Hamburg hat eine große Drogenszene. Ihr wichtigster Treffpunkt ist das Drob Inn in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Beratungsstelle bietet auch die Gelegenheit zum kontrollierten Drogenkonsum - und hilft damit, einen sozialen Brennpunkt zu entschärfen.
Wer auf das Drob Inn in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs zugeht, bekommt sogleich Drogen angeboten. Auf einer Wiese lagern zu manchen Tageszeiten mehrere hundert Menschen. Viele von ihnen warten auf Einlass in die Beratungsstelle. Das Drob Inn bietet eine warme Mahlzeit und Getränke für wenige Cent an. 300 bis 400 Besucher pro Tag kommen jedoch aus einem anderen Grund: Sie wollen sich im Drogenkonsumraum Heroin spritzen, Kokain nehmen oder Crack rauchen. Seit dem Jahr 2000 können sie das in der Einrichtung legal tun.
Am Tresen des Konsumraums verteilt Peter Möller saubere Spritzen, Alkoholtupfer, Pflaster und andere Utensilien für den intravenösen Rausch. "Nur Drogen haben wir nicht", sagt der Leiter des Drob Inns. An einem langen Metalltisch können sich 15 Drogenabhängige gleichzeitig spritzen. Der geflieste und weiß gekachelte Raum reizt nicht zum längeren Verweilen. Bei rund 520 "Konsumvorgängen" pro Tag wäre das auch nicht möglich.
Wichtig ist die Sterilität und die Aufsicht des Sozialpädagogen. Das rettet Leben, praktisch tagtäglich. Im Drogenkonsumraum sei noch nie ein Mensch gestorben, sagt Möller. Dabei haben er und seine Kollegen häufig Notfälle zu bewältigen, allein im vergangenen Jahr 217 Mal. Ursache sind hauptsächlich Überdosierungen, Krampfanfälle und Psychosen. Ein Beatmungsgerät und eine Sauerstoffflasche stehen griffbereit am Tresen. "Jeder unserer Sozialpädagogen hat schon zum x-ten Mal Menschen beatmet", sagt Möller.
Die Zahl der Drogentoten in Hamburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, und zwar um gut ein Viertel auf 75. Mindestens 18 von ihnen seien allerdings an Folgeerkrankungen wie Hepatitis C gestorben, sagt Möller. Die Zahl der eigentlichen Drogentoten liege bei 45. 20 Jahre zuvor waren es fast 160 gewesen. Das Durchschnittsalter der Besucher im Drob Inn liege heute bei 40 Jahren. Das sei enorm hoch, meint Möller. Früher sei kaum ein über 50-Jähriger in die Beratungsstelle gekommen.
Drei Viertel der Klientel sind Männer, etwa 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Unter ihnen seien Osteuropäer, Afghanen, Nordafrikaner und zahlreiche Flüchtlinge aus anderen Ländern. Weil die Verständigung oft schwierig ist, sollen die Beratungsgespräche demnächst mit Hilfe von Videodolmetschern geführt werden.
Möller und die Vorsitzende des Trägervereins Jugendhilfe e.V., Christine Tügel, betonen, dass ihre Einrichtung kein rechtsfreier Raum ist. "Wir sind eine echte Beratungsstelle", sagt Möller. Drogenkonsum und -handel ist im Café strikt verboten. Wer den Konsumraum nutzen will, muss sich anmelden. Es gilt eine strenge Hausordnung. Mehr als 1200 Mal haben die Mitarbeiter im vergangenen Jahr ein Hausverbot ausgesprochen. Was auf dem Platz vor dem ehemaligen Versicherungsgebäude passiert, liegt nicht in der Verantwortung des Drob Inns, sondern der Polizei. Es ist eine öffentliche Fläche. Auch für die Müllbeseitigung ist die Stadtreinigung zuständig.
Bis Mitte der 80er Jahre sei ausschließlich beraten worden, sagt Möller. Damit sei der Großteil der Szene aber nicht erreicht worden. Durch den Drogenkonsumraum bekommen die Mitarbeiter Kontakt zu den Abhängigen. Das Drob Inn ist nicht die einzige Einrichtung dieser Art in Hamburg, aber die mit Abstand größte. Und sie betreibt unter der Woche sogar ein Nachtcafé, das bis 5.00 Uhr morgens geöffnet ist. Rund 3000 Menschen zählten zur Kundschaft im vergangenen Jahr. Möller hat keine Illusionen, was seine Arbeit angeht. "Wir freuen uns über jeden, der abstinent wird", sagt der 60-Jährige. Aber meist gehe es nur um die Verbesserung der jeweiligen Lebenssituation. Mal wieder was essen oder duschen oder sogar jemanden dazu zu bringen, in seinen Briefkasten zu schauen und die Post zu öffnen. Oft fehlten Ausweispapiere oder die Krankenversicherung.
"Der erste Schritt ist Stabilisierung", sagt Tügel. Viele der Drogenabhängigen seien "in einem wirklich desolaten Zustand". Im Krankenzimmer des Drob Inn können sie sich anonym und gratis behandeln lassen. 550 Menschen nutzten das Angebot im vergangenen Jahr, mehr als 5000 Mal wurden Ärzte und Pfleger aktiv.
Einige der Besucher schaffen den Schritt in einen Entzug oder eine Therapie, andere landen im Gefängnis. Rund 80 Prozent der Drogenabhängigen, die sich beraten ließen, hätten diese Erfahrung schon hinter sich, sagt Tügel. Die Mitarbeiter, überwiegend Frauen, brauchen im Umgang mit dieser Klientel Erfahrung in Deeskalation und Selbstbewusstsein. "Wir werden teilweise bedroht", sagt Tügel. Einen Sicherheitsdienst gibt es nicht. Aber die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniere sehr gut, sagt Möller. Die Arbeit der Einrichtung werde von niemandem in der Hamburger Politik in Frage gestellt, auch wenn das Drob Inn von den Sparmaßnahmen nicht verschont werde. Das Jahresbudget von 2,3 Millionen Euro wird zum größten Teil von der Stadt getragen. Am 7. September kann das Drob Inn sein 30-jähriges Jubiläum feiern.