- Niggli A et al. Blutungsstörungen unter hormonellen Kontrazeptiva. Gynäkologische Endokrinologie 2024; 22: 259–267. https://doi.org/10.1007/s10304-024-00597-8.
Blutungsstörungen sind eine häufige Nebenwirkung von hormonellen Kontrazeptiva. Obwohl sie grundsätzlich unter allen Hormonpräparaten auftreten können, variiert das Risiko je nach kontrazeptiver Methode.
Blutungsrisiko je nach Methode – ein Überblick1
Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KOK) bieten meist eine gute Zykluskontrolle. Allerdings treten auch hier Durchbruchblutungen auf, die vor allem in der Anfangsphase bis zu 30 % der Anwenderinnen betreffen können. Am zyklusstabilsten sind Präparate mit einer höheren Ethinylestradiol (EE)-Dosis von 30 µg, ebenso wie der Vaginalring mit seiner kontinuierlichen Hormonfreigabe. Bei der Gestagenkomponente gilt die 3. Generation als besonders blutungsstabil.
Im Gegensatz dazu führen Mikropillen mit 15–20 µg EE häufiger zu Zwischenblutungen. Auch neuere Pillen auf der Basis von Estradiolvalerat (EV), 17β-Estradiol (E2) oder Estetrol (E4) scheinen nach bisherigem Kenntnisstand beim Blutungsrisiko keine Vorteile zu bringen.
Reine Gestagenpillen mit Desogestrel führen durch die kontinuierliche Einnahme oft zu einer – therapeutisch erwünschten – Amenorrhoe. Dennoch können zu Beginn wie auch im Verlauf nach bereits eingetretener Amenorrhoe Blutungen auftreten, die bei bis zu 22,5 % der Frauen zum Absetzen führen. Dabei kann sich Geduld durchaus lohnen: Die Rate an Blutungsstörungen nimmt im ersten Anwendungsjahr kontinuierlich ab.
Auch bei Gestagenimplantaten sind irreguläre Blutungen in den ersten Monaten am häufigsten. Allerdings verbessern sie sich im Verlauf meist nicht mehr. Anders bei Depot-Medroxyprogesteronacetat (DMPA), das als intramuskuläre oder subkutane Injektion verabreicht wird. Hier lassen Blutungsstörungen mit der Zeit immer mehr nach. Die Amenorrhoerate beträgt etwa 50 % nach einem Jahr und steigt auf rund 70 % nach zwei Jahren, was die höchsten Werte unter allen Kontrazeptiva darstellt.
Blutungen bei intrauterinen Systemen (IUS) sind bei niedriger Hormondosis häufiger als bei höherer, nehmen aber in beiden Fällen wiederum kontinuierlich ab. IUS mit 52 mg Levonorgestrel sind aufgrund ihrer guten Blutungskontrolle Mittel der Wahl zur Therapie von Hypermenorrhoen. Dagegen kann es unter Kupfer-IUS zu einer Zunahme von Blutungsstärke und -dauer kommen, die bis zur Anämie führen kann. Die Indikation sollte daher sorgfältig gestellt werden.
Gerade bei den ansonsten gut verträglichen und breit einsetzbaren reinen Gestagenen sind irreguläre Blutungen ein häufiger Grund für das Absetzen. Damit es nicht so weit kommt, werden folgende Maßnahmen empfohlen:1
Damit die eingangs geschilderte Patientin entspannter mit der plötzlich wiederauftretenden Blutung umgeht, ist eine ausführliche Aufklärung – am besten bereits im Vorfeld – unerlässlich. Obwohl Blutungsstörungen vor allem zu Beginn der Einnahme häufig sind, können sie auch im Verlauf auftreten. Warum, ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen Veränderungen von Endometrium und endometrialen Gefäßen eine Rolle, die aber wohl keinen pathologischen Wert haben. All diese Informationen können den Betroffenen helfen, die Beschwerden besser einzuordnen.
