Zu Jahresbeginn hat die Bundesregierung für 400 Millionen Euro Arzneimittel beschafft, die gegen schwere COVID-19-Verläufe helfen sollen. An der Charité werden die Mittel auch ambulant eingesetzt. Die Bilanz nach den ersten Monaten.
Patient:innen mit bestimmten Risikofaktoren bekommen in der Frühphase ihrer Corona-Infektion eine Infusion und können danach wieder nach Hause in Isolation: Gut drei Monate nach dem Start einer Antikörperambulanz an der Charité in Berlin sind dort rund 150 Patient:innen versorgt worden. Das teilte die Universitätsklinik auf Anfrage mit. Ziel ist es, schweren Verläufen - und damit Krankenhausaufnahmen - vorzubeugen.
"Wir sind in der abfallenden dritten Welle an den Start gegangen, so dass wir keine Busladungen von Patienten mehr hatten. Aber es sind bisher trotzdem viele Betroffene nach einer Behandlung in der Ambulanz erleichtert vom Hof gegangen", sagte der Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie, Norbert Suttorp.
Das Angebot richtet sich nach Charité-Angaben an Menschen über 50 Jahren, Menschen mit Immunsuppression (zum Beispiel wegen Chemotherapie oder Organtransplantation), chronischen Nierenerkrankungen, deutlichem Übergewicht, bestimmten Lungenerkrankungen und an Menschen mit Trisomie 21. Die ersten Symptome der Infektion sollten demnach nicht länger als fünf Tage zuvor aufgetreten sein, das positive Testergebnis nicht älter sein als 72 Stunden. Patient:innen können über eine Ärztin oder einen Arzt bei der Ambulanz angemeldet werden. Es werden nicht nur Berliner:innen behandelt.
Mit Blick auf eine vierte Welle, die nach seiner Einschätzung auch in den Krankenhäusern spürbar werden dürfte, sei man an der Charité froh, dass die Präparate zur Verfügung stehen, sagte Suttorp. Man müsse damit rechnen, dass das Virus im Herbst zunächst in den Schulen um sich greife und es wieder zu Ansteckungen in Familien kommen könne - etwa der Großeltern. Denn bisherige Erkenntnisse ließen eine nachlassende Impfwirkung bei älteren Menschen befürchten. Hinzu kommt, dass die Delta-Variante deutlich ansteckender ist als frühere Formen. Als Kombinationstherapie könnten die Antikörper auch gegen Delta eingesetzt werden, sagte Suttorp.
Die monoklonalen Antikörper werden im Labor hergestellt. Sie wirken laut Paul-Ehrlich-Institut durch die Bindung an das Spike-Protein auf der Oberfläche von Sars-CoV-2, Viren können die menschlichen Zellen dann nicht mehr entern und sich darin vermehren. Ein mögliches Risiko ist eine allergische Reaktion auf die Antikörper. Die Mittel sind bisher in der Europäischen Union nicht zur Therapie von COVID-19 zugelassen, sie können jedoch nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der Ärzt:innen eingesetzt werden.
Wie das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mitteilte, wird mit ersten Zulassungen durch die Europäische Kommission noch im dritten Quartal 2021 gerechnet. Die Bundesregierung hatte Ende Januar mitgeteilt, 200.000 Dosen solcher Präparate für 400 Millionen Euro gekauft zu haben. Die Mittel werden unter anderem an ausgewählte Uniklinik-Apotheken geliefert. Mit Stand 16. Juli seien insgesamt rund 3.600 Einheiten abgegeben worden, hieß es vom Ministerium. Erste Rückmeldungen aus der Anwendungspraxis seien positiv. Begleitende Studien zum "notfallmäßigen Einsatz" seien seitens des Ministeriums nicht vorgesehen. Die monoklonalen Antikörper sind den Angaben nach teils bis Herbst 2021 haltbar, teils aber auch deutlich länger.