Delphi-Methode: Risikofaktoren für ein Rezidiv bei HER2- frühem Brustkrebs

Welche Faktoren erhöhen das Rezidivrisiko bei HER2-negativem Mammakarzinom im Frühstadium? Warum ist eine Standardisierung der Risikobewertung notwendig? Was tun bei einem Hochrisiko? Finden Sie es hier heraus.

Nach einer erfolgreichen initialen Therapie von Brustkrebs wird ein Wiederauftreten gefürchtet – wie hoch das Risiko dabei ist, ist häufig multifaktoriell bedingt.1 Viele Jahre wurde der Lymphknotenbefall (Nodalstatus) als einziger prognostischer Faktor nach einer Brustkrebsoperation herangezogen. Seit 1982 wurde zur Prognosebestimmung der Nottingham Prognoseindex (NPI) basierend auf Nodalstatus, Tumorgröße und Tumorgrad genutzt.1 Mit der Zeit wurden zusätzlich Biomarker, z. B. Ki-67-Status, berücksichtigt, da das Verständnis zu den einzelnen Brustkrebs-Subtypen anstieg.1

Derzeit gibt es keine standardisierte Definition, wann für Patient:innen mit einem HER2-negativem (HER2-) Mammakarzinom im Frühstadium (Stadium 1–3) nach einer Operation ein erhöhtes Rezidivrisiko besteht.1 Daher befragten Copson et al. (2023) Expert:innen aus dem Vereinigten Königreich mittels Delphi-Methode, um eine Expertenmeinung zu Risikofaktoren für ein Rezidiv zu ermitteln und eine standardisierte Methode zur Risikoeinschätzung zu erreichen.1

Delphi-Methode: Expertenmeinung zu Risikofaktoren für ein Rezidiv

Infobox: Was ist die Delphi-Methode?

Die Delphi-Methode ist ein mehrstufiges Befragungsverfahren mit Rückkopplung, wobei Expert:innen anonym einen Fragebogen ausfüllen.2 In mindestens einer nächsten Runde werden die Teilnehmer:innen erneut befragt und dazu aufgefordert, zu den ausgewerteten Ergebnissen Stellung zu nehmen.2 Ziel davon ist es, eine Gruppenmeinung zu einem komplexen Thema bzw. zur Prognosebestimmung zu erfassen.2

Bei der genannten Befragung von Copson et al. (2023) beantworteten die Teilnehmer:innen individuell Umfragen über drei Runden hinweg.1 Nach deren Auswertung konnte ein Konsens (bei Übereinstimmung von ≥ 70 %) oder eine Heterogenität der Expertenmeinungen festgestellt werden.1 Dazu wurden Onkolog:innen und Chirurg:innen eingeladen, von welchen 29 in der ersten Runde, 24 in der zweiten und 22 in der dritten Runde teilgenommen haben.1

Das Ziel war es, die Expertenmeinung zu Risikofaktoren für ein Rezidiv beim frühen HER2- Brustkrebs nach chirurgischem Eingriff zu erfassen.1 Ein frühzeitiges Erkennen des Rezidivrisikos ermöglicht einen rechtzeitigen Therapiestart.1 Die Behandlung könnte mittels adjuvanter Chemotherapie oder neuartiger zielgerichteter Strategien, wie der CDK4 & 6-Inhibitor Abemaciclib, erfolgen.1

Welche Risikofaktoren sprechen für ein erhöhtes Rezidivrisiko?

Es wurde ein Expertenkonsens darüber erzielt, dass Alter, Tumorgröße, Tumorgrad, Anzahl positiver Lymphknoten, entzündlicher Brustkrebs und Risikoberechnungsverfahren bei allen HER2- Patientinnen beurteilt werden sollten (Tab. 1).1

Dahingegen unterschieden sich die Meinungen der Expert:innen zu den Faktoren Risikoschwellenwerte, Multigen-Assays und Online-Tools zur Risikovorhersage (z. B. NHS Predict) je nach biologischem Subtyp des Tumors.1 Bei Hormonrezeptor-positiven (HR+) Tumoren sollten nach Meinung der Expert:innen der Multigen-Assay Oncotype DX und Biomarker-Tests verwendet werden.1 Beim triple-negativen (TN-) Subtyp hingegen sollte die pathologische Komplettremission (pCR) berücksichtigt werden.1

