Wann ein Vitamin-D-Status und eine Supplementierung sinnvoll sind
Vitamin D hat in der Gynäkologie eine besondere Bedeutung. Das liegt daran, dass Frauen in verschiedenen Lebensabschnitten einen höheren Bedarf an dem lebensnotwendigen Mikronährstoff haben und daher leicht von einer Unterversorgung bedroht sein können.
Sonderstellung von Vitamin D
Jeder Arzt kennt die wichtige Funktion von Vitamin D für den Knochen- und Mineralstoffwechsel – unter anderem als effektives Mittel zur Prävention und Therapie der Rachitis oder der Osteoporose. Doch inzwischen weiß man, dass Vitamin-D-Rezeptoren in nahezu allen Geweben und Organen exprimiert werden. Angesichts dessen ist die Bedeutung von Vitamin D immer mehr Gegenstand der Forschung.
Die Vitamin-D-Familie umfasst mehrere chemische Verbindungen, die durch das charakteristische Ringsystem von Cholesterol gekennzeichnet sind. Das Besondere daran ist, dass der Körper es aus Vorstufen selbst synthetisieren kann. Unter dem Einfluss von UV-Licht und einer zweifachen Hydroxylierung in Leber und Niere entsteht aus dem kutanen 7-Dehydrocholesterol letztlich die aktive Wirkform 1,25-Dihydroxy-Colecalciferol (Calcitriol, Vitamin D3). Die körpereigene Synthese deckt den Großteil des Bedarfs an Vitamin D, während die orale Aufnahme mit der Nahrung nur etwa 10–20 % ausmacht.1,2
Vitamin-D-Unterversorgung ist weit verbreitet
Doch um die Versorgung mit Vitamin D ist es hierzulande nicht gut bestellt. So verfügt nur etwa die Hälfte aller Menschen in Deutschland über eine als ausreichend angesehene Plasmakonzentration von 50 nmol/l 25-Hydroxy-Vitamin-D (Calcidiol), dem Metaboliten, der zur Diagnostik herangezogen wird.2,3
Das kann verschiedene Ursachen haben: eine verminderte Synthese, einen höheren Bedarf oder eine Kombination aus beidem. An dieser Stelle kommt nun die Frauengesundheit ins Spiel. Denn Frauen haben in bestimmten Situationen und Lebensphasen einen erhöhten Bedarf an Vitaminen und anderen Nährstoffen. Dazu gehören vor allem Schwangerschaft und Wechseljahre.
Schwangerschaft: Vitamin-D-Mangel birgt Risiko für Komplikationen
Schwangere benötigen ein Vielfaches an Vitaminen und Mineralstoffen, was sich allein über die Ernährung unter Umständen nicht abdecken lässt. Damit kann das Risiko schwangerschaftsassoziierter Komplikationen erhöht sein, wobei die Bedeutung von Vitamin D für den Schwangerschaftsverlauf erst Gegenstand der Forschung ist. Bekannt ist, dass ein Mangel an Vitamin D Proinflammation, oxidativen Stress und endotheliale Dysfunktion begünstigen kann – Faktoren, die z. B. auch bei der Pathogenese der Präeklampsie eine Rolle spielen können. Darüber hinaus kann die Vitamin-D-Versorgung von Schwangeren einen Einfluss auf Frühgeburtlichkeit, Gestationsdiabetes und SGA (small for gestational infants) haben. Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass eine Unterversorgung in der Schwangerschaft postnatal negative Folgen für das Kind haben und beispielsweise zur Entwicklung von Allergien und akuten Atemwegsinfekte beitragen kann.1
Wechseljahre: drohende Osteoporose durch sinkende Östrogenspiegel
Eine weitere vulnerable Phase im Leben einer Frau ist die Zeit der hormonellen Umstellung in den Wechseljahren. Durch den sinkenden Östrogenspiegel verändern sich Knochenstruktur und -dichte und damit die Stabilität des Skeletts. Epidemiologischen Untersuchungen zufolge erkrankt jede dritte bis vierte Frau über 50 Jahre an einer Osteoporose; bei über der Hälfte von ihnen kommt es in den darauffolgenden Jahren zu einer Fraktur.4
Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D kann dieses Risiko senken, indem über eine verstärkte Resorption von Kalzium und Phosphat Knochenaufbau und -mineralisierung gefördert werden. So empfiehlt die S3-Leitline zur Peri- und Postmenopause der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) eine Supplementierung von Vitamin D als Osteoporose-Prophylaxe, sofern der Bedarf nicht mit einer entsprechenden Ernährung und Sonnenexposition allein gedeckt werden kann.4
Denn genau das ist bei Frauen in und nach den Wechseljahren oft nicht der Fall, was auch am fortschreitenden Alter liegt, in dem es immer schwieriger wird, den nötigen Vitamin-D-Spiegel aufrechtzuerhalten. Während der Energiebedarf mit zunehmendem Alter sinkt, bleibt der Bedarf an wichtigen Nährstoffen konstant oder steigt, insbesondere bei Kalzium und Vitamin D. Gleichzeitig lassen die Syntheseleistung der Haut sowie die Fähigkeit der Niere zur Hydroxylierung von Vitamin D in die aktive Wirkform nach.1

Abb. 1: Veränderung der Vitamin-D-Serumkonzentration nach Vollexposition mit UV-Licht in Abhängigkeit vom Alter. Modifiziert nach1
Jenseits dieser speziellen Situationen und dem zeitweisen Mehrbedarf bei Frauen gibt es Hinweise, dass ein Mangel an Vitamin D auch bei zahlreichen Erkrankungen eine Rolle spielen und eine Supplementierung entsprechend protektiv wirken könnte. Dazu gehören etwa Autoimmunerkrankungen oder Diabetes mellitus.2,5
Was aber bedeutet all dies konkret? Bei welchen Patientinnen sollten Gynäkologinnen und Gynäkologen den Vitamin-D-Spiegel bestimmen und wann substituieren?