Wichtig ist auch die Aufklärung darüber, dass der Kontrazeptionsschutz von den Blutungen unbenommen bleibt, sofern weiterhin eine tägliche und pünktliche Einnahme erfolgt.
Eine sorgfältige Anamnese kann häufig bereits eine mögliche Ursache klären. Dazu gehören auch mögliche Anwendungsfehler oder Medikamenteninteraktionen. Bei anhaltend starken oder wiederholten Blutung trotz korrekter Einnahme ist eine weiterführende gynäkologische Untersuchung indiziert. So ist bei einer IUS die korrekte Lage zu überprüfen. Differentialdiagnostisch kommen neben Infektionen auch Myome, Polypen und Malignome in Frage. Selbstverständlich sollte auch eine Schwangerschaft als Blutungsursache ausgeschlossen werden.
Da über die Ursachen von Blutungsstörungen unter hormoneller Kontrazeption bislang wenig bekannt ist und es keine gute Evidenz für eine wirksame Behandlung gibt, basiert die Therapie vorwiegend auf klinischen Erfahrungswerten. Allen Optionen ist darüber hinaus gemein, dass sie nur akute Blutungen unterbinden können und keine langfristigen Effekte haben. Bei persistierenden Beschwerden sollte daher ein Wechsel der Kontrazeptionsmethode erwogen werden.
Grundsätzlich muss nicht jede irreguläre Blutung behandelt werden. In den ersten Monaten der Anwendung ist ein abwartendes Vorgehen gerechtfertigt, verbunden mit einer entsprechenden Aufklärung. Bei anhaltenden, starken und belastenden Blutungen haben sich verschiedene Therapieansätze bewährt. So kann eine exogene Gabe von Östrogenen das Endometrium stabilisieren und damit zur Blutungskontrolle beitragen. Zusätzlich kann ein Therapieversuch mit Gestagenen unternommen werden.
Beispiel für ein mögliches Therapieschema:
Eine weitereTherapieoption sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), die Blutungen über eine Hemmung der Prostaglandinsynthese abschwächen können. Auch hier unterliegen Substanzauswahl und Dosierung der persönlichen Einschätzung des Arztes. Auch muss die mögliche Blutgerinnungshemmung der NSAR bei ungeklärten Blutungen beachtet werden.
Beispiele für mögliche Therapieoptionen mit NSAR:
Daneben kann, wie auch im Rahmen anderer Blutungen, Tranexamsäure (500 mg zweimal täglich) verabreicht werden. Auch die Gabe von Doxycyclin (zweimal 100 mg täglich für 5 Tage), einem Inhibitor von Matrixmetalloproteinasen, zeigt bei manchen Frauen Wirkung, wenngleich die Studiendaten dazu inkonsistent sind.
Nicht praktikabel erscheinen hingegen der off-label-use von Substanzen wie Tamoxifen oder Ulipristalacetat. Auch für die Supplementation von Vitamin C oder Vitamin E gibt es derzeit keine hinreichende Evidenz.
Zurück zur Patientin: Nachdem sich ihr Arzt von der korrekten Einnahme überzeugt hat und weiter diagnostisch körperliche Ursachen ausgeschlossen hat, klärt er sie darüber auf, dass derartige Blutungen nicht ungewöhnlich und in der Regel harmlos sind. Die junge Frau ist daraufhin beruhigt und lässt sich auf eine Fortführung der oralen Kontrazeption ein. Es wird eine Wiedervorstellung vereinbart, sollten erneut belastende Blutungen auftreten. Für diesen Fall hat der Gynäkologe bereits geeignete Behandlungsstrategien zur Hand.
Abkürzungen:
DMPA = Depot-Medroxyprogesteronacetat
EE = Ethinylestradiol
EV = Estradiolvalerat
IUS = Intrauterinsystem
KOK = Kombinierte Orale Kontrazeptiva
NSAR = Nichtsteroidale Antirheumatika
POP = Progesteron Only Pills