Apps auf Rezept in der Gynäkologie
Eine App wie ein Medikament auf Rezept verordnen? Für viele Gynäkologinnen und Gynäkologen ist das noch Neuland. Hier finden Sie alles, was Sie zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) wissen müssen – inklusive zweier Praxisbeispiele.
Was ist eine DiGA?
Hinter der sperrigen Bezeichnung „Digitale Gesundheitsanwendungen“ verbergen sich mobile Apps oder auch Webanwendungen, die einen medizinischen Zweck erfüllen. Sie sollen die Behandlung von Erkrankungen unterstützen oder daraus resultierende Beeinträchtigungen ausgleichen. Die Verhütung von Erkrankungen im Sinne der Primärprävention gehört hingegen nicht zu den Aufgaben von DiGAs. Im Gegensatz zu rezeptfreien Gesundheits- oder Fitness-Apps müssen sie außerdem ärztlich verordnet oder von der Krankenkasse genehmigt werden.1
DiGAs zählen zu den Medizinprodukten der Risikoklassen I (geringes Risiko) oder IIa (mittleres Risiko). Das entspricht z. B. einem Rollstuhl (Risikoklasse I) oder einem Hörgerät (Risikoklasse IIa). Damit unterliegen sie grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen und müssen, bevor sie in Verkehr gebracht werden, eine CE-Kennzeichnung erhalten.2
Hoher Anspruch an Qualität, Sicherheit und Praxistauglichkeit
Darüber hinaus werden an die Zulassung von DiGAs hohe Anforderungen gestellt. So übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für digitale Anwendungen nur, wenn sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und ins sogenannte DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden. Um hier gelistet zu werden, muss eine DiGA
- sicher und nutzerfreundlich,
- datenschutzkonform sowie
- qualitativ hochwertig sein.1
Der medizinische Nutzen (z. B. Verbesserung des Gesundheitszustands, Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung des Überlebens oder Verbesserung der Lebensqualität) sowie positive Versorgungseffekte (z. B. Förderung von Gesundheitskompetenz und Adhärenz, Zugang zur Versorgung,) müssen vom Hersteller explizit dargelegt werden. Im DiGA-Verzeichnis sind diese und alle weiteren relevanten Informationen zu den jeweiligen Apps einzusehen – von der Indikation über die empfohlene Dauer der Anwendung bis hin zu den technischen Voraussetzungen. Eine Filterfunktion erlaubt die Suche nach verschiedenen Kategorien bzw. Fachgebieten, Diagnosen, Altersgruppen u. v. m.
Wie funktioniert’s? Verordnung einer DiGA
Um eine App auf Rezept zu verordnen, müssen Sie neben den üblichen Patienten-Stammdaten und der Angabe der Krankenkasse auch den Namen der DiGA sowie die Pharmazentralnummer (PZN) angeben. Diese 8-stellige Kennnummer identifiziert jede DiGA – analog zu unterschiedlichen Dosierungen und Packungsgrößen bei Arzneimitteln – eindeutig und ist bereits in allen Praxisverwaltungssystemen implementiert.3,4
Über ihre Krankenkasse erhalten Versicherte daraufhin einen Freischaltcode, mit dem sie für den vorgesehenen Zeitraum auf die App zugreifen können. Die Kosten werden von der Kasse direkt mit dem Hersteller abgerechnet, Zuzahlungen fallen nicht an. Eine Verlängerung ist zum Teil möglich, wenn die Behandlung erfolgreich war und eine Fortsetzung der Nutzung Arzt und Patient sinnvoll erscheint.
