Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland steigt, die "epidemische Lage" soll jedoch im November auslaufen. Fachleute gehen davon aus, dass viele Corona-Schutzmaßnahmen trotzdem weiter gelten.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat angesichts der Corona-Impfquote in Deutschland keine Bedenken dagegen, die sogenannte epidemische Lage nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. "Ich kann den Schritt nachvollziehen und halte das auch für unproblematisch", sagte Hauptgeschäftsführer Gerald Gaß.
Die "epidemische Lage" ist Grundlage für zentrale Corona-Maßnahmen in Deutschland. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich am 18.10. bei Beratungen mit seinen Länderkolleg:innen dafür ausgesprochen, die Regelung am 25. November auslaufen zu lassen. Dabei verwies er unter anderem darauf, dass das Robert Koch-Institut (RKI) das Risiko für geimpfte Personen als moderat einstufe.
Gaß stellte sich hinter diesen Plan. Angesichts der hohen Impfquote in Deutschland dürfte es nicht mehr erforderlich sein, dass der Bund über die Länderkompetenzen hinweg Maßnahmen zur Pandemie-Kontrolle beschließe, sagte er. "Ich rechne auch für den Herbst und Winter nicht mehr mit vergleichbar hohen COVID-Patientenzahlen in den Krankenhäusern wie in der zurückliegenden Zeit."
Die Entscheidung über ein Ende der "epidemischen Lage nationaler Tragweite" liegt beim Bundestag. Das Parlament hatte sie erstmals im März 2020 zu Beginn der Pandemie festgestellt und danach immer wieder verlängert, zuletzt Ende August für drei Monate. Sie läuft aus, wenn sie vom Bundestag nicht verlängert wird. Die "epidemische Lage" gibt Bundes- und Landesregierungen Befugnisse, um Verordnungen zu Corona-Maßnahmen oder zur Impfstoffbeschaffung zu erlassen.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass zentrale Schutzmaßnahmen auch nach deren Auslaufen fortgeführt werden. "Kein Bundesland wäre so verrückt, bei den derzeitigen Fallzahlen auf Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume zu verzichten oder die Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begraben", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, schlug vor, eine deutschlandweite Regelung für Geimpfte und Genesene (2G) in bestimmten Bereichen einzuführen. "Ich plädiere dafür, dass alle Bundesländer 2G ohne Maske und Abstand als Option für das Gastgewerbe, für den Sport und die Veranstaltungsbranche einführen." Das wäre ein guter Weg, um wieder mehr Normalität zulassen.
Für die nächste Zeit rechnet der Ärztepräsident mit erneut höheren Inzidenzen. "In den kommenden Wochen wird die Zahl der Corona-Infektionen sicherlich steigen", sagte Reinhardt. Grund zur Panik bestehe zum jetzigen Zeitpunkt angesichts der Impfquote und der Situation in den Krankenhäusern jedoch nicht. Wichtig sei, dass sich nun alle Erwachsenen gegen Corona impfen ließen, "die dies aus welchen Gründen auch immer bisher noch nicht getan haben".
Elternvertreter forderten eine Impfpflicht für Lehrkräfte. Diese müsse von der Bundesregierung "bundeseinheitlich gesetzlich festgeschrieben werden", sagte Ines Weber, Vorstandsmitglied des Bundeselternrats. Der Verband Bildung und Erziehung hatte allerdings schon im Juli darauf hingewiesen, dass die überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte geimpft sei.
Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, forderte die Abschaffung der regelmäßigen Corona-Tests an Schulen. "Wir brauchen die anlasslosen Corona-Massentests in Schulen nicht mehr." Denn Kinder erkrankten selten schwer an COVID-19. Der riesige logistische Aufwand der Schnell-Tests lohne sich nicht und führe nicht selten zu falschen Ergebnissen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wiederum verlangte zum Start des Wintersemesters an den Hochschulen, Studierenden und Beschäftigten kostenlose Corona-Tests und medizinische Schutzmasken anzubieten. Hygieneregeln, die das 3G-Prinzip einschlössen - also Zugang nur für Geimpfte, Getestete oder Genesene - seien weiterhin erforderlich, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller.