Praxisübernahme: Risiko- und Erfolgsfaktoren

Eine Praxisübernahme ist ein komplexer Prozess, der zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt. Ein Überblick über rechtliche, finanzielle und organisatorische Faktoren.

Was ist eine Praxisübernahme?

Die Übernahme einer Arztpraxis ist eine Form der Praxisgründung. Sie umfasst den gesamten Prozess, bei dem eine bestehende Praxis samt all ihrer Rechte und Pflichten durch einen Verkauf auf einen Nachfolger übertragen wird. Laut § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird die Praxisübernahme als Betriebsübergang durch ein rechtliches Geschäft definiert. Dieser Übergang wird durch die Unterzeichnung des Kaufvertrags besiegelt und führt dazu, dass sämtliche Verantwortlichkeiten an den Nachfolger übergehen.

Wer darf eine Arztpraxis übernehmen?

In Deutschland haben gesetzlich versicherte Patienten (GKV-Patienten) Anspruch auf medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte, die als Vertragsärzte (Kassenärzte) in eigener Praxis oder in medizinischen Versorgungszentren tätig sind. Die Anzahl der Vertragsarztsitze ist gesetzlich geregelt und orientiert sich an der Bedarfsplanung. Sie legt fest, wie viele Ärzte in einer bestimmten Region benötigt werden, um eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Ein Vertragsarztsitz ist an einen bestimmten Arzt gebunden. Wenn ein Vertragsarzt seine Praxis wegen Ruhestand oder einem Umzug aufgibt, wird sein Vertragsarztsitz frei und durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) oder den Zulassungsausschuss neu besetzt. Wer eine Vertragsarztpraxis übernehmen möchte, muss eine Approbation, eine Kassenzulassung und einen Eintrag im Arztregister haben. Ärzte ohne Kassenzulassung dürfen nur Privatpatienten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen. Der Antrag auf Kassenzulassung kann bei den örtlichen Zulassungsausschüssen der Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie der Ersatzkasse gestellt werden.

Warum eine Arztpraxis übernehmen?

Einige Regionen in Deutschland sind bei angehenden Ärzten beliebter als andere. Vor allem ländliche Gegenden haben Nachwuchssorgen. Um einer Überversorgung in einer Region vorzubeugen, hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Zulassungsbeschränkungen eingeführt. Wo die Gründung einer Arztpraxis aktuell nicht möglich ist, ist die Praxisübernahme eine gute Option, um als Fachmediziner am Wunschort zu praktizieren. Tatsächlich haben sich laut einem Bericht der Apobank und des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung 2020 94% der Ärztinnen und Ärzte für eine Praxisübernahme entschieden.

Vorteile einer Praxisübernahme

Die Möglichkeit, eine Vertragsarztzulassung in einem gesperrten Planungsbereich zu erhalten, wird durch die Praxisübernahme deutlich erhöht. Andernfalls müsste man darauf warten, dass ein Arzt derselben Fachrichtung seine Zulassung zurückgibt. Weitere Vorteile: Die Räumlichkeiten sind bereits eingerichtet und verfügen im Idealfall über alle notwendigen medizinischen Geräte, Möbel und andere Ausstattungen. Wenn neues Inventar integriert werden muss, ist dies dennoch eine einzelne Ausgabe. Es gibt ein eingespieltes Praxisteam und einen Patientenstamm. Damit ist das Risiko eines wirtschaftlichen Einbruchs beim Wechsel von Patienten zu anderen Ärzten überschaubar. Vergleichszahlen ermöglichen bereits das Abschätzen der Wirtschaftlichkeit der Arztpraxis. Das ermöglicht eine ungefähre Planung der Einnahmen und laufenden Kosten.

Nachteile einer Praxisübernahme

Die Übernahme einer etablierten Praxis kann mit hohen Investitionskosten verbunden sein, insbesondere wenn Modernisierungen oder Anpassungen erforderlich sind. Die Übernahme bedeutet auch, dass man sich den bereits bestehenden Strukturen und Abläufen anpassen muss. Dies kann mitunter Einschränkungen für den neuen Praxisinhaber bedeuten. Es kann zu personellen Veränderungen im Praxisteam kommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten sich gegen die Veränderungen sträuben oder sich für eine andere Arbeitsstelle entscheiden. Andersherum dürfen bestehende Arbeitsverträge nicht einfach einseitig gekündigt werden. Auch die Patienten könnten möglicherweise skeptisch gegenüber dem Wechsel des Praxisinhabers sein, insbesondere wenn die vorherige Praxisinhaberin oder der vorherige Praxisinhaber beliebt waren.

Welche Modelle der Praxisübernahme gibt es?

Es bieten sich zum einen der Kauf einer bestehenden Arztpraxis an oder eines Anteils an einer Ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bzw. einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Dabei kann die Übernahme sofort oder gestaffelt erfolgen. Bei der sofortigen Praxisübernahme wird die Praxis an einem festgelegten Stichtag vollständig an den Nachfolger übergeben. Diese Option ist geeignet für Ärzte, die frühzeitig ihre eigenen Entscheidungen treffen möchten und keine Kompromisse mit dem bisherigen Praxisinhaber eingehen wollen.

