Unter “Choosing Wisely” versteht man eine vor fünf Jahren in den USA ins Leben gerufene Initiative, die den offenen Dialog zwischen Ärzten und Patienten über unnötige Leistungen sucht. Für diese Gespräche wurden sogenannte Top-5-Listen erstellt. Diese Listen benennen fünf medizinische Maßnahmen, bei denen eine Überversorgung besteht und für die es einen verstärkten Bedarf nach einer gemeinsamen Entscheidungsfindung gibt, dem Shared Decision Making – der partizipativen Entscheidungsfindung.
Der Begriff Überversorgung bezeichnet medizinische Leistungen, die entweder nicht indiziert sind, also nicht nötig sind, oder deren Nutzen in evidenzbasierten Studien nicht hinreichend belegt worden ist. In den USA sind diese Top-5-Listen breit gestreut worden und bilden eine Diskussionsgrundlage für Patienten und Ärzte. Unterversorgung ist beim Choosing Wisely in den USA kein Thema.
Viele Patienten wollen nicht mehr, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird, weil sie mit den Folgen der Entscheidungen leben müssen. Partizipative Entscheidungsfindung setzt ein Gespräch auf Augenhöhe voraus. Arzt und Patient entscheiden gemeinsam über die anstehenden Untersuchungen und Behandlungen, die dann auch gemeinsam verantwortet werden. Der Arzt ist Experte für das medizinische Wissen und der Patient ist Experte für seine persönlichen Lebensumstände, seine Werte und seine Präferenzen. In Deutschland ist der informierte Patient auch politisch gewollt.
“Nur was nützt eine perfekt durchgeführte medizinische Maßnahme. Auch die Indikationsqualität muss stimmen”, erklärt Dr. Manfred Neubert, Präsident des DKOU-Kongresses 2016 und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Sonneberger Orthopädiezentrum in Bremen. In der Orthopädie sei die Indikationsstellung häufig nicht so eindeutig wie in anderen Fachgebieten. Es gebe keine klaren Parameter wie in anderen Fachgebieten; die Erfahrung des Arztes spiele deshalb eine entscheidende Rolle. Beispiel Arthrose: Für diese gibt es keine eindeutigen Laborparameter wie für Diabetes oder Nierenerkrankungen. Der Schmerz wird über Selbstauskunft ermittelt und das Schmerzempfinden ist subjektiv. Ein Röntgenbild liefert allein auch keine eindeutige Indikation. Die Indikationsstellung sei immer relativ, hier könnte die “Klug entscheiden”-Initiative mit ihrer Betonung der Indikationsqualität hilfreich sein, so Neubert.