Je genauer der Feind bekannt ist, desto besser lässt er sich schlagen. Dieses Ziel verfolgt die moderne, personalisierte Krebstherapie. Die Idee ist, zunächst das Krebsgewebe detailliert nach molekularen Auffälligkeiten zu durchsuchen – also etwa einer Überexpression von Genen – und anhand der spezifischen Tumorsignatur das dazu passende Arzneimittel auszuwählen. Welche Veränderungen beim Brustkrebs lohnende Ziele sind, hat eine Kooperation des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) mit dem Avera Cancer Institute Center for Precision Oncology ergeben. Die Arbeit wurde jetzt in dem online-Magazin Oncotarget veröffentlicht.
"Wir haben festgestellt, welche Gene überhaupt für die personalisierte Brustkrebstherapie nutzbar sind", sagt Erstautor Michael Forster vom IKMB. "Die vorgestellten Daten helfen dabei, die bestmöglichen zielgerichteten Therapien zu identifizieren", ergänzt Dr. Tobias Meißner, Leiter Krebs-Genomik und Bioinformatiker am Avera Cancer Institute Center for Precision Oncology. "Für die Zukunft hoffen wir, dass auch unsere Patientinnen mit Brustkrebs von diesen Erkenntnissen profitieren", sagt Prof. Dr. Nicolai Maass, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am UKSH Kiel.
Bereits seit drei Jahren arbeitet die Arbeitsgruppe Genetik und Bioinformatik am IKMB (Leitung: Professor Andre Franke vom Exzellenzcluster Entzündungsforschung) mit dem US-amerikanischen Avera Cancer Institute, Sioux Falls, South Dakota, zusammen, um die Krebsdiagnostik gemeinsam zu verbessern. "Dies ist die zweite Publikation aus dieser Zusammenarbeit", sagt Michael Forster, der Krebsforscher aus der Kieler Arbeitsgruppe. "In dieser strategischen Zusammenarbeit nutzen wir die Datenanalyse der Next-Generation-Sequenzierung, um die personalisierte Krebstherapie zu verbessern", berichtet der deutsche Bioinformatiker Dr. Tobias Meißner, der am Avera Cancer Institute Center for Precision Oncology die Krebsgenomik leitet. "Wir haben uns speziell die RNA-Expressionsdaten von normalem gesunden Brustgewebe angesehen und mit denen von Tumorgewebe verglichen, um veränderte Gene zu finden." Aufbauend darauf lässt sich die bestmögliche zielgerichtete Therapie auswählen.
Das Neue an der Studie ist, dass auch die Genexpressionsdaten im gesunden Brustgewebe analysiert wurden. Dabei fiel auf, so Forster, "dass man vor allem bei einem hohen Anteil von Fettgewebe in der Probe falsche Signale bekommen kann. Etwa drei Viertel der RNA-Überexpression, gegen die es spezielle Arzneimittel gibt, werden auch vom gesunden Fettgewebe exprimiert." In der aktuellen Arbeit haben die Forscherinnen und Forscher die Genveränderungen identifiziert, die Kandidaten für eine zielgerichtete Krebstherapie sind. Diese Referenzdaten helfen also dabei, die krankheitsrelevanten Fehler zu finden und daran angepasst eine passende Therapie auszuwählen, auch wenn – wie im klinischen Alltag üblich – kein gesundes Gewebe zum Vergleich vorliegt. Wichtig ist aber auch, dass die Probe nach einer vorgegebenen Methode konserviert und sequenziert wird.
"Dies ist ein wesentlicher erster Schritt für die Tumordiagnostik", betont Professor Norbert Arnold, der an Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe (UKSH Kiel) das onkologische Labor leitet und am IKMB die molekulare Tumordiagnostik. "Für den klinischen Entscheidungsprozess liegen allerdings noch nicht genügend Erkenntnisse vor. Daher laufen derzeit aufbauend auf den bisherigen Befunden weitere klinische Forschungsprojekte in Kooperation mit der Kieler Frauenklinik, die neue Erkenntnisse zum Nutzen der Patientinnen bringen sollen." Auch beim amerikanischen Kooperationspartner geht die Forschung weiter. „Diese und zukünftige Ergebnisse der Zusammenarbeit werden in das Design klinischer Studien einfließen. Dabei wollen wir neuartige Therapien nutzen, um Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Malignomen zu behandeln", betont Casey Williams, Chief Scientific Officer Experimentelle Therapien des Avera Cancer Institute Center for Precision Oncology.
Quelle: CAU Kiel