dienogest: Gestagen mit antiandrogener Partialwirkung

Zu der analysierten Evidenz gehören nach Angaben der EMA zwei Phase-III-Studien mit insgesamt etwa 2.400 Frauen, die überwiegend an moderater Akne litten. Dienogest/Ethinylestradiol erwies sich wirksamer als Placebo und mindestens genauso wirksam wie Kombinationen Norgestimat/ Ethinylestradiol der Ethinylestradiol/Cyproteronacetat.

Wie Cyproteronacetat weist Dienogest eine antiandrogene Partialwirkung auf und wirkt direkt blockierend am Androgenrezeptor. Dadurch wird die Wirkung der Androgene an den Erfolgsorganen Haut und Haarfollikel gehemmt. Cyproteronacetat/Ethinylestradiol ist zwar auch kontrazeptiv wirksam, im Unterschied zu Dienogest/Ethinylestradiol aber nicht als hormonelles Kontrazeptivum zugelassen.

Und wie sieht es mit dem potenziellen VTE-Risiko aus, das bei allen hormonellen Kontrazeptiva zu beachten ist? Diese Gefahr wird in der CHMP-Bewertung als niedrig eingeschätzt. Für eine genaue Risikoeinschätzung der Dienogest/Ethinylestradiol-Kombination im Verhältnis zu anderen Kontrazeptiva reichen die bisherigen Daten allerdings nicht aus. Hier wird noch weitere Evidenz erwartet. Darüber sind die Patientinnen – neben den üblichen Aufklärungserfordernissen bei hormonaler Kontrazeption – vor der Anwendung zu informieren.

Verordnung zur Aknetherapie ist ohne Altersbegrenzung erstattungsfähig

Die Verschreibung von Mikropillen, die zusätzlich zur Aknetherapie zugelassen sind, erfolgt im indikationsgerechten Einsatz zulasten der GKV – unabhängig vom Alter der Patientin. Die Diagnose muss nicht auf dem Rezept stehen. Um eine mögliche Regressgefahr zu meiden, empfiehlt es sich, die Verordnung von Kontrazeptiva zur Aknetherapie in der Patientenakte zu dokumentieren.

Der interdisziplinären Kommunikation zwischen Gynäkologe und Dermatologe kommt eine besondere Bedeutung zu. Das betrifft neben der diagnostischen Abklärung die mögliche Kombination der antiandrogenen Kontrazeption mit einer ergänzenden topischen Behandlung, um den Therapieerfolg zu steigern. Umgekehrt bildet eine zuverlässige Kontrazeption die Voraussetzung für systemische dermatologische Behandlungsansätze, etwa mit Isotretinoin.

Androgenisierungserscheinungen sind oft mit einem erheblichen Leidensdruck für die Patientinnen verbunden. Deshalb sollten sie in der Praxis auch unter psychischen Aspekten sehr ernst genommen werden. Begleitend zu den Behandlungsmaßnahmen durch Hautarzt und Frauenarzt kann mitunter eine psychosomatische Therapie geboten sein.

Auf einen Klick!
KOK mit Akne-Zulassung: Aristelle® (0,03 mg Ethinylestradiol / 2 mg Dienogest)

Referenzen:

  1. Dienogest/ethinylestradiol can be used for acne after certain other treatments have failed. EMA/200686/2017. Pressemitteilung der European Medicines Agency (EMA) vom 22.03.2017 (ema.europa.eu; Zugriff am 10.10.2018)
  2. Dienogest 2 mg und Ethinylestradiol 0,03 mg: Anwendung bei Akne möglich, wenn bestimmte andere Behandlungen nicht wirksam sind. Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 18.04.2017 (bfarm.de; Zugriff am 10.10.2018)