Braucht es Kontaktbeschränkungen oder nicht? Dies ist einer der Streitpunkte bei der Bekämpfung der Pandemie. SPD, Grüne und FDP wollten sie abschaffen - haben es sich nun aber anders überlegt.
Die Corona-Zahlen steigen dramatisch - und je mehr sie zunahmen, desto lauter wurde die Kritik an den Gesetzesvorhaben von SPD, Grünen und FDP für den künftigen Kampf gegen die Pandemie. Doch jetzt haben die möglichen Koalitionspartner ihre Pläne nachgeschärft. So soll die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen doch nicht abgeschafft werden. Dies geht aus einer Vereinbarung von Vertretern der drei Fraktionen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zudem sollen Ungeimpfte ohne negativen Test keine Busse und Bahnen mehr benutzen dürfen - unabhängig von der weiter geltenden Maskenpflicht.
Ohne diese Verschärfungen der bisherigen Pläne wären bestimmte Maßnahmen nach dem Auslaufen des Rechtsstatus der Epidemischen Lage nationaler Tragweite zum 25. November nicht mehr möglich. Am Vorhaben, den Epidemie-Sonderstatus zu beenden, halten die drei koalitionsbildenden Parteien aber fest.
"So lässt sich einerseits regional unterschiedliches Infektionsgeschehen sehr gezielt bekämpfen, andererseits verlagern wir die Verantwortung auch dort von der Exekutive zurück in die Parlamente", hieß es zur Begründung.
Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll künftig zusätzlich zur Maskenpflicht eine 3G-Regel gelten: "Wer ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, muss dann entweder geimpft, genesen oder getestet sein", wurde erläutert.
Bisher hatten SPD, Grüne und FDP als Enddatum den 19. März 2022 vorgesehen. Nun gibt es eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit: "Der Bundestag wird ermächtigt, bis zum 19.3.2022 durch einen Beschluss die Geltungsdauer der Vorschriften um maximal drei Monate zu verlängern."
Wieder eingeführt werden soll die ausgelaufene Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer, wie aus einem der dpa vorliegenden Entwurfstext aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium hervorgeht. Dies ist aber Teil des Gesetzentwurfs für die 3G-Regeln am Arbeitsplatz.
Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist in den Bundestag bereits eingebracht. Die vereinbarten Verschärfungen müssen also nachträglich eingefügt werden. An diesem Montag steht die zum Gesetzgebungsverfahren gehörende Anhörung von Experten an. Am Donnerstag soll der Bundestag dann abstimmen. "Das Gesetz kriegt jetzt eine neue Rechtsgrundlage, eine sicherere Rechtsgrundlage", sagte Habeck. "Wir nehmen nur die Möglichkeit weg: flächendeckenden Lockdown ohne Unterscheidung für Geimpfte und Ungeimpfte."
Zahlreiche Kritiker besonders aus der Wissenschaft, aber auch Ländergesundheitsminister der Grünen hatten in den letzten Tagen das Vorhaben gerügt, auf Instrumente wie Kontaktbeschränkungen gänzlich zu verzichten. Die Unionsfraktion hatte angekündigt, im Bundestag eine Verlängerung des Epidemie-Status zu beantragen, um ein Ende der Kontaktbeschränkungen zu verhindern.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte der dpa: "Wir werden nicht darum herumkommen, dass wir in gewisser Weise wieder Kontaktbeschränkungen haben werden und dass man Großveranstaltungen in dieser Form vielleicht nicht mehr durchführen kann - oder wenn, dann nur unter strengen Auflagen." Eine Möglichkeit seien Veranstaltungen mit einem PCR-Test für Ungeimpfte und einem Antigen-Schnelltest für Geimpfte und Genesene, erläuterte der Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist persönlich aber der Überzeugung, dass "eine sehr strenge 2G-plus-Regelung bei Veranstaltungen und 2G überall" wirkungsvoller sei als Kontaktbeschränkungen, wie er in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen" sagte. 2G meint: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene - 2G plus: nur für diese Gruppe, wenn sie zusätzlich getestet ist. "Das entspricht für die Ungeimpften einer Art Lockdown", erklärte Lauterbach.
Der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun zeigte sich in der "Bild"-Sendung einverstanden mit einem Verzicht auf Ausgangssperren, da man sie mit Sicherheit nicht mehr brauchen werde.
Vor allem die FDP hat sich bisher gegen ihrer Ansicht nach zu weitgehende Beschränkungen gestemmt. Parteichef Christian Lindner sagte den Sendern RTL und ntv: "Für Geimpfte muss es weiterhin die Möglichkeit für das gesellschaftliche Leben geben - alles andere wäre unverhältnismäßig."
Die Pandemie ist in den vergangenen Wochen außer Kontrolle geraten. Nach RKI-Angaben hat die Zahl der Infektionen inzwischen die Marke von fünf Millionen überschritten. Die Sieben-Tages-Inzidenz je 100 000 Einwohner stieg am Montag auf den Rekordwert von 303,0. An der Spitze stand Sachsen mit 754,3. "Bei den Fallzahlen, die wir jetzt haben, werden die Kliniken in den ersten beiden Dezemberwochen bundesweit die Kapazitätsgrenze überschreiten", sagte Lauterbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.