Die Ergebnisse, bezogen auf die HER2- frühe Brustkrebs-Population, sind in folgender Tabelle dargestellt.1 Ein Konsens wurde bei einer Übereinstimmung der Antworten von über 70 % erreicht.1

Faktor Unabhängiger Risikofaktora Risikofaktor, wenn in Kombination mit anderen Faktorena
Alter ja
< 35 Jahre (71 %)
nein
< 35 Jahre (68 %)
Tumorgröße ja
> 5 cm (100 %)
nein
> 5 cm (67 %)
Tumorgrad ja
Grad ≥ 3 (95 %)
ja
Grad ≥ 3 (84 %)
Anzahl positiver Lymphknoten ja
≥ 4 (91 %)
ja
≥ 1 (73 %)
Multigen-Assay ja
Oncotype DX (89 %)
Online-Tool zur Risikovorhersage ja
National Health Service (NHS) Predict (95 %)

Tab. 1: Ergebnisse von Copson et al. (2023) mit Hilfe der Delphi-Methode zur Vorhersage des Rezidivrisikos bei HER2- Brustkrebs. aDie prozentuale Zustimmung wurde als Anteil der Anzahl der Befragten zu einer bestimmten Frage berechnet. Modifiziert nach 1.

Fazit

Die Studienautor:innen betonen, dass eine stärkere Standardisierung der Definition von „Hochrisiko“ abhängig vom Brustkrebssubtyp notwendig ist.1 Dadurch könne der gleichberechtigte Zugang zur Behandlung verbessert werden, aber auch Studiendesigns und wirtschaftliche Bewertung von klinischen Studien beeinflusst werden.1 Eine zuverlässige Risikobewertung ist insbesondere entscheidend, da Patient:innen mit behandeltem HER2- Brustkrebs im Frühstadium und hohem Rezidivrisiko von gezielten Therapien profitieren können.1 Zur Behandlung von Frauen und Männern mit HR+, HER2- Mammakarzinom und erhöhtem Rezidivrisiko ist die Kombinationstherapie aus dem CDK4 & 6-Inhibitor Abemaciclib (Verzenios®)* und einer endokrinen Therapie zugelassen.3 Dabei wird ein hohes Rezidivrisiko definiert als ≥ 4 positive axilläre Lymphknoten (paLN) oder 1-3 paLN und mindestens eines der folgenden Kriterien: Tumorgröße ≥ 5 cm oder histologischer Grad 3.3

* Brustkrebs im frühen Stadium: Abemaciclib (Verzenios®) ist in Kombination mit einer endokrinen Therapie angezeigt für die adjuvante Behandlung von erwachsenen Patient:innen mit HR+, HER2-, nodal-positivem Brustkrebs im frühen Stadium mit einem hohen Rezidivrisiko#.3 Bei prä- oder perimenopausalen Frauen sollte die endokrine Aromatasehemmer-Therapie mit einem LHRH-Agonisten (LHRH = Luteinising Hormone Releasing Hormone) kombiniert werden.3

Fortgeschrittener oder metastasierter Brustkrebs: Abemaciclib (Verzenios®) ist angezeigt zur Behandlung von Frauen mit HR+, HER2- lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs in Kombination mit einem Aromatasehemmer oder Fulvestrant als initiale endokrine Therapie oder bei Frauen mit vorangegangener endokriner Therapie.3 Bei prä- oder perimenopausalen Frauen sollte die endokrine Therapie mit einem LHRH-Agonisten kombiniert werden.3

# Hohes Rezidivrisiko definiert als ≥ 4 positive axilläre Lymphknoten (paLN) oder 1–3 paLN und mind. eines der folgenden Kriterien: Tumorgröße ≥ 5 cm oder histologischer Grad 3.3


Quelle

  1. Copson ER et al. Breast 2023; 72: 103582.
  2. Vorgrimler D. Die Delphi-Methode und ihre Eignung als Prognoseinstrument. Statistisches Bundesamt. Wirtschaft und Statistik 2003. URL: https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2003/08/delphi-methode-082003.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen 09.11.2023).
  3. Fachinformation Verzenios®, aktueller Stand.

PP-ON-DE-1917