Chirurgie der Zukunft: Welchen Wert nimmt Robotik ein?

Viele Bereiche der Medizin werden zunehmend technisch, das gilt auch für die Chirurgie. Ersetzt die Robotik bald den Chirurgen? Das diskutierte die DCK auf einer Pressekonferenz im Ausblick auf ihren 140. Fachkongress.

Robotergestützte Chirurgie vs. computergestützte Verfahren

Grundsätzlich sei die Verwendung robotischer Ansätze in der Chirurgie nicht neu, gibt Professor Dr. med. Andreas Seekamp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), ausblickend auf den 140. Kongress der Fachgesellschaft, zu verstehen. Bereits in den 90er-Jahren sei Robotik dafür genutzt worden, um etwa Hüftoperationen voll automatisiert durchzuführen – mit dem heutigen Verständnis habe der Begriff aber nichts mehr zu tun. Spräche man heute von Robotik, sei zunächst wichtig, zu dem Thema zwei Systeme voneinander zu unterscheiden.

Der Begriff robotergestützte Chirurgie bezeichne Systeme, die sich aus der endoskopischen beziehungsweise laparoskopischen Chirurgie weiterentwickelt haben. Über kleine Schnitte werden hierbei die Instrumente über Roboterarme in die entsprechenden Körperhöhlen, die Bauchhöhle oder die Brusthöhle eingeführt, die laparoskopischen Instrumente werden nun nicht mehr direkt vom Operateur selbst geführt. Dieser könne allerdings mittels einer Konsole die Instrumente bedienen und den operativen Eingriff durchführen. Die Chirurgin oder der Chirurg könnten dann wie sonst auch nur zwei Instrumente bedienen – die übrigen Instrumente bleiben aber ohne weitere Assistenz in entsprechender Position und müssen nicht ständig neu eingestellt werden. Hieraus resultierten Operationen mit größerer Präzision und letzten Endes eine größere Sicherheit für Patienten. Anwendung fände die robotergestützte Chirurgie vor allem in der Viszeral-(Bauch-)Chirurgie sowie bei urologischen und gynäkologischen Operationen. 

Das computer- oder rechnergestützte Verfahren hingegen werde dafür genutzt, um entweder vor der Operation oder während der Operation einen dreidimensionalen Bilddatensatz zu generieren. Mit Hilfe eines dreidimensionalen Kamerasystems könnten zudem chirurgische Instrumente und Implantate unter der Operation erfasst werden – quasi eine Art Virtual Reality, durch die die behandelnde Chirurgin oder der behandelnde Chirurg die Möglichkeit hätte, die beiden so gewonnenen Datensätze ständig miteinander abzugleichen. Die Instrumente dabei werden aber niemals automatisiert, sondern immer in herkömmlicher Weise vom Operateur geführt. Typische Anwendungsbereiche für dieses Verfahren seien vor allem Neurochirurgie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie.

Robotik-Verfahren: Nicht für alle chirurgischen Eingriffe geeignet

Bilden die beiden Robotik-Verfahren also inzwischen den Standard für chirurgische Operationen? Rein theoretisch seien Robotik und computergestützte Chirurgie inzwischen in allen chirurgischen Disziplinen aufzufinden – der Versorgungsrealität entspräche dies allerdings nicht, von einem Routineverfahren könne man noch nicht sprechen, betont Prof. Seekamp. Lediglich bei 250.000 von jährlich 7 Millionen chirurgisch behandelten Patienten kämen diese Verfahren zum Einsatz – also bei weniger als 5 %. Hinzu käme, dass die Verfahren noch nicht komplett in Fallpauschalen inbegriffen seien und auch in Deutschland nicht flächendeckend eingesetzt werden.

Professor Dr. med. Jens Werner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, merkt im Rahmen der Pressekonferenz an: Viele Krankenhäuser werben mit robotischen Verfahren, dies bedeute aber nicht, dass diese in allen Fällen gleichermaßen gut anwendbar seien. Oftmals käme erst der Hype, dann die Evidenz. Viel wichtiger sei seiner Ansicht nach der Aspekt der Zentralisierung: Robotische Verfahren sollten bestenfalls überall zur Verfügung gestellt werden können, wo Patienten konkret davon profitieren können. Prof. Seekamp pflichtet bei, rechnergestützte Verfahren oder Robotik seien bei weitem nicht für alle chirurgischen Eingriffe das geeignetste Mittel der Wahl. Dementsprechend müssten Kliniken auch Patienten informieren, für welche Art von Operationen Robotik geeignet seien – und für welche nicht. 

Auch bei Robotik behält der Chirurg die Oberhand

Dennoch sei die Zunahme der robotergestützten Operationen mit einer Steigerungszahl von circa 10 Prozent pro Jahr rasant. Operiert in Zukunft also der Computer statt Chirurg oder Chirurgin? Nein, auf keinen Fall, gibt Prof. Seekamp zu verstehen. Selbstverständlich bleibe der Chirurg – egal, in welcher der vorangegangenen Techniken die OP durchgeführt wird – komplett allein für die Patientenbehandlung verantwortlich. An einen "technischen Kollegen" könne diese Verantwortung nicht abgegeben werden. 

Die Tools könnten lediglich dazu beitragen, dass operative Vorgänge präziser durchgeführt werden und weniger operative Zugänge gelegt werden müssten. Für die Patientinnen und Patienten führe dies am Ende zu einem kürzeren stationären Aufenthalt und einer kürzeren Rehabilitation. Positiv anzumerken sei außerdem, dass die Lernkurven zu robotischen Verfahren künftig immer kürzer würden. Die KI sei dann imstande, Operateure darauf hinzuweisen, wann ein Eingriff gefährlich werde.

Quelle:

Online-Pressekonferenz anlässlich des 140. Deutschen Kongresses für Chirurgie (DCK): „Gemeinsam lernen und heilen – 151 Jahre DGCH: Aufbruch in kommende Jahrzehnte“; 20.04.2023; 11:00-12:30 Uhr