Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine neue und teilweise hochwirksame Form der Immuntherapie gegen bestimmte Krebserkrankungen des Bluts und des Lymphsystems. Doch die aussichtsreiche Behandlung hat ihren Preis: Die Hersteller verlangen bis zu 320.000 Euro für die Produktion der Immunzellen für einen Patienten. Forschende aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ermittelten nun in einer Vollkostenrechnung: In einer wissenschaftlichen Einrichtung wie dem DKFZ ließe sich die zelluläre Immuntherapie zu etwa einem Zehntel dieses Preises herstellen.
Seit einigen Jahren erzielen ÄrztInnen mit einer neuartigen Form der Immuntherapie bei bestimmten Krebserkrankungen des Blutes und des Lymphsystems teilweise bedeutende Behandlungserfolge: Für diese Therapie werden den PatientInnen zunächst körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und außerhalb des Körpers so verändert, dass sie effektiver gegen die bösartigen Leukämiezellen vorgehen können. Dazu statten WissenschaftlerInnen die T-Zellen im Labor mit dem Gen für ein besonderes Rezeptorprotein aus. Dieser "chimäre" Antigenrezeptor (CAR) erkennt als Zielstruktur ein Proteinmolekül, das bei bestimmten Leukämieformen von jeder Krebszelle ausgebildet wird. Die CAR-T-Zellen werden anschließend vermehrt und den PatientInnen wieder übertragen – wo sie mit zum Teil spektakulären Erfolgen auf die Jagd nach bösartig veränderten Leukämiezellen gehen.
Zwei kommerzielle CAR-T-Zell-Produkte sind inzwischen zur Behandlung der akuten lymphoblastischen T-Zell Leukämie sowie von Non Hodgkin-Lymphomen wie etwa diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen zugelassen. Sie werden nur eingesetzt, nachdem andere Therapieoptionen versagt haben. Die Behandlungen schlagen oftmals gut an: Zwei Jahre nach der Therapie leben noch 40% bis 60% der Behandelten rückfallfrei.
Doch die aussichtsreiche und hoch individualisierte Therapie hat ihren Preis: Die Hersteller verlangen in Deutschland bis zu 320.000 Euro für die Produktion von CAR-T-Zellen für einen Patienten/eine Patientin. "Noch kommt eine CAR-T-Zell-Therapie nur für wenige KrebspatientInnen in Frage, aber es besteht die Hoffnung, dass dieser Behandlungsansatz auf andere Krebsarten ausgedehnt werden kann. Die Befürchtungen sind groß, dass unsere Gesundheitssysteme bei steigenden Patientenzahlen diese Kosten nicht mehr stemmen können“, erklärte Michael Schlander, Gesundheitsökonom am Deutschen Krebsforschungszentrum.
Als Alternative zu den beiden von großen Pharmaunternehmen entwickelten CAR-T-Zellprodukten setzen viele Forschungseinrichtungen, darunter auch das DKFZ, auf eine hauseigene Herstellung der therapeutischen Zellen. Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen am DKFZ um den Ökonomen Schlander und den Immunologen Stefan Eichmüller hat nun erstmals detailliert die Kosten aufgestellt, die einer akademischen Einrichtung bei der Herstellung von CAR-T-Zell-Therapien entstehen.
Die Einrichtung eines Reinraums, Labormaterialien, Geräteausstattung sowie sämtliche Lohn- und Lohnnebenkosten für das speziell ausgebildete Laborpersonal wurden in die Vollkostenrechnung aufgenommen. Naturgemäß waren die errechneten Kosten stark abhängig von der Auslastung des vollautomatisierten Herstellungssystems für die Zellen. Hier legten die Forscherinnen ihrer Rechnung unterschiedliche Szenarien zugrunde, darunter auch eine maximale jährliche Kapazitätsauslastung des Geräts mit 18 CAR-T-Zell-Produkten.
Unter dieser Bedingung könnte im DKFZ ein CAR-T-Zellprodukt zur Behandlung eines Patienten für weniger als 60.000 Euro hergestellt werden. "Damit würden wir bei nur etwa einem Fünftel des Preises liegen, den die Unternehmen verlangen. Und unsere Kosten lassen sich noch erheblich weiter senken", so Michael Schlander. Die deutlichste Ersparnis ließe sich erreichen, wenn mehrere der automatisierten Herstellungsgeräte zugleich betrieben würden. Ein alternatives Verfahren zur Übertragung der Gene für den chimären Rezeptor könnte die Herstellungskosten weiter auf bis zu etwa 33.000 Euro oder ein Zehntel des derzeitigen kommerziellen Preises reduzieren.
Auch die PatientInnen würden von einer dezentralen Herstellung der CAR-T-Zellen profitieren – ganz abgesehen von der unmittelbaren Kostenersparnis: "Dadurch, dass die Zeiten für den Versand des Patientenbluts sowie auch der fertigen Zelltherapie entfallen, können wir die Behandlung innerhalb von 12 bis 14 Tagen zur Verfügung stellen – eine deutliche Verkürzung der drei- bis vierwöchigen Wartezeit, die bei den kommerziell angebotenen Produkten anfällt. Die PatientInnen brauchen dann möglicherweise weniger Chemotherapien und hätten kürzere Krankenhausaufenthalte – was weitere Kosteneinsparungen mit sich bringt“, sagte der Immunologe Stefan Eichmüller.
Nicht berücksichtigt wurden in der Analyse Kosten, die für Lizenzgebühren entstehen können. Gemeinsam mit Michael Schlander hofft Eichmüller, mit der aktuellen Studie auch dazu beitragen zu können, dass die Herstellerunternehmen ihre derzeitige Preisgestaltung für CAR-T-Zell-Therapien überdenken.