Welchen Einfluss hat die Wahl der Rheumatherapie auf den Verlauf von COVID-19 und auf einen möglichen Klinikaufenthalt? Ob z.B. Immunsuppressiva das Risiko erhöhen, schwerer an COVID-19 zu erkranken, war bislang unklar.
Eine auf der EULAR-Pressekonferenz vorgestellte Studie mit 600 Testpersonen aus dem EULAR-COVID-19-Register gibt jetzt Entwarnung: Die Einnahme konventioneller krankheitsmodifizierender Antirheumatika (csDMARDs) allein oder in Kombination mit Biologika oder die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) war nicht mit einem Krankenhausaufenthalt assoziiert. Die Einnahme von TNF alpha-Hemmern war sogar mit einer verringerten Wahrscheinlichkeit eines Klinikaufenthalts verbunden, berichtete Prof. Dr. Pedro Machado vom University Hospital London und Ko-Autor der Studie. Vorsicht sollte man allerdings bei hochdosiertem Prednisolon walten lassen: Dessen Gabe war mit häufigeren Klinikaufenthalten assoziiert.
Gianfrancesco et al. (Gianfranceso M et al. Ann Rheum Dis, 2020) hatten die Daten von 600 rheumatologischen PatientInnen mit COVID-19 aus 40 Ländern untersucht. Die Daten stammen aus dem "EULAR and Global Rheumatology Alliance COVID-19"-Register vom 24. März bis zum 20. April 2020. Analysiert wurden Alter, Geschlecht, Raucherstatus, Diagnose rheumatischer Erkrankungen, Komorbiditäten und Medikamente gegen rheumatische Erkrankungen, die unmittelbar vor der Infektion eingenommen wurden. Die meisten Testpersonen waren weiblich und in der Altersgruppe 50 bis 65 Jahre. Am häufigsten litten die Teilnehmenden an Rheumatoider Arthritis (38%), gefolgt von systemischem Lupus (14%) und Psoriasisarthritis (12%).
Daten über den Verlauf von COVID-19 bei RheumatikerInnen sind rar und auf kleine Fallzahlen beschränkt: "Es herrscht eine große Unsicherheit über das Medikamentenmanagement bei rheumatischen Erkrankungen", erklärte EULAR-Präsident Prof. Dr. Iain B. McInnes, The University of Glasgow, Schottland, Großbritannien.
Die Analyse ergab, dass die Einnahme von csDMARDs allein oder in Kombination mit Biologika oder die Einnahme von NSAR nicht mit einem Klinikaufenthalt assoziiert war. TNF alpha-Hemmer waren mit einem geringeren Risiko eines Krankenhausaufenthalts verknüpft, während kein Zusammenhang mit der Einnahme von Malariamitteln beobachtet wurde. Anders sieht es bei Glukokortikoiden aus: Eine Therapie mit mehr als 10 mg Prednison pro Tag war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Klinikaufenthalts verbunden. Prednisolon wird häufig als schnell wirksamer Entzündungshemmer eingesetzt.
46% der Testpersonen (277) mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, 55 Todesfälle (9%) waren zu verzeichnen. Die Raten sollten aber nicht als tatsächliche Rate von Klinikaufenthalten und Todesfällen unter RheumapatientInnen mit COVID-19 verstanden werden. Machado sprach von einem Selektionsbias, denn der Mechanismus mit dem die Falldaten gesammelt werden lege nahe, dass eher schwere Fälle an die Datenbank gemeldet werden - und milde oder asymptomatisch verlaufende Fälle seltener. Das erhöht die Rate von Klinikeinweisungen und Todesfällen in der Gruppe der gemeldeten PatientInnen künstlich.
"Die Studie zeigt, dass sich die meisten Patientinnen und Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen – unabhängig davon, welche Medikamente sie erhalten – von COVID-19 erholen", sagte Prof. Dr. John Isaacs von der University of Newcastle, Großbritannien, Vorsitzender des wissenschaftlichen Programm-Komitees beim EULAR. "Dennoch ist es notwendig, mehr Wissen über den Verlauf einer Infektion mit dem neuen Corona-Virus bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zusammenzutragen."
Innerhalb von nur wenigen Wochen haben sich daher weltweit Fachleute aus der Rheumatologie zusammengeschlossen, um ein internationales COVID-19-Register aufzubauen. Die Europäische Liga gegen Rheuma (EULAR) unterstützt das Projekt und hat im März bereits eine europäische Forschungsdatenbank eingerichtet, wie Prof. McInnes berichtete.
Dass das Risiko für RA-PatientInnen für eine venöse Thromboembolie bei hoher Entzündungsaktivität hoch ist (einer von 100 RA-Erkrankten innerhalb eines Jahres), zeigt eine schwedische Studie (Molander V. et al. Ann Rheum Dis, 2020). Es gibt dazu aber auch gute Nachrichten: Biologika können bei RA-Erkrankten das Thromboserisiko senken – wie eine Auswertung von Daten des RABBIT-1-Registers (Schäfer M. et al. Ann Rheum Dis, 2020) zeigt.
Referenzen:
EULAR Pressekonferenz, 3. Juni 2020, 14.30 bis 15.30 Uhr.
https://rheum-covid.org/ (internationales COVID-19-Register)
https://www.eular.org/eular_covid19_database.cfm (eine europäische Forschungsdatenbank)