Mitglieder der "Precision Medicine in Chronic Inflammation" (PMI) haben einen neuen Ansatz für eine personalisierte Medizin bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) gefunden. Sie konnten zeigen, dass CED-PatientInnen, bei denen eine Biologika-Therapie die Symptome erfolgreich bekämpft, einen anderen Stoffaustausch im Darmmikrobiom aufweisen als PatientInnen, bei denen die Therapie nicht erfolgreich ist.
Eine etablierte Therapie bei CED ist die Behandlung mit Antikörpern, die sich an spezifische Botenstoffe des Immunsystems binden und so deren Funktion blockieren. Die Entzündung wird dadurch gebremst, die Krankheit zwar nicht geheilt, aber kontrolliert. Allerdings schlagen diese Medikamente nicht bei allen PatientInnen an. Bei einigen bleiben die Symptome bestehen. Eine bessere Vorhersage darüber, wer von dem Medikament profitiert und wer nicht, wäre für Behandelnde und Betroffene gleichermaßen ein großer Fortschritt.
Diesem Ziel sind nun Mitglieder des "Precision Medicine in Chronic Inflammation" (PMI) in einer Studie nähergekommen. Die WissenschaftlerInnen aus Grundlagenforschung und Klinik von der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, wollten untersuchen, ob die Therapie mit Biologika das Darmmikrobiom bei CED-PatientInnen beeinflusst und ob sich daraus Informationen über die Erfolgsaussichten der Therapie gewinnen lassen.
Schon in früheren Studien konnte gezeigt werden, dass die Diversität des Darmmikrobioms bei CED-PatientInnen im Vergleich zu gesunden Menschen geringer ist. Die Kieler Forschenden konnten in ihrer Studie nun zeigen, dass eine Biologika-Therapie tatsächlich die Diversität bei CED-PatientInnen in Richtung des Mikrobioms gesunder Menschen verändert. "Allerdings konnten wir, anders als gehofft, anhand dieser Veränderung keine Rückschlüsse auf das Therapieansprechen der Patientin oder des Patienten ziehen", berichtet der Erstautor der Studie, Dr. Konrad Aden, Wissenschaftler am Institut für klinische Molekularbiologie der CAU und Facharzt für Innere Medizin am UKSH.
"Das liegt wahrscheinlich daran, dass mit derzeitigen Analysemethoden der Mikrobiomdaten danach gefragt wird, welche Bakterien vorhanden sind und nicht, was diese Bakterien machen, zum Beispiel welche Stoffe sie produzieren", erläutert Professor Philip Rosenstiel, Direktor des Instituts für klinische Molekularbiologie (IKMB) der CAU und Leiter des für die Sequenzieranalysen verantwortlichen Centers for Comprehensive Genome Analysis (CCGA).
Um also ein tieferes Verständnis über die Funktion des Mikrobioms unter Biologika-Therapie bei CED-PatientInnen zu gewinnen, wurde deshalb ein systembiologischer Ansatz verfolgt. "Wir haben am Computer den Nährstoffaustausch von Bakterien untereinander simuliert und darauf basierend berechnet, welche Stoffwechselendprodukte durch das Mikrobiom im Darm produziert werden", erläutert Professor Christoph Kaleta, Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Systembiologie an der CAU. Interessanterweise zeigte sich hierbei, dass PatientInnen, bei denen die Biologika-Therapie die Symptome erfolgreich bekämpft, schon vor Therapiebeginn einen völlig anderen Stoffaustausch im Mikrobiom aufweisen als solche, bei denen die Therapie nicht wirkt. So produzieren die Darmbakterien bei den Betroffenen, die später auf die Therapie ansprechen, unter anderem mehr kurzkettige Fettsäuren, welche eine bekannte schützende Wirkung auf Darmzellen ausüben.
"Unsere Daten weisen darauf hin, dass ein genaueres Verständnis über den Stoffaustausch von Bakterien uns helfen kann zu verstehen, welche Prozesse im Mikrobiom bei CED-Patientinnen und Patienten wirklich gestört sind. In Zukunft könnten gezielte Nahrungsmittelinterventionen helfen, genau diese Defizite auszugleichen", erklärt Rosenstiel, der die Studie am IKMB koordiniert hat.
"Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin für chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Wir hoffen auf dieser Grundlage in Zukunft frühzeitiger und präziser erkennen zu können, ob die einzelne Patientin oder der einzelne Patient von einer Biologika-Therapie profitieren wird oder nicht", sagt Professor Stefan Schreiber. Den Patientinnen und Patienten, denen das Biologikum nicht helfen wird, könnte das viel Aufwand und mögliche Nebenwirkungen ersparen.
Quelle:
Konrad Aden, Ateequr Rehman, Silvio Waschina, Wei-Hung Pan, Alesia Walker, Marianna Lucio, Alejandro Mena Nunez, Richa Bharti, Johannes Zimmerman, Johannes Bethge, Berenice Schulte, Dominik Schulte, Andre Franke, Susanna Nikolaus, Johann Oltmann Schroeder, Doris Vandeputte, Jeroen Raes, Silke Szymczak, Georg H. Waetzig, Rainald Zeuner, Philippe Schmitt-Kopplin, Christoph Kaleta, Stefan Schreiber, and Philip Rosenstiel: Metabolic Functions of Gut Microbes Associate With Efficacy of Tumor Necrosis Factor Antagonists in Patients with Inflammatory Bowel Diseases, Gastroenterology, in press, available online 18 July 2019.
https://doi.org/10.1053/j.gastro.2019.07.025