Bei der gestaffelten Praxisübernahme erfolgt die Übergabe schrittweise. Der Nachfolger hat die Möglichkeit, den Praxisbetrieb, die Organisationsstrukturen, das Praxisteam, die Medizingeräte und die Patienten in aller Ruhe kennenzulernen. In diesem Fall könnte eine Einzelpraxis auch in eine Gemeinschaftspraxis umgewandelt werden. Diese Methode hat den Vorteil, dass Patienten weniger verschreckt werden, da die Arzt-Patient-Beziehung behutsam aufgebaut werden kann. Das Risiko, dass Patienten infolge der Übernahme den Arzt wechseln, wird dadurch minimiert. Besonders Fachrichtungen wie Frauenärzte, Proktologen und Urologen sollten dies bedenken, da die Bindung zwischen Arzt und Patient in diesen Bereichen besonders wichtig ist.

Eine geeignete Methode für die gestaffelte Praxisübernahme ist das Jobsharing-Modell. Dabei teilen sich zwei Ärzte derselben Fachrichtung einen Arztsitz. Dieses Modell wird in gesperrten Planungsbereichen angewendet, wo die Vergabe von Arztsitzen begrenzt ist. Für den Praxisnachfolger bietet dies den Vorteil, dass er ansonsten nur dann einen Arztsitz in einem gesperrten Planungsbereich erhalten könnte, wenn ein anderer Arzt seine Kassenzulassung vollständig zurückgibt. Jobsharing kann sowohl in einem Angestelltenverhältnis als auch in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) durchgeführt werden.

Kosten für die Praxisübernahme

Die genaue Bewertung des Praxiswerts ist ein entscheidender Faktor, um einen fairen Kaufpreis zu ermitteln und die finanziellen Aspekte der Übernahme zu klären. Eine professionelle Bewertung berücksichtigt verschiedene Faktoren wie den Patientenstamm, den Standort, die Ausstattung, den Ruf und die finanzielle Performance der Praxis. Der ermittelte Praxiswert bildet eine solide Grundlage für weitere Verhandlungen und die Finanzierungsplanung.

Eine gründliche Prüfung der bestehenden Verträge, Haftungsfragen, Regelungen zur Patientenübernahme und etwaige behördliche Genehmigungen sind unerlässlich. Auch die Klärung möglicher Haftungsrisiken und die Prüfung von Versicherungsfragen sind wichtige Schritte, um rechtliche Risiken zu minimieren. Darüber hinaus ist eine umfassende Finanzplanung notwendig, um etwaige Liquiditätsengpässe zu vermeiden und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der übernommenen Praxis sicherzustellen.

Die Kosten für die Übernahme einer Arztpraxis variieren je nach Standort, Fachrichtung (Haus- oder Facharztpraxis) und Ausstattung. Ob es sich um eine kassenärztliche oder private Arztpraxis handelt, spielt ebenfalls eine Rolle. Laut Apobank und dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung werden in einer Großstadt rund 117.600 Euro für eine hausärztliche Einzelpraxis bezahlt und auf dem Land etwa 70.000 Euro. Die Gesamtinvestitionen für eine Hausarzt-Einzelpraxis mit Modernisierung und Ausstattung liegen bei rund 169.300 Euro. Der Kaufpreis ist bei einer Praxisabgabe bis zu einem gewissen Maß verhandelbar, dennoch sin die Preise in den letzten Jahren gestiegen. Es gibt deutliche Unterschiede in den Kosten je nach Fachrichtung: Allgemeinmedizin: etwa 170.000 Euro, Frauenheilkunde und Gynäkologie: rund 300.000 Euro, Orthopädie: 400.000 Euro.

Personalmanagement bei der Patientenübernahme

Gute Beziehungen zu den bestehenden Patienten und dem Praxisteam sind entscheidend für die erfolgreiche Fortführung der Praxis. Die Übernehmenden müssen sich einfühlsam auf die Praxiskultur einlassen, um Akzeptanz und Vertrauen aufzubauen. Die Übernahme einer Praxis beinhaltet oft auch die Übernahme des bestehenden Personals. Die effektive Integration und Motivation des Personals während des Übergangs ist von entscheidender Bedeutung, um die Kontinuität des Praxisbetriebs sicherzustellen. Zudem sollten die geltenden Arbeitsgesetze und Tarifverträge beachtet werden.

Vertrauen beim Patientenstamm aufbauen

Ein effektives Patientenübergangsmanagement trägt dazu bei, die Patientenzufriedenheit aufrechtzuerhalten und das Vertrauen in den neuen Praxisinhaber zu stärken. Hierbei geht es um die Kommunikation mit den bestehenden Patienten über die bevorstehende Übernahme und den Prozess der Datenübertragung.
Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zu beachten, um die Sicherheit und Vertraulichkeit der Patientendaten zu gewährleisten.

Die Gewinnung neuer Patienten ist entscheidend für den Erfolg der übernommenen Praxis. Wichtig ist, die Sichtbarkeit der Praxis zu erhöhen und potenzielle Patienten anzusprechen über moderne Marketingkanäle wie die eigene Website, Social Media und lokale Werbemaßnahmen.

Checkliste für eine erfolgreiche Praxisübernahme

Für eine erfolgreiche Praxisübernahme bietet sich folgende Checkliste an:

Die Übernahme einer Arztpraxis eröffnet viele neue Chancen, erfordert aber auch eine sorgfältige Analyse und Vorbereitung. Ein ganzheitlicher Ansatz, der rechtliche, finanzielle, organisatorische und zwischenmenschliche Aspekte berücksichtigt, ist entscheidend für einen reibungslosen Übergang und den langfristigen Erfolg als Praxisinhaber. Eine gründliche Planung und professionelle Beratung sind die größten Erfolgsfaktoren.

Quellen: