Viele Deutsche haben vom Wald ein eher romantisches Verständnis. Das beweisen unzählige Volkslieder. Zu der Romantik kommt nun auch ein therapeutischer Ansatz. In Mecklenburg-Vorpommern soll es künftig mehrere Heilwälder geben.
Die Deutschen haben nach Erkenntnissen von Ethnologen zum Wald ein ganz besonderes Verhältnis. Es ist somit kein Wunder, dass hierzulande die Idee eines Heilwaldes geboren wurde. In Heringsdorf auf Usedom wurde nun ein Heilwald ausgewiesen - nach Recherchen der Professorin für Naturheilkunde an der Unimedizin Rostock, Karin Kraft, der weltweit erste.
"Der Wald ist ein Therapie-Element bei der Behandlung von Schwerkranken", sagt Kraft. In der Ruhe und Abgeschiedenheit des 180 Hektar großen und vorwiegend aus Buchen bestehenden Waldes in Heringsdorf können die Patienten Atem- und Bewegungsübungen machen. Im Herbst soll dann beim ersten internationalen Heilwald-Kongress in Heringsdorf über Ergebnisse berichtet werden. Zunächst wird auf dem 23. Bädertag 2017 in Ueckermünde das Projekt ausführlich vorgestellt.
"Die Potenziale des Waldes sind in der modernen Industriegesellschaft vergessen worden", sagt der frühere Chef der Gesundheitswirtschaft MV, Horst Klinkmann, der als "alter Waldliebhaber" die Idee eines Heilwaldes aufbrachte. Er verweist auf die arzneimittelähnlichen Wirkungen etwa der hohen Sauerstoffsättigung und Luftfeuchtigkeit oder auf die Filtrierung der Luft mit einer entsprechend niedrigen Schadstoffbelastung, was für die Lunge oder die Haut wichtig sei. Er erinnert sich noch gut an die ungläubigen Reaktionen des Fachpublikums bei der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft im Jahr 2012, als er die als verrückt empfundene Idee erstmals vorstellte.
Die Patienten, aber auch alle Spaziergänger können durch die Gerüche und Geräusche des Waldes oder das Erleben von Pflanzen Stress abbauen, erklärt die stellvertretende Kurdirektorin von Heringsdorf und Gestalterin des Heilwaldes, Karin Lehmann. Viele Wege könnten auch mit Rollstuhl oder Rollator und von Blinden bewältigt werden.
Der Heilwald lade an verschiedenen Plätzen zu speziellen Körper- und Meditationsübungen ein. Lehmann sieht den therapeutischen Einsatz nicht nur bei Erkrankungen der Atemwege oder der Haut. Das Feld sei viel größer und helfe bei Krankheiten des Bewegungsapparates, bei psychosomatischen Beschwerden wie Burnout, Schlaflosigkeit oder Erschöpfungszuständen und unterstütze das Herz-Kreislauf-System. Sie verweist zudem auf ätherische Öle, die keimsenkend wirken können.
Natürlich könne jeder Spaziergänger in einen Heilwald kommen, betont Kraft. Mit Schildern solle auf die Bedeutung hingewiesen werden. "Wir versuchen den Leuten klarzumachen, dass sie da zum Beispiel nicht radfahren sollen." Dem möglichen Esoterik-Vorwurf entgegnet sie: "Ich wüsste nicht, was daran esoterisch ist, lieber in den Wald zu gehen und dort seine Übungen zu machen und wegen des speziellen Klimas mehr davon zu profitieren als in einer miefigen Halle", sagt Kraft. "Wer Bäume umarmen will, kann das überall machen und braucht keinen Heilwald."
"Wir waren skeptisch", sagt der Präsident des Landesbäderverbands, Andreas Kuhn. Aber die Idee, die weitläufigen Wälder des Landes in das Angebot zu einem gesunden Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern aufzunehmen, sei aufgegangen. "Das wird ein Renner, davon bin ich fest überzeugt." Es sei auch ein Angebot, mit dem Gäste des Landes auch außerhalb der Saison angelockt werden können. So wird in Bad Doberan ein 38 Hektar großer Heilwald entstehen. Andere Gemeinden wie Graal-Müritz, Baabe auf Rügen oder Waren/Müritz hätten die Zulassung beantragt. Inzwischen gebe es auch Heilwald-Konzepte in Österreich.