Bakterielle Vaginose und Schwangerschaft: Was ist das Mittel der Wahl?

Die bakterielle Vaginose zählt zu den bedeutenden Risikofaktoren für eine Frühgeburt.<sup>1</sup> Im folgenden Beitrag werden einige praxisrelevante Fragestellungen anhand der neuen S2k-Leitlinie beantwortet.

Die bakterielle Vaginose zählt zu den bedeutenden Risikofaktoren für eine Frühgeburt.1 Im folgenden Beitrag werden einige praxisrelevante Fragestellungen anhand der neuen S2k-Leitlinie beantwortet.

Die bakterielle Vaginose (BV) gilt als die weltweit häufigste urogenitale Störung bei Frauen im sexuell aktiven Alter.2 Sie begünstigt nicht nur Koinfektionen mit sexuell übertragbaren Infektionen (STI), sondern erhöht auch das Risiko für gynäkologische und die Schwangerschaft betreffende Komplikationen. Im vergangenen Jahr wurde die vorhandene S1-Leitlinie im Rahmen des Leitlinienprogramms der deutschsprachigen Fachgesellschaften auf den aktuellen wissenschaftlichen Stand gebracht, neu strukturiert und auf das konsensbasierte S2k-Niveau gehoben.2 Antworten aus dieser aktualisierten AWMF-Leitlinie zur BV auf praxisrelevante Fragen zur Behandlung von schwangeren Patientinnen werden im Folgenden kurz zusammengefasst.

Welche Schwangerschaftskomplikationen drohen bei symptomatischer BV?

Eine symptomatische BV während der Schwangerschaft wurde bisher u. a. mit

in Zusammenhang gebracht.

Wer sollte behandelt werden?

Die Leitlinienautoren empfehlen, alle schwangeren Frauen mit symptomatischer BV zu therapieren, um einerseits die Beschwerden und andererseits das Risiko für Schwangerschafts- und Wochenbettkomplikationen zu reduzieren.

Zur Vermeidung von Schwangerschaftskomplikationen (wie z. B. Frühgeburt oder Spätabort) sollte eine BV auch bei asymptomatischen Schwangeren behandelt werden. Bei insgesamt uneinheitlicher Datenlage gibt es Hinweise dafür, dass die Diagnostik und Therapie einer asymptomatischen BV vor der 23. Schwangerschaftswoche die Rate an Frühgeburten senken kann.

Frauen mit BV und dringlichem Kinderwunsch sollten behandelt werden, auch wenn sie asymptomatisch sind. Diese Therapieempfehlung gilt ebenso für Frauen mit einer aeroben bzw. desquamativen inflammatorischen Vaginitis.

Die Leitlinie hält auf Basis der aktuellen Evidenz fest, dass die antibiotische Behandlung einer BV während der Schwangerschaft effektiv ist, wobei das Gesamtrisiko einer Frühgeburt dadurch wohl nicht signifikant reduziert werden kann.

Was ist das Mittel der Wahl zur Behandlung einer BV während der Schwangerschaft?

Vaginales Clindamycin gilt als ein leitlinienempfohlene Mittel der Wahl zur Behandlung einer BV während der Schwangerschaft. „Insgesamt erscheint Clindamycin, auch aufgrund seiner antiinflammatorischen und zytokinhemmenden Wirkung, sowie aufgrund seines breiten antibiotischen Spektrums während der Schwangerschaft besser geeignet zu sein als Metronidazol“, heißt es in der neuen S2k-Leitlinie.

Die berichteten Heilungsraten nach der Therapie mit Clindamycin während der Schwangerschaft liegen unter Verwendung von Gram-Färbungskriterien bei 85 %. Die (mit geringerer systemischer Belastung) einhergehende topische Anwendung ist der oralen Applikation auch während der Schwangerschaft nicht unterlegen. Es kann auf die für Nicht-Schwangere empfohlenen Clindamycin-Behandlungsschemata zurückgegriffen werden. „Die Gabe von Clindamycin in der Schwangerschaft ist entgegen älteren Meinungen als sicher zu bewerten“, halten die Leitlinienautoren explizit fest.

Welche Behandlungsalternative gibt es?

Die aktualisierte Leitlinie empfiehlt erstmals Antiseptika als Behandlungsoption bei bakterieller Vaginose. Während Dequaliniumchlorid und Octenidin auch während der Gravidität als potenzielle Alternativen betrachtet werden, wird von der Anwendung von Povidon-Jod bei Schwangeren abgeraten. Ergänzend weisen die Leitlinienautoren darauf hin, „dass es sich bei Therapien in der Schwangerschaft häufig um eine off-Label-Use Anwendung handelt, über welche die Patientin in jedem Fall vorab ausführlich aufgeklärt werden sollte.“


In der neuen S2k-Leitlinie „Bakterielle Vaginose“ geben die beteiligten Experten im Kapitel 7.3 klare Empfehlungen zur BV-Therapie während der Schwangerschaft. In der einleitenden Zusammenfassung der Empfehlungen heißt es: „Die Therapie der bakteriellen Vaginose während der Schwangerschaft soll primär mit vaginalem Clindamycin oder Antiseptika erfolgen.“1

Balancierte Laktobazillusflora schützt Schwangerschaft

Für ein generelles BV-Screening bei asymptomatischen Frauen außerhalb der Schwangerschaft sehen die Leitlinienautoren keine Indikation gegeben. Bezüglich Empfehlungen zur Notwendigkeit eines BV-Screenings während der Schwangerschaft verweisen sie auf die aktuelle S2k-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Frühgeburt3. Dort finden sich u. a. die folgenden konsensbasierten Statements:

„Eine balancierte Laktobazillusflora schützt die Schwangerschaft“, betonte Prof. Werner Mendling (Wuppertal), Co-Autor beider Leitlinien, auch beim FOKO Fortbildungskongress der BVF Akademie des Berufsverbands der Frauenärzte im März 2024. „Wahrscheinlich ist es hinsichtlich Frühgeburt besser, mit guter Vaginalflora zu konzipieren, als später in der Schwangerschaft eine etablierte BV zu therapieren“, so der Experte.

Ergebnisse aus der Versorgungsforschung stützen diese Einschätzung. So konnten kürzlich im Rahmen der von Krankenkassen durchgeführten Programme „Gesund schwanger“ bzw. „Baby on time“ signifikante Reduktionen der Frühgeburtenraten für die jeweilige Gesamtpopulation gezeigt werden. Bei den Teilnehmerinnen, die ein Infektionsscreening durchführten, war das Frühgeburtsrisiko um 26 % bzw. 35 % niedriger als bei den schwangeren Frauen der Kontrollgruppe. Dem Nachteil der Nicht-Randomisierung stehen laut den Autoren „die Vorteile der Durchführung der Intervention in der konkreten Versorgungsrealität und des tatsächlichen Nachweises der Verringerung der Frühgeburten gegenüber“.1

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Abkürzung:
SSW = Schwangerschaftswoche

Quellen

  1. Kirschner W, Henrich W. Verringerung der Frühgeburten durch Screening auf Bakterielle Vaginose. Z Geburtshilfe Neonatol 2023;227(S 01):e185
  2. S2k-Leitlinie „Bakterielle Vaginose“. Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG. AWMF-Registernummer: 015-028. Version: 5.0. Stand: Juni 2023
  3. S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt. Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG. AWMF-Registernummer: 015-025. Version: 5.0. Stand: September 2022