Defizit der Kassen steigt auf 5,8 Milliarden Euro

Noch 2022 wird es bei den GKV zu Kostendämpfungsgesetzen kommen. Grund dafür sind unter anderem Sondereffekte der Pandemie und steigende Ausgaben für Arzneimittel.

Kostendämpfung wird 2022 beginnen

Die Liquiditätsreserven des GKV-Systems schrumpfen, liegen aber immer noch dank eines gestiegenen Bundeszuschusses bei insgesamt fast 19 Milliarden  Euro. Da der Bund seinen Zuschuss im laufenden  Jahr auf insgesamt 28 Milliarden Euro erhöhen wird, können – auch bei weiter steigenden Ausgaben – Beitragssatzerhöhungen weitestgehend vermieden werden.  

Dies geht aus den vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten vorläufigen Finanzergebnissen der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds hervor. Sie sind stark beeinflusst von den Effekten der Pandemie sowie gesetzlichen Vergütungsverbesserungen und Vermögensabführungen der Kassen an den Gesundheitsfonds von insgesamt acht Milliarden Euro mit dem Zweck eines Abbaus besonders hoher Finanzreserven. Letzteres führt dazu, dass entstandene Defizite je nach Kassenart stark variieren: am stärksten betroffen von den Abführungen sind die AOKen mit einem Defizit von 4,163 Milliarden Euro; diese Kassenart hatte allerdings in den letzten Jahre auch die höchsten Überschüsse und Reserven angesammelt. Bei den Ersatzkassen liegt das Minus bei 576 Millionen Euro, bei der BKK bei 480 Millionen Euro und bei der IKK bei 409 Millionen Euro. 

Der Gesundheitsfonds verbuchte einen Überschuss von 1,4 Milliarden Euro; Grund ist, so das BMG, dass die Beitragseinnahmen der Kassen stärker wuchsen als  im Herbst 2021 vom Schätzerkreis prognostiziert. Allerdings stiegen die Beitragseinnahmen auch 2021 mit 3,4 Prozent (Vorjahr 1,9 Prozent) deutlich moderater als in den Jahren vor der Pandemie.

Corona-bedingte Mehrausgaben: 17,4 Milliarden Euro

Die durch die Pandemie verursachten Mehrausgaben im Gesundheitssystem beziffert das Bundesgesundheitsministerium auf 17,4 Milliarden Euro; sie wurden technisch finanziert aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds – der Löwenanteil davon: 17,2 Milliarden Euro – wurden aus dem Bundeshaushalt finanziert. Es handelt sich dabei um Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser, Aufwendungen für Corona-Tests und Impfungen gegen COVID-19. 

Besonders stark steigen Ausgaben für Arznei- und Heilmittel sowie für Zahnersatz

Kassenausgaben um 5,4 Prozent gestiegen

Die  Ausgaben der Kassen stiegen im vergangenen Jahr insgesamt um 5,4 Prozent auf 274,5 Milliarden Euro, bei leicht sinkenden Verwaltungsausgaben nahmen die Leistungsausgaben sogar um 5,7 Prozent zu. 

Der größte Block entfällt auf die Krankenhäuser mit 85,1 Milliarden Euro (plus 4,4 Prozent). Darüber hinaus erhielten die Kliniken Ausgleichszahlungen für freigehaltene Betten von rund fünf Milliarden Euro. Eine wesentliche Ursache des Ausgabenanstiegs waren die Pflegepersonalkosten, die seit 2020 aus den DRG-Pauschalen ausgegliedert sind und gesondert vergütet werden; der Zuwachs für die Refinanzierung der Pflegepersonalkosten belief sich 2021 auf neun Prozent.

Ausgabenentwicklung für Ärzte unterproportional

Mit 1,8 Prozent deutlich unterproportional verlief die Ausgabenentwicklung für Ärzte (Ausgaben rund 44,8 Milliarden Euro). Als Grund dafür nennt das Bundesgesundheitsministerium eine Korrektur von Regelungen im Terminservicegesetz, mit dem ungewollte Doppelfinanzierungen ausgeglichen worden sind. Überdurchschnittlich stiegen Arzneimittelausgaben um 7,8 Prozent auf 46,66 Milliarden Euro. Im Lauf des Jahres hat sich die Ausgabendynamik nach BMG-Angaben deutlich beschleunigt. Die Einsparungen durch Rabattverträge – eines der wichtigsten Instrumente zur Beschränkung des Kostenanstiegs – wuchsen nur noch um 2,2 Prozent. Damit zeichnet sich ab, dass die Arzneimittelversorgung als erster Bereich in den Blickpunkt von Kostendämpfungsmaßnahmen, etwa durch eine Verschärfung der Preisbildungsregeln nach dem AMNOG rücken könnte. 

Die Ausgaben von zahnärztliche Behandlung stiegen um 7,9 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro; ursächlich ist hier ein pandemiebedingter Basiseffekt, der zu Nachholbehandlungen geführt hat.  Die Ausgaben für Zahnersatz (insgesamt 3,95 Milliarden Euro) nahmen um 19,2 Prozent zu  - eine Folge der Anhebung der Festzuschüsse aufgrund des Terminservice- und –Versorgungsgesetzes.

Ebenfalls stark gestiegen – um 16,5 Prozent – sind die Ausgaben für Heilmittel: um 16,5 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Überwiegend resultiert  das Wachstum aus Vergütungsanpassungen  auf der Basis von Verhandlungen und Schiedssprüchen.

Eng wird es 2023 – Ankündigung von Kostendämpfungsmaßnahmen  

Aufgrund eines ergänzenden Bundeszuschusses von 14 Milliarden Euro haben die meisten Krankenkassen ihre Beitragssätze stabil gehalten, bei 19 Kassen gab es Erhöhungen, bei neun Absenkungen. Dieser zusätzliche Zuschuss soll 2023 entfallen, und das werden die GKV "vor große finanzielle Herausforderungen stellen", prognostiziert das BMG. Und verbindet dies mit der Ankündigung, dass die Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen ergreifen werde, um die stabile Finanzierung der GKV sicherzustellen.

Wichtigste Ausgabearten

Leistungsausgaben insgesamt je Versicherten: +5,7%
Davon:
Ärztliche Behandlung: +1,8%
Arzneimittel: 7,8%
Krankenhausbehandlung: 4,4%*
Zahnärztliche Behandlung: 7,9%
Zahnarzt: 19,2%
Hilfsmittel: 5,7%
Heilmittel: 16,5%
Schutzimpfungen: 9,9 %**
Krankengeld: 4,1%
Verwaltungskosten: -0,3%

*Ohne den Zuschuss von 5 Mrd. Euro für pandemiebedingt freigehaltene Klinikbetten
** Ohne Covid-19-Impfstoffe

Referenzen: BMG, vorläufige  GKV-Finanzentwicklung 2021