Die meisten Geschäfte haben gerade wieder geöffnet, doch die Debatte um weitere Lockerungen in der Corona-Krise geht munter weiter. NRW-Ministerpräsident Laschet befeuert sie. Am 30. April wollen Bund und Länder wieder beraten - für FDP-Chef Lindner ist das zu spät.
Die Diskussion über weitere Lockerungen der Corona-Abwehrmaßnahmen geht auch nach den Appellen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und von VirologInnen unvermindert weiter. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) strebt im Mai weitere Lockerungen an: Bund und Länder sollten sich bei ihrem nächsten Treffen am 30. April darauf einigen, sagte Laschet. Zwar wisse man dann noch nicht, wie sich bisherige Lockerungen auswirkten. "Ich glaube trotzdem, dass man noch einmal über ein paar weitere Maßnahmen nachdenken muss", sagte Laschet.
Der Ministerpräsident nannte Sportangebote für Jugendliche. "Wenn die Jugendlichen jetzt alle in Shopping-Malls gehen oder sich in Parks treffen, statt auf den Sportplatz zu gehen, ist das ja auch nicht Sinn der Sache", sagte er. Weitere Öffnungen müssten auch Kindertagesstätten, Spielplätze und Schulen betreffen. Laschet kritisierte, dass die Lebenswirklichkeit vieler Kinder durch die Corona-Politik aus dem Blick geraten sei.
Auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte bereits eine vorsichtige Öffnung von Spielplätzen - besonders in Städten - ins Gespräch gebracht. Alle Kinder bräuchten Bewegung und freies Spiel, hatte sie argumentiert. Das Deutsche Kinderhilfswerk schloss sich dem an. Denkbar sei, zunächst mit Spielplätzen ab einer bestimmten Quadratmeterzahl zu beginnen, schlug das Hilfswerk vor.
Giffey forderte am 22.04. zudem, über weitergehende Öffnungen von Schulen und Kitas nachzudenken. ´"Wir müssen auch darüber reden, wie wir zu einer schrittweisen, zu einer stufenweisen Öffnung von Kitas und Schulen kommen können", sagte die SPD-Politikerin. Lange Schließungen seien nicht möglich. "Es ist nicht so, dass das bis zum Sommer einfach alles zu bleiben kann."
Noch am 20.04. hatte Kanzlerin Merkel eindringlich dazu aufgerufen, bei der Einhaltung der Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht nachzulassen. In einer CDU-Präsidiumskonferenz hatte sie kritisch von "Öffnungsdiskussionsorgien" in einigen Ländern gesprochen. Zu Wochenbeginn waren die ersten Lockerungen in Kraft getreten. Geschäfte mit einer Fläche bis 800 Quadratmeter dürfen seitdem in vielen Bundesländern wieder öffnen.
Um die Epidemie abflauen zu lassen, streben Fachleute und Politik eine Reproduktionszahl von unter 1 an. Vergangene Woche lag der Wert bereits einmal bei 0,7, am 21.04. gab das Robert Koch-Institut ihn in seinem täglichen Lagebericht mit 0,9 an.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mahnte mit Blick auf Geschäftsöffnungen zu einem behutsamen Vorgehen. "Wir müssen mit Augenmaß vorgehen, wenn wir Geschäftsöffnungen und Gesundheitsschutz miteinander in Einklang bringen wollen. Vom Erfolg dieser Öffnungen ist abhängig, in welchen weiteren Schritten weitere Lockerungsentscheidungen möglich sind", sagte der CDU-Politiker. Das müsse abgestimmt durch die Ministerpräsidenten erfolgen. Ein Flickenteppich sei zu vermeiden.
Wie Laschet machen auch andere Unionspolitiker Druck für weitere Lockerungen. So forderte der hessische Abgeordnete Klaus-Peter Willsch in einer Videoschalte der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten nach Angaben von Teilnehmenden, dringend über Strategien der Wiederöffnung zu reden. Den Menschen müsse die Perspektive gegeben werden, dass sich die Politik intensiv damit befasse, wie man wieder in einen Normalzustand komme. Der baden-württembergische Abgeordnete Axel Fischer betonte, es häuften sich die Berichte von Existenznöten der BürgerInnen und der Wirtschaft. Die Beschränkungen hätten katastrophale Auswirkungen - diese Probleme dürften nicht vom Tisch gewischt werden.
FDP-Chef Christian Lindner forderte von Bund und Ländern, die Wirkung der Schutzmaßnahmen im Wochentakt zu überprüfen - und nicht wie bisher nur alle zwei Wochen im Rhythmus der Inkubations- und Testauswertungszeit. "Wir müssen immer wieder prüfen, ob sie durch mildere Mittel ersetzt werden können. Wir müssen dies auch zügig tun - im Wochen- statt im Zweiwochenrhythmus", sagte Lindner.
Eine Reihe von Bundesländern hat die jüngsten Lockerungen von Beschränkungen mit der Pflicht verknüpft, in öffentlichen Bereichen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte dieses Vorpreschen, das bei der jüngsten Bund-Länder-Schaltkonferenz nicht abgestimmt war. "Ja, es nervt mich schon, da bin ich ganz ehrlich", sagte der SPD-Politiker. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte zum Thema Alltagsmaske: "Was mich halt wundert ist, dass die Kollegen, die am Mittwoch noch dagegen gesprochen haben, die Ersten waren, die es dann angefangen haben einzuführen." Thüringen werde nun nachziehen, wenn am 24.04. der Einzelhandel wieder öffnet.