Hätten Ärztinnen die gleichen Berufs- und Karrierechancen wie ihre männlichen Kollegen, dann müsste der Anteil der mit Frauen besetzten Führungspositionen in Kliniken und Universitäten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sein und auf eine Frauenmehrheit zustreben. Tatsächlich aber ist die Karriere von Frauen ganz überwiegend mit Erreichen der Oberärztin-Position beendet.
Das belegt eine von Professor Maike Busson-Spielberger und Kolleginnen (Uni Freiburg) im Auftrag der DGHO in Auftrag gegebenen Online-Umfrage unter in der Onkologie tätigen Ärzten und Ärztinnen, die Mitglied in einer der onkologischen Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind. Die Studie wurde am 18.08. im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Bei einem Rücklauf von 469 Antworten (Quote: 13 Prozent) sind die Ergebnisse allerdings nicht repräsentativ. 61,4 Prozent der Antwortenden waren Frauen, 38,6 Prozent Männer.
In nicht leitenden Positionen – Arzt in Weiterbildung, Facharzt, Oberarzt – sind Frauen nach der Online-Umfrage inzwischen eine deutliche Mehrheit, unter den Assistenzärzten stellen sie fast zwei Drittel. In den Leitungspositionen wird die Luft für Frauen dünn: herrscht unter den leitenden Oberärzten noch näherungsweise Geschlechterparität (14,7 Prozent Frauen zu 14,9 Prozent Männer), so sind Chefarzt- und Klinikleiterpositionen fast eine reine Männer-Domäne geblieben (siehe Datentableau).
Diese geschlechterspezifische Disparität wird auch in der Forschung und in der ambulanten Medizin sichtbar: Männer sind unter den selbstständigen Onkologen doppelt so häufig vertreten wie Frauen (14,9 zu 7 Prozent). Noch krasser ist der Unterschied in der Leitung von Forschungsbereichen: Die Besetzung von Top-Positionen in der Forschung erfolgt dreimal häufiger mit Männern als mit Frauen.
Diesen Status quo sieht man bei der DGHO durchaus kritisch und sucht nach Wegen, die Karrierechancen für Ärztinnen signifikant zu verbessern. Gründe dafür sind, so der geschäftsführende Vorsitzende, Professor Hermann Einsele (Uni Würzburg), die steigenden Patientenzahlen und die angesichts des hohen Innovationstempos in der Onkologie immer anspruchsvoller werdende Diagnostik und Therapie. Daher kann auf das Fähigkeitenpotenzial der Ärztinnen nicht verzichtet werden.
In der Umfrage wurden darum auch karrierehinderliche Faktoren identifiziert. Besonders hervorgehoben wurden von Ärztinnen:
Klare Prioritäten setzen die Antwortenden bei den erwünschten familienfreundlicheren Rahmenbedingungen: Gut 70 Prozent möchten zeitlich flexiblere Bring- und Abholzeiten bei der Kinderbetreuung, 61 Prozent halten Kinderbetreuungsangebote des Arbeitgebers für wichtig, jeder Zweite wünscht sich eine Urlaubsplanung, die an die Schulferien angepasst ist.
Auch die Arbeitsbedingungen könnten verbessert werden: durch flexiblere Arbeitszeit, mehr Homeofficearbeit (in den Bereichen Forschung, Befunde, Verfassen von Arztbriefen), leitende Tätigkeit in Teilzeit (von Ärztinnen zu 63 Prozent überproportional gewünscht).
Wie sehr jedoch oft die erwünschte Flexibilität zu Konflikten führt, zeigte Professor Maike de Wit, DGHO-Vorstandsmitglied an selbst erlebten Beispielen: von Kollegen aus familiären Gründen gewünschte Dienstplanänderungen führten zu Ärger mit dem Betriebsrat – bis hin zu Abmahnung. Oder es existieren noch merkwürdig anmutende Attitüden, etwa der einer Chefärztin, die explizit mit „Frau Chefarzt“ angeredet werden wollte, wie Professor Diana Lüftner berichtete.
Es gibt allerdings eine Fülle von Möglichkeiten, die Karrrierechancen für Frauen in der Onkologie zu verbessern, wie Professor Juliane Knust (Uni Göttingen) und DGHO-Chef Einsele berichten. Da Ärztinnen in der Weiterbildung als Teilzeitkräfte durchweg weit mehr als 50 Prozent arbeiten, müsse dies auch für die Weiterbildung anerkannt werden. Die Praxis der Kammern sei unterschiedlich; als Vorbild könne, so Knust, Sachsen-Anhalt gelten, das jenseits von 35 Wochenstunden eine 100-prozentige Anerkennung vorsieht.
Die Quotenregelung, so Einsele, werde zunehmend von Ministerien bei Berufungen von Frauen angewendet – und die Fakultäten reagierten darauf. Auch Forschungsprojekte der DFG oder der EU zielten auf mehr Gendergerechtigkeit. Dass auch Top-Positionen an Universitäten im Job-Sharing besetzt werden können, habe die Uni Würzburg unter Beweis gestellt: Den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin teilen sich dort zwei Ärztinnen, so Einsele.