Als im Jahr 2006 die europäische Zulassung für das IONSYS-System erfolgte, galt es als Revolution in der Schmerztherapie. Das iontophoretische, transdermale System wurde in Krankenhäusern zur Behandlung akuter, mäßiger bis schwerer postoperativer Schmerzen eingesetzt, bis 2008 der damalige Hersteller Janssen-Cilag eine Charge des Produkts aufgrund technischer Probleme zurückrufen musste. In demselben Jahr setzte die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) die Zulassung aus.
Grund für den Rückruf waren Korrosionsspuren in dem System, das sich damit hätte selbst aktivieren und unkontrolliert Dosen des hocheffizienten Wirkstoffs Fentanyl über das dafür vorgesehene Patientenpflaster an den Patienten abgeben können. Tatsächlich war das Gerät so konstruiert, dass theoretisch flüssiges Hydrogel mit der Batterie und der Spannung des Systems in Kontakt kommen könnte. Dieses Zusammenspiel hätte die Korrosion verursachen können.
Rund acht Jahre später hat IONSYS erneut die Zulassung in den USA und den Ländern der Europäischen Union erhalten; es kommt auch bereits in Deutschen Krankenhäusern zum Einsatz. 40 Mikrogramm Fentanyl gibt das System in bis zu 80 Dosen ab, die allerdings nur dann komplett aufgebraucht werden können, wenn sie innerhalb von 24 Stunden vom Patienten angefordert werden. Danach schaltet sich das System von alleine ab. Bei dem transdermales System kommt das Prinzip der Iontophorese zum Einsatz. Über ein spezielles Pflaster wird nach doppeltem Knopfdruck des Patienten eine Dosis von 40 Mikrogramm Fentanyl durch die Haut geschickt. “Das Hydrogel und die Batterie wurden separiert. Bei Nicht-Gebrauch liegt jetzt keine Spannung vor”, erklärt J. Bradley Phipps vom neuen Hersteller The Medicines Company. Die Menge von 40 Mikrogramm sei ein Kompromiss zwischen der für eine effektive Schmerztherapie notwendigen und der Sicherheit des Patienten.
Das amerikanische Unternehmen nutzte den Deutschen Anästhesiecongress 2016 in Leipzig, um IONSYS in einem eigenen Satellitensymposium vorzustellen. Bereits bei der ersten Zulassung wurde die Wirksamkeit des Präparats in einer Placebovergleichsstudie nachgewiesen. Professor Stefan Grond, Chefarzt Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Lippe in Detmold, stützte sich in seinen Ausführungen deshalb auch vorrangig auf seine eigene Studie aus dem Jahr 2007, um die Wirksamkeit und Vorteile zu belegen.
In einer Vergleichsstudie mit mehr als 2.500 Patienten hätten 88 Prozent der behandelten Personen den Therapieerfolg von IONSYS als gut bis hervorragend beurteilt im Vergleich zu 86 Prozent bei einer intravenösen Analgesie mit dem Opioid Morphin, so Grond. “91 Prozent der Ärzte zeigten sich zufrieden mit IONSYS im Vergleich zu 90 Prozent bei Morphin”, führte er weiter aus. Die Pflegekräfte würden an dem System vor allem den geringeren Aufwand sowie die einfachere Handhabung als bei einer PCA loben. Der Patient kann sich durch Knopfdruck das enthaltene Schmerzmittel selbst verabreichen. Schläuche und Kabel fallen weg. “Die Mobilität des Patienten bleibt erhalten”, betont Grond. Insbesondere für Operationen, bei denen eine Mobilisierung Teil der postoperativen Therapie ist, eigne sich das Gerät, das im Idealfall auf Brust oder an der Außenseite der Oberarme angebracht werden sollte. Die Nebenwirkungen des Fentanyls seien der Studie zufolge ähnlich wie bei Morphin.
Inwieweit IONSYS in den Krankenhausalltag – es ist ausschließlich für Kliniken vorgesehen – einziehen wird, hängt sicherlich auch von den Kosten ab. Hierzu präsentierte Professor Peter Kranke von der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Würzburg interessante Zahlen. Er wies darauf hin, dass “der gesamte Aufwand und alle Kosten bei der Bewertung berücksichtigt werden müssen”.
Um die postoperative Schmerztherapie mit IONSYS durchzuführen seien 64 einzelne Prozessschritte notwendig. Kranke: “Der Aufwand für die Vorbereitung ist erst einmal größer, da das Gerät zusammengebaut werden und das Klinikpersonal geschult werden muss.” Allerdings sei in der Gesamtbetrachtung der Aufwand für das Personal geringer; er betrage im Durchschnitt 21 Minuten. Bei einer intravenösen PCA falle der Zeitaufwand aller erforderlichen Einzelaktivitäten mit etwa 70 Minuten deutlich höher aus. 146 Prozessschritte würden hierbei benötigt – angefangen mit dem Vorbereiten der Kanüle bis zur Entsorgung. Bei der eigentlichen Anwend sei der Aufwand ähnlich.
Text: V. Thoms
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