Für Japan und Deutschland ist es eine der größten wirtschaftspolitischen Herausforderungen: Die Überalterung der Gesellschaft. Die Nummer Drei und die Nummer Vier der Weltwirtschaft weisen ähnliche Altersstrukturen auf. In Japan ist bereits ein Viertel der Gesamtbevölkerung 65 Jahre alt oder älter, Tendenz steigend. In Deutschland ist jeder Fünfte 65 Jahre oder älter. Zugleich kämpft Japan mit einer niedrigen Geburtenrate. Die Folge: Seit einigen Jahren schrumpft die Bevölkerung. Dadurch wird die verstärkte Erwerbsbeteiligung der älteren Menschen beziehungsweise die Verlängerung des Arbeitslebens laut Experten dringend nötig. Japan sieht darin aber auch Chancen für die Wirtschaft – wovon deutsche Konzerne profitieren könnten.
Ein Unternehmen, das in Japans rasanter Überalterung der Gesellschaft Wachstumspotenzial für sich sieht, ist Bayer. “Japan ist ein bedeutender Markt für uns”, erklärt Professor Hanno Wild von Bayer Healthcare der Deutschen Presse-Agentur in Tokio. Schließlich ist Japan im innovativen Pharmabereich der zweitgrößte Markt der Welt. “Das interessante am japanischen Markt und der Gesellschaft ist, dass Innovation hier hoch angesehen ist und belohnt wird. Das sieht man an den zügigen Zulassungen und an der Preisgestaltung für neue und innovative Medikamente, die einen hohen medizinischen Nutzen haben”, so Wild.
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Bayer in Japan ein Wachstum von 9,2 Prozent und auch in diesem Jahr setze sich das starke Wachstum fort. Bis 2017 soll sich der Umsatz im Bereich Life Science auf rund 300 Milliarden Yen (2,2 Mrd Euro) belaufen. “Japan ist eines der Länder, in dem unser Geschäft am stärksten wächst”, erläutert Wild. Aus diesem Grund hat Bayer für die Jahre 2014 bis 2017 Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von 60 Milliarden Yen eingeplant. Zugleich setzt Konzern verstärkt auf Kooperationen.
Damit stößt Bayer in Japan zunehmend auf offene Ohren. “Es gibt vieles, was ausländische Unternehmen tun können”, erklärt Yuji Kuroiwa, Gouverneur der Tokioter Nachbarpräfektur Kanagawa, im Gespräch der mit der Deutschen Presse-Agentur. Seine Region dient dem Staat im Rahmen der “Abenomics” genannten Wirtschaftspolitik von Ministerpräsident Shinzo Abe als Sonderwirtschaftszone in diesem Bereich. Ziel sei es, die Menschen möglichst lange gesund zu halten, so Kuroiwa. Zumal Japan nach wie vor auf einer restriktiven Zuwanderungspolitik beharrt. Daran hat auch die aktuelle Flüchtlingskrise nichts geändert. Von rund 5000 Asylanträgen hat der fernöstliche Staat im vergangenen Jahr ganze elf genehmigt. Auch in Deutschland schrumpft die Bevölkerung – durch die starke Zuwanderung aber nicht ganz so stark wie von Experten befürchtet.
Nach Berechnungen des Staatlichen Instituts für Bevölkerung und Soziale Sicherheit in Japan wird sich der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in dem asiatischen Land bis 2035 auf 33,4 Prozent und bis 2060 auf 39,9 Prozent erhöhen. Dabei war Japan einst das Land mit der jüngsten Bevölkerung aller G7-Staaten, heute ist es das älteste. Kuroiwas Provinz kann ein Lied davon singen, hier verläuft die Alterung so schnell wie in keiner anderen Provinz.
Um gegenzusteuern, wird in Kanagawa unter anderem an der Entwicklung von Robotern gearbeitet. Es gehe darum, neue Märkte und Technologien im Gesundheitsbereich zu schaffen, erläutert Kuroiwa. Kooperationen mit ausländischen Unternehmen seien dabei willkommen. “Wir wollen ein weltweites Netzwerk aufbauen”, so der Gouverneur.
Diese zunehmende Bereitschaft Japans für Kooperationen will sich auch Bayer zunutze machen. So gründete der Konzern 2014 in Osaka das sogenannte “Bayer Open Innovation Center Japan” (ICJ), das dazu dienen soll, die Vernetzung mit Hochschulforschungszentren und Biotech-Unternehmen in Japan auszubauen und neue Möglichkeiten für gemeinsame Forschung und Partnerschaften zu schaffen. Mit der Universität Kyoto hat man bereits eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. “Wir sind noch ziemlich früh dabei”, erklärt Wild und sieht auch für andere deutsche Unternehmen Potenzial in Japan.
Text und Foto: dpa /fw