Sprechstörung und Schizophrenie: Wegen psychischer Erkrankungen werden mehr Kinder und Jugendliche behandelt. Die Wartelisten in der Psychotherapie sind lang. Doch das könnte besser werden.
Fast 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz sind im vergangenen Jahr wegen psychischer Erkrankungen und Störungen behandelt worden. Das waren etwa zwölf Prozent mehr als 2009, wie aus einem Sprechvermerk von Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) aus dem Familienausschuss hervorgeht. 2009 waren es 163.510 Minderjährige - und damit fast jeder vierte. Die Zahlen stammen von der Kassenärztlichen Vereinigung und beziehen sich auf Krankheitsbilder von der Entwicklungsstörung bis zur Schizophrenie.
"Die Leute sind nicht kränker als früher", sagt die Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer, Sabine Maur. Sie suchten vielmehr eher Hilfe und die Krankheiten würden besser diagnostiziert. Dessen ungeachtet seien die Wartezeiten für Kinder und Jugendliche inakzeptabel lang. Auf ein Erstgespräch müssten Familien in Rheinland-Pfalz im Schnitt sieben Wochen warten, einen Therapieplatz bekämen sie erst nach 22 Wochen.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) macht Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation: Nach der Bedarfsreform vom Sommer gebe es noch 52 freie Sitze für PsychotherapeutInnen in Rheinland-Pfalz, 20 Prozent davon sollen Kinder- und Jugendlichentherapeuten sein, erläuterte KV-Sprecher Rainer Saurwein. Aufgrund dieser Mindestquote könnten sich derzeit sogar noch 5,5 Kinder- und JugendlichentherapeutInnen in Regionen niederlassen, die sonst schon für TherapeutInnen gesperrt seien. Maur ist skeptisch und hofft, dass auch der ländliche Raum ausreichend profitiert.
Die meisten 2018 gestellten Diagnosen waren Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache (fast 22 Prozent), gefolgt von hyperkinetischen Störungen wie ADHS (12 Prozent), anderen Verhaltens- und emotionalen Störungen sowie Entwicklungsstörungen der Motorik, wie aus dem Sprechvermerk der Ministerin hervorgeht. Viele Störungen seien vorübergehend und gut behandelbar wie etwa Lispeln oder eine Rechtschreibschwäche.
Ursache solcher Auffälligkeiten und Erkrankungen sind der Ministerin zufolge meist mehrere Faktoren. Einen großen Einfluss hätten psychosoziale Risikofaktoren wie ein ungünstiges Familienklima, Krankheiten der Eltern, ein niedriger sozioökonomischer Status sowie belastende Lebensereignisse wie Tod und Missbrauch, traumatische Erlebnisse und dauerhafter Stress. Förderlich für die psychische Gesundheit seien dagegen gemeinsame Aktivitäten mit der Familie und gegenseitige Rücksichtsname sowie Selbstwirksamkeit.
Sowohl Depressionen als auch Traumafolgestörungen seien bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlich häufiger. Studien zeigten, dass fast die Hälfte dieser Kinder deutlich psychisch belastet seien. Die Akzeptanz für die Diagnose einer psychischen Erkrankung sei gestiegen, sagt Maur. Daher gebe es auch mehr Diagnosen. Zudem seien die Hausärzte sensibler geworden, die meist den ersten Hinweis auf eine Störung oder Erkrankung gäben. Zudem bedeuteten mehr Therapeuten auch mehr Diagnosen.