Die ärztliche Vergütung der Erstverordnung einer DiGA erfolgt über die Versicherten- und Grundpauschalen. Fallen zusätzliche ärztliche Leistungen an, die mit dem Einsatz der App verbunden sind, werden sie ggf. gesondert vergütet. Dies wird für jede im DiGA-Verzeichnis gelistete App neu festgelegt.4
DiGA ohne Rezept: Genehmigung durch die Krankenkasse
Um eine DiGA zu nutzen, können Patienten auch selbst aktiv werden, indem sie einen Antrag auf Genehmigung bei ihrer Krankenkasse stellen. Voraussetzung ist eine entsprechende Diagnose und Indikation, die beispielsweise in Form eines Arztbriefs vorgelegt werden kann. In diesem Fall müssen Niedergelassene keine Nachweise erbringen oder Befunde beisteuern.4
Beispiel 1: Endo-App – digitale Unterstützung beim Selbstmanagement der Endometriose
Steckbrief
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Hersteller:
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Endo Health GmbH
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Indikation und Zielgruppe:
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Frauen ab 18 Jahren mit Endometriose (N80)
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Anwendungsdauer:
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90 Tage
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Plattform und Kompatibilität:
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Apple App Store, Google Play Store; ab iOS 13 bzw. Android 9
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PZN:
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18355726
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Die von einem multidisziplinären Expertenteam konzipierte App hat das Ziel, Frauen mit Endometriose dabei zu unterstützen, ihre Symptomatik eigenständig zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Über vier Bereiche soll das Selbstmanagement gestärkt werden:
- Wissensvermittlung
- Übungen
- Tracking und Selbstbeobachtung
- Motivation und Begleitung
Neben ausführlichen, ansprechend aufbereiteten Hintergrundinformationen bietet die App Betroffenen die Möglichkeit, mit Hilfe eines Symptom- und Aktivitätstagebuchs ihre Beschwerden zu dokumentieren und Zusammenhänge mit auslösenden und protektiven Faktoren zu erkennen. Über gezielte Übungen werden sie angeleitet, aktiv auf ihre Symptomatik Einfluss zu nehmen.
Darüber hinaus soll die App auf lange Sicht die Forschung vorantreiben, indem die Daten anonymisiert und auf freiwilliger Basis universitären Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Beispiel 2: PINK! Coach – Begleitung beim Mamma-Ca von der Diagnose bis zur Nachsorge
Steckbrief
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Hersteller:
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PINK gegen Brustkrebs GmbH
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Indikation und Zielgruppe:
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Frauen ab 18 Jahren mit Mammakarzinom (C50)
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Anwendungsdauer:
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90 Tage
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Plattform und Kompatibilität:
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Apple App Store, Google Play Store; ab iOS 13 bzw. Android 8
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PZN:
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18206191
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Auch diese App besteht aus mehreren Bausteinen:
- Check-up
- Wissensvermittlung
- Veränderung
- Motivation und Coaching
- Nebenwirkungsmanagement
Ziel ist es, Verhalten und Lebensstil der betroffenen Frauen schrittweise und nachhaltig zu verändern, um die körperlichen und psychischen Folgen der Erkrankung positiv zu beeinflussen. In einem individuellen Coaching werden die Patientinnen dazu angeleitet, ihre Erkrankung über die Bereiche Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit besser zu bewältigen. Zudem besteht die Möglichkeit, mithilfe eines Chatbots Fragen zu Beschwerden und Nebenwirkungen zu stellen und Tipps zur Selbsthilfe zu erhalten. Bei starken Beschwerden wird jedoch umgehend an die behandelnde Ärztin verwiesen.
Probieren Sie es aus!
Digitale Gesundheitsanwendungen werden in absehbarer Zeit aus der Patientenversorgung nicht mehr wegzudenken sein. Sie fördern die aktive Mitwirkung der Betroffenen an der Behandlung und Bewältigung ihrer Erkrankung und unterstützen gleichzeitig Ärztinnen und Ärzte bei der Aufklärung und Steigerung der Adhärenz – ein Gewinn für beide Seiten. Ausprobieren lohnt sich!
- BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte): DiGA-Leitfaden für Hersteller, Leistungserbringer und Anwender. Version 3.5 vom 28.12.2023. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.html (letzter Zugriff 18.11.2024).
- § 9 MPG.
- BfArM: DiGA „auf Rezept“. Infos zur Verordnung. https://diga.bfarm.de/de/leistungserbringende (letzter Zugriff 18.11.2024).
- KBV: Digitale Gesundheitsanwendungen. https://www.kbv.de/html/diga.php (letzter Zugriff 18.11.2024).