LandärztInnen werden in Baden-Württemberg händeringend gesucht. Eine Quote soll das Problem lösen. Aber nicht alle sind überzeugt.
Nach langen Diskussionen bringt die grün-schwarze Landesregierung die Landarztquote auf den Weg. Am 29.09. soll nach jetzigem Stand eine entsprechende Kabinettsvorlage zur konkreten Ausgestaltung beschlossen werden. 75 Studienplätze sollen demnach ab 2021 jährlich an StudienanfängerInnen in der Humanmedizin vergeben werden, die LandärztInnen werden möchten, aber nach dem herkömmlichen Verfahren keinen Studienplatz bekommen haben. Diese Studierenden verpflichten sich, nach ihrem Abschluss für zehn Jahre als HausärztInnen in einem Gebiet zu arbeiten, in dem es einen Ärztemangel gibt. Halten sich die AbsolventInnen nicht an den Vertrag, droht ihnen laut aktueller Kabinettsvorlage eine Strafe von bis zu 250.000 Euro.
In der Landesregierung verspricht man sich von der Landarztquote eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung auf dem Land auch über den Pflichtzeitraum hinaus. "Es ist zu erwarten, dass viele dieser Ärztinnen und Ärzte auch nach Ablauf der Verpflichtungszeit von zehn Jahren weiterhin an dem Praxisort tätig bleiben werden, da sie sich dann bereits über einen längeren Zeitraum etabliert haben", heißt es in einer Anlage zur aktuellen Kabinettsvorlage.
Man befinde sich mit der Einführung im Zeitplan, schrieb Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einem Brief an CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, der seit Längerem auf die Quote pocht. Für die Quotierung von Studienplätzen müsse man aber ein rechtssicheres Auswahlverfahren schaffen. Man rechne aber fest damit, bereits zum Sommersemester 2021 in Tübingen die ersten Plätze über die Quote vergeben zu können, betonte Kretschmann. An anderen Standorten im Land starte das Verfahren erst zum Wintersemester, da dort nur dann das Medizinstudium beginnt. Die Quote sei Teil eines Maßnahmenbündels, sagte Kretschmann - so werde auch ein Neigungsprofil "Landarzt-Track" eingeführt, für das sich alle Studierende der Humanmedizin entscheiden können.
"Es ist gut, dass es jetzt endlich vorangeht und wir so den Zeitplan hoffentlich einhalten können", sagte Reinhart. "Die Landarztquote wird mithelfen, den Ärztemangel in der Fläche zu mildern." Reinhart hatte den Grünen zuvor vorgeworfen, das Projekt zu verschleppen.
Im Frühjahr 2021 soll das Auswahlverfahren starten. Die Landesregierung rechnet mit rund 1.350 Bewerbungen im Jahr. Für die Bewerbung, die Beratung und die Überwachung soll extra eine Stelle eingerichtet werden, vermutlich am Regierungspräsidium Stuttgart. Die Landesregierung plant mit Kosten von rund 1,3 Millionen Euro in 2021 und ab 2022 rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr.
Die grün-schwarze Koalition baut die Medizin-Studienplätze insgesamt um 150 aus, im Studienjahr 2021/22 soll es damit rund 1.700 Plätze im Land geben. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) hatte sich skeptisch hinsichtlich der Quote gezeigt, da sie aus ihrer Sicht frühestens in einigen Jahren Wirkung zeige. Die Koalitionspartner hatten sich nach langen Diskussionen Ende vergangenen Jahres auf einen Kompromiss verständigt: Die Hälfte der 150 neuen Studienplätze soll nun über die Quote verteilt werden.
"Das Verfahren werde einen Fokus auf die Eignung für die spätere hausärztliche Tätigkeit setzen", sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). "Wir gehen davon aus, dass gerade die besonders gut qualifizierten und geeigneten Hausärztinnen und Hausärzte später in den ländlichen Regionen ankommen werden." Die Nachbesetzung mit HausärztInnen werde auch erschwert durch moderne Arbeitszeitmodelle, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dem Wunsch nach Flexibilität im Berufsleben. Bereits seit 2012 gebe es deshalb etwa bereits ein Landärzteförderprogramm.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) geht von derzeit knapp 640 unbesetzten Stellen für HausärztInnen aus. Von den 7.073 HausärztInnen (Stand: 1. Juli) im Land sind demnach 37 Prozent über 60 Jahre alt. Die KVBW zeigt sich skeptisch mit Blick auf die Quote. "Allen Beteiligten ist klar, dass die Quote uns in den Fragestellungen, die uns beschäftigen, nicht weiterhelfen kann", sagte Sprecher Kai Sonntag. Es dauere mindestens zwölf Jahre, bis die ersten ÄrztInnen damit auf dem Land ihre Arbeit aufnehmen. "Wie die Welt dann aussieht, wissen wir auch nicht." Eine Strafe von einer Viertelmillion Euro sei auch eine Hürde für angehende Studierende, die man bedenken müsse. Man müsse sehen, wie es angenommen werde. "Wir sehen das im Augenblick sehr nüchtern."