Vitamin-D-Supplementierung in der Praxis
Angesichts der Vitamin-D-Unterversorgung in großen Teilen der Bevölkerung stellt sich die Frage, ob ein allgemeines Screening angemessen sein könnte. Derzeit wird es noch nicht empfohlen, so dass jeder Arzt individuell entscheiden muss, wen er untersucht und/oder supplementiert.
Bei einer manifesten Osteoporose fällt die Entscheidung leicht. Hier gehört die 25(OH)D-Messung zur Routinediagnostik, bei erniedrigten Werten < 50 nmol/l ist eine Supplementierung indiziert. Allerdings sollte unterhalb der wünschenswerten Serumkonzentration auch bei ansonsten gesunden Personen Vitamin D extern zugeführt werden.2 Nur: Wen testet man darauf? Bei bestimmten Risikogruppen kann die Untersuchung sinnvoll sein oder sogar direkt mit einer Supplementierung begonnen werden. Dazu gehören ältere Menschen, Personen mit starkem Übergewicht oder geringer Sonnenlichtexposition. Außerdem: Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch.2
Die im Juni 2024 publizierten Richtlinien der Endocrine Society zu Vitamin D als Krankheitsprävention geben Empfehlungen für eine empirische Vitamin-D-Supplementierung.6 Ihnen liegt eine umfassende Literaturrecherche zugrunde, in der nach der aktuell verfügbaren Evidenz zur präventiven Wirkung von Vitamin D bei verschiedenen Zielgruppen gesucht wurde.7 Demnach wird Vitamin D empfohlen bei:6
- Kindern und Jugendlichen zwischen 1 und 18 Jahren zur Prävention von Rachitis und Atemwegsinfekten
- Personen ab 75 Jahren zur Senkung der Mortalität
- Schwangeren, um das Risiko für Präeklampsie, intrauterine Mortalität, Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht und neonatale Mortalität zu reduzieren
- Menschen mit Prädiabetes, um das Risiko einer Krankheitsprogression zu reduzieren
Gute Verträglichkeit auch in hoher Dosierung
Bleibt zuletzt die Frage nach der Sicherheit einer externen Zufuhr von Vitamin D. Wie bei allen Wirkstoffen sollte vor der Supplementierung eine individuelle ärztliche Bewertung des Patienten erfolgen. Zu den möglichen Risiken einer Vitamin-D-Überdosierung gehören eine Hyperkalzämie mit Kalziumablagerungen in Gefäßen und Geweben. Daher ist insbesondere bei Patienten mit Nierensteinen oder schwerer Nierenfunktionsstörung bei einer Supplementierung eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen. Grundsätzlich sollte bei einer höherdosierten Behandlung der Kalziumspiegel in Serum und Urin überwacht und das Serumkreatinin überprüft werden.8
Die European Food Safety Authority (EFSA) erachtet eine maximale tägliche Vitamin-D-Zufuhr bis zu 4.000 IE (100 μg) als sicher für Erwachsene.9
Bessere Compliance bei wöchentlicher Einnahme
Für eine hochdosierte Vitamin-D-Supplementierung bestehen zwei Möglichkeiten:
- tägliche Einnahme von 4.000 IE
- wöchentliche Einnahme von 20.000 IE
Die wöchentliche Gabe hat den Vorteil, dass die Vitamin-D-Speicher schnell wieder aufgefüllt werden und ist indiziert zur Initialbehandlung eines symptomatischen Vitamin-D-Mangelzustands bei Erwachsenen. Ein weiterer Pluspunkt: Die Einnahme einmal pro Woche kann die Adhärenz steigern, was vor allem bei älteren Patienten relevant sein kann.
- Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018. DOI: 10.1055/b-004-132260.
- Pilz S: Evidenzbasierte Vitamin-D-Supplementierung. Beilage in „MMW – Fortschritte der Medizin“, Band 167, Heft 2, Februar 2025.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Vitamin D. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-d/ (letzter Zugriff 22.01.2025).
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG): S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. AWMF-Registernummer 015-062, Januar 2020.
- Franke J: Vitamin D in der Gynäkologie. gynäkologie + geburtshilfe 2021; 26 (S1).
- Demay MB et al.: J Clin Endocrinol Metab 2024, 109:1907−1947.
- Shah VP et al.: A Systematic Review Supporting the Endocrine Society Clinical Practice Guidelines on Vitamin D. J Clin Endocrinol Metab 2024; 109: 1961–1974.
- Fachinformation Colecalciferol Aristo 20.000 I.E. Weichkapseln, Stand 05/2023.
- EFSA Panel on Nutrition, Novel Foods and Food Allergens (NDA), EFSA J 2023, 21:e08145.