Antibiotika oder Antiseptika: Was, wann und für welche Patientin?
In der gynäkologischen Praxis ist die bakterielle Vaginose ein häufiges Krankheitsbild, das oft mit hohem Leidensdruck für die Betroffenen verbunden ist. Um chronisch-rezidivierende Verläufe zu vermeiden, sollte eine optimale Erstlinientherapie erfolgen.
Bakterielle Vaginose: ein komplexes klinisches Syndrom
Seit ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1955 hat die bakterielle Vaginose (BV) nicht nur mehrfach den Namen gewechselt (Haemophilus-Vaginitis, Gardnerella-Vaginitis, unspezifische Vaginitis, Corynebacterium-Vaginitis oder anaerobe Vaginose), sondern wurde auch pathophysiologisch immer besser verstanden. Heute geht man von einer Vielzahl bakterieller Konsortien aus, die in enger Wechselbeziehung zueinander stehen. Sie überziehen die Oberfläche des Vaginalepithels mit einem dichten Biofilm und münden in ein komplexes klinisches Syndrom.1
Doch trotz moderner Diagnosemethoden wie ribosomaler FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung), Multiplex-PCR (Polymerasekettenreaktion) und NGS („next generation sequencing“) lässt sich die Struktur der polymikrobiellen Gemeinschaft und das Zusammenspiel einzelner Mikroorganismen nosologisch noch immer nicht eindeutig bestimmen. Das macht die BV zu einer diagnostischen wie therapeutischen Herausforderung.1
Was also tun bei Frauen mit symptomatischer BV? Und für welche Patientin ist welche Therapieoption am besten geeignet? Dazu ist zwischen einer akuten und einer chronisch-rezidivierenden BV zu unterscheiden. Außerdem sind Schwangere als spezielle Patientengruppe gesondert zu betrachten.
Erstlinientherapie: Antibiotika oder Antiseptika
Bei erstmaliger, gesicherter Diagnose einer BV mittels Nativpräparat und zusätzlichen vulvovaginalen Beschwerden gibt die S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose eine klare Empfehlung für eine Antibiose.2 In Frage kommen Clindamycin oder Metronidazol, wobei die Therapie mit Clindamycin weniger durch Resistenzen eingeschränkt ist. Die Applikation kann oral oder vaginal als Creme oder Ovulum erfolgen.
Seit der letzten Aktualisierung der Leitlinie werden außerdem lokale Antiseptika als alternative Therapieoption empfohlen.2
Chronisch-rezidivierende BV: Antiseptika als Mittel der Wahl
Der wachsende Stellenwert lokaler Antiseptika bei BV beruht auf der zunehmenden Resistenzentwicklung gegenüber den gängigen Antibiotika, die v. a. bei Metronidazol häufig zu einem Therapieversagen führen. Da Wirkstoffe wie Dequaliniumchlorid, Octenidin oder Povidon-Jod in Untersuchungen gute Ergebnisse gezeigt haben, stellen sie eine wirksame Alternative dar. Bei einem Rezidiv können lokale Antiseptika eine sinnvolle Alternative sein, wenn die verantwortlichen Bakterien auf Antibiotika nicht mehr reagieren.2
Ob auch asymptomatische Frauen mit BV behandelt werden sollten, ist umstritten. Da die Dysbiose auch das Risiko für sexuell übertragbarer Erkrankungen, Endometritis und PID (pelvic inflammatory disease) erhöht, spricht vieles dafür, um eine drohende Infertilität zu vermeiden.2
BV in der Schwangerschaft: Clindamycin
Eine wichtige Rolle spielt die BV während der Schwangerschaft, die Prävalenz liegt Schätzungen zufolge bei 7-22 %. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Risiko für Frühgeburt und Spätaborte dadurch signifikant erhöht.4 Da die BV mit Schwangerschafts- und Wochenbettkomplikationen assoziiert ist, kann eine Therapie bei Schwangeren oder Frauen mit Kinderwunsch auch ohne Beschwerden erwogen werden, wobei diese Frage nach wie vor kontrovers diskutiert wird. So gibt es Hinweise darauf, dass die Diagnostik und Behandlung einer asymptomatischen BV die Rate an Frühgeburten senkt; insbesondere Clindamycin könnte zumindest in Subgruppen einen positiven Einfluss haben.5 Gleichwohl wird eine antibiotische Therapie bei Niedrigrisiko-Patientinnen ohne Beschwerden in der Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt aktuell kritisch betrachtet.4
Klar indiziert ist die Behandlung hingegen bei symptomatischen Schwangeren. Sie soll primär mit Clindamycin erfolgen, alternativ sind auch hier lokale Antiseptika – mit Ausnahme von Povidon-Jod – geeignet.2,6 Clindamycin scheint dabei aufgrund seiner antiinflammatorischen Wirkung und seines breiten antibiotischen Spektrums in der Schwangerschaft besser geeignet als Metronidazol. Im Sinne einer ausführlichen Nutzen-Risiko-Bewertung sollte ebenfalls beachtet werden, dass ausschließlich anaerobe Keime sensibel auf Metronidazol sind und die im Biofilm vorhandenen Gardnerella spp. bereits Resistenzen gegen Metronidazol aufweisen.2 Die Leitlinie betont außerdem ausdrücklich, dass „die Gabe von Clindamycin in der Schwangerschaft […] entgegen älteren Meinungen als sicher zu bewerten“ ist2, zumal die systemische Exposition bei Vaginalzäpfchen deutlich geringer ist als bei oraler oder parenteraler Einnahme.3
Risikofaktoren ausschalten
Parallel zur Behandlung sollten Risikofaktoren für eine BV möglichst vermieden werden. Neben Genetik und ethnischer Herkunft gibt es verschiedene beeinflussbare Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht, übertriebene vaginale Hygiene, Stress und promiskuitives Verhalten. Auch ein liegendes Kupfer-IUD (intrauterine device) kann eine BV begünstigen.2,6
In der Sprechstunde sollten die Patientinnen daher darüber aufgeklärt werden, wie sie auch selbst zur Genesung beitragen können.
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- Swidsinski A et al. Bakterielle Vaginose – ein Syndrom zwischen gestern und heute. Gynäkologie 2025; 58: 85–92. https://doi.org/10.1007/s00129-024-05315-w.
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose. AWMF-Register-Nr. 015-028, Juni 2023.
- Fachinformation Clindamycin Aristo 100 mg Vaginalzäpfchen. Stand: November 2020.
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt. AWMF-Register-Nr. 015-025, September 2022.
- Klebanoff MA et al. Antibiotic treatment of bacterial vaginosis to prevent preterm delivery: Systematic review and individual participant data meta-analysis. Paediatr Perinat Epidemiol. 2023 Mar; 37(3): 239-251. doi: 10.1111/ppe.12947.
- Farr A et al. Frauengesundheit in der Praxis. Update zur bakteriellen Vaginose. Gynäkologie 2024; 57: 340–346. https://doi.org/10.1007/s00129-024-05223-z.