Anhörung zum GKVFinG: Nur wenige Minuten für Ärzte
Der Bundestagsgesundheitsausschuss gab Kassen und ihren Verbänden reichlich Zeit, in der zweistündigen Anhörung zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ihren Standpunkt darzulegen – den Ärzten verblieben nur wenige Minuten.
Debatte um die Neupatienten-Regelung
Gefragt waren der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen, und der Vorsitzende des SpiFA, Dr. Dirk Heinrich, die in aller Kürze die wichtigsten Einwendungen gegen die Abschaffung der erst gegen Ende der letzten Legislaturperiode beschlossene Neupatienten-Regelung und der damit verbundenen extrabudgetären Vergütung auf den Punkt brachten:
- Im Unterschied zum GKV-Spitzenverband hält die KBV die Neupatienten-Regelung für wirksam. Fallzahlen und Kosten seien kaum quantifizierbar, also auch nicht der durch ihre Abschaffung zu erreichende Spareffekt.
- Die Einbeziehung der Vergütung für Leistungen bei neuen Patienten in die Budgetierung trifft die Ärzte sehr unterschiedlich. Schwerpunktmäßig betroffen sei etwa ein Drittel der Ärzte, vor allem in der haus- und fachärztlichen Grundversorgung, sowie Praxen in sozialen Brennpunkten.
- Am problematischsten sei aber der psychologische Effekt der Abschaffung: Damit untergrabe der Gesetzgeber das Vertrauen der Ärzte in kurz zuvor beschlossene Maßnahmen und ihre Verlässlichkeit. Folge des nun kurz vor dem Abschluss stehenden Gesetzgebungsverfahrens ohne eine Korrektur in diesem Punkt werde sein, dass Praxen Sparmaßnahmen einleiten, vor allem im Personalbereich, und damit auch ein Leistungsabbau einhergehen werde.
Betroffen sind auch Zahnärzte von einer Ausweitung der Budgetierung. Auf die kontraproduktiven Effekte machte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung aufmerksam. Betroffen von der Budgetierung wären insbesondere aus Leistungen der Parodontose-Behandlung, wie sie erst 2021 vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen worden seien. Die präventionsorientierten Versorgungsverbesserungen, von denen insbesondere ältere Menschen mit chronischen Krankheiten profitierten, würden mit der Budgetierung zunichte gemacht
Mögliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf die Versicherungspflichtgrenze
Weit mehr als die Hälfte der Zeit stand den Krankenkassen zur Verfügung, die sogar zu ein und demselben Punkt gleich mehrfach und damit differenziert Stellung nehmen konnten. Die wichtigsten Aspekte, die insbesondere die Kassenfinanzierung betreffen:
- Mögliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf die Versicherungspflichtgrenze: Nach Angaben des Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem würde dies den Kassen nachhaltig zwölf Milliarden Euro Zusatzeinnahmen verschaffen, wenn keine GKV-Mitglieder in die PKV wechseln würden. Zu bedenken sei allerdings, dass die betroffenen, mittelgut verdienenden Versicherten und ihre Arbeitgeber monatlich um bis zu 350 Euro zusätzlich belastet werden könnten.
- Bundeszuschuss und Erstattung des Bundes für die Versorgung von ALG-II-Beziehern. Generell sollte der Bundeszuschuss nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes dynamisiert werden. Abermals wird gefordert – auch unter Verweis auf den Koalitionsvertrag –, dass die Erstattung für die Versorgung von ALG-II-Beziehern auf die tatsächlichen Versorgungskosten erhöht wird. Der gegenwärtig gezahlte monatliche Erstattungsbetrag von 108 Euro führe zu einer Unterfinanzierung von über zehn Milliarden Euro. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass die private Krankenversicherung für die bei ihnen versicherten ALG-II-Bezieher Erstattungen von bis zu 380 Euro monatlich bekämen.
- Bedenken machte insbesondere der BKK-Dachverband gegen die Pflicht zur Auflösung von Finanzreserven bei den Einzelkassen geltend. Zum einen berücksichtige die geplante gesetzliche Änderung nicht die aktuell tatsächlich vorhandenen Finanzreserven. Zum anderen könnten kleinere Kassen, von denen es im BKK-System viele gebe, schon durch wenige Extremkostenfälle in Schieflage gebracht werden. Wobei ein Ausgleich solcher Finanzrisiken unter verschiedenen Kassen nicht gestattet sei.
Regelungen für eine Abpufferung der teils erheblichen Inflationsrisiken – diese macht die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft vor allem bei Energie- und Sachkosten geltend – sieht der vorliegende Gesetzentwurf nicht vor. Die Kosteninflation, so rechnete der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß vor, belaste die Krankenhäuser zusätzlich mit 4,1 Milliarden Euro, die nicht durch die verhandelten Budgets gedeckt seien. In die richtige Richtung ziele ein Antrag der Unionsfraktion, den Krankenhäusern einen Inflationszuschlag zu gewähren, der allerdings nicht erst ab Juli 2023, sondern bereits ab Jahresanfang gezahlt werden müsse.