Die integrative Perspektive ist aus der Krebstherapie nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Zentren und onkologische Praxen bieten integrativmedizinische Elemente an – einige mehr, andere weniger. Bisher liegen jedoch kaum belastbare Zahlen vor. Nun wurde erstmalig in einer wissenschaftlichen Auswertung aufgezeigt, wie integrative Ansätze in einem modernen, zertifizierten Brustkrebszentrum umgesetzt werden können.
"Für das Brustzentrum am anthroposophischen Krankenhaus Havelhöhe haben wir gezeigt, dass das Zentrum auf höchstem medizinischen Niveau arbeitet und gleichzeitig den Bedürfnissen der Patientinnen nach einer ganzheitlich ausgerichteten Therapie gerecht werden kann", erläutert Dr. med. Friedemann Schad, Erstautor der Studie und Leiter des Onkologischen Zentrums am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe. Das Onkologische Zentrum ist von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) für die drei Tumorarten Brust-, Darm- und Lungenkrebs zertifiziert. Ein viertes Organzentrum für gynäkologische Onkologie ist im Aufbau. Zum integrativen Therapiekonzept in Havelhöhe gehören neben der leitliniengestützten Therapie verschiedene komplementäre Verfahren wie Psychoonkologie, spezifische pflegerische Anwendungen, Kunsttherapie sowie die Bewegungstherapie Heileurythmie und Rhythmische Massagen.
Die Nachfrage nach integrativer Medizin steigt. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als zwei Drittel der Krebspatienten zusätzlich komplementäre Verfahren in Anspruch nehmen. Meist sind diese zusätzlichen Therapien jedoch nicht in die "normale" Behandlung eingebunden.
Anders setzt die Anthroposophische Medizin an, die darauf basiert, komplementäre und konventionelle Ansätze miteinander zu verknüpfen. "Heute reden viele von Integrativer Medizin, meinen damit aber nicht unbedingt ein abgestimmtes Therapiekonzept. Oder anders formuliert: Ein einzelner Bewegungskurs, der in einem Krebszentrum angeboten wird, macht eben noch keine echte Integrative Medizin aus. In den anthroposophischen Kliniken geht es aber gerade darum: Wir beziehen komplementäre Ansätze von Anfang an strukturiert in die Therapie mit ein, so dass die Patienten eine umfassende Behandlung als Gesamtkonzept bekommen“, kommentiert Schad.
Die Autoren fassen zusammen: Im nationalen Vergleich zu 275 zertifizierten deutschen Brustzentren erfüllte das Havelhöher Brustzentrum zentrale Anforderungen, die von der DKG festgelegt wurden – wie zum Beispiel psychoonkologische Betreuung, brusterhaltende Operationen oder auch Teilnahme der PatientInnen an Studien.
Die jetzt veröffentlichen Daten wurden am Brustkrebszentrum in Havelhöhe, das von Dr. Cornelia Herbstreit geleitet wird, erhoben. Für die Studie wurden Daten von 739 Personen ausgewertet. Die Auswertung zeigte, dass 96 Prozent der PatientInnen das integrative Angebot im Rahmen ihres stationären Aufenthaltes bei der Erstdiagnose in Anspruch nahmen: Rhythmische Massage (97%), psychoonkologische Interventionen (95%), Heileurythmie (89%), pflegerische Anwendungen wie Einreibungen oder Wickel sowie Kunsttherapie (78%).
"Das Krankenhaus Havelhöhe ist wohl die einzige Klinik mit einem zertifizierten Onkologischen Zentrum, das in diesem Ausmaß zusätzlich komplementäre Verfahren in die Behandlung integriert", so Schad weiter, der außerdem Mitglied des Tumorzentrums Berlin, Mitbegründer des Forschungsinstitutes Havelhöhe und Leiter des Netzwerks Onkologie ist. "Dass diese Ansätze sehr gut in den medizinischen Alltag in einem Brustzentrum implementiert werden können, konnten wir mit dieser Arbeit klar zeigen." Weitere Schritte sollen folgen, so die Forscher, erste Auswertungen zur Lebensqualität sind bereits publiziert: "In den aktuellen Leitlinien zur Krebstherapie spielen integrative Ansätze (noch) keine Rolle. Deshalb sollten wir weiter an einer systematischen Evaluation dieser Versorgungskonzepte arbeiten."
Quelle Text und Bild: DAMID