Ist der Hirntod ein “sicheres Todeszeichen”? Und reicht dies, um Organe entnehmen zu können? Der Deutsche Ethikrat versuchte am Dienstag in Berlin Orientierung in der Debatte um diesen sehr umstrittenen Grenzbereich zu geben. Doch auch in der Stellungnahme dieses hoch qualifizierten Beratergremiums zu “Hirntod und Entscheidung zur Organspende” spiegelte sich diese Unsicherheit teilweise wider.
Manche Wissenschaftler halten nämlich das Gehirn nicht für das einzige “integrierende Steuerungssystem” aller menschlichen Körperfunktionen. Sie gehen vielmehr davon aus, dass das Gehirn zwar das wichtigste Organ ist, dass es aber nicht unverzichtbar für das biologische Leben des menschlichen Körpers ist. Es gebe – mit technischer Unterstützung – auch andere Interaktionen im Körper, erläutert der Kölner Jurist Wolfram Höfling, Mitglied im Ethikrat, diese Position. Er verweist dabei unter anderem auf Berichte über hirntote Frauen, die ein Kind ausgetragen haben.
Dennoch waren sich alle 26 Gremiumsmitglieder grundsätzlich einig, dass am Hirntod als Voraussetzung für eine Organentnahme festzuhalten sei. Das entspricht den Vorgaben des geltenden Transplantationsgesetzes. Unabhängig davon aber taten sich Differenzen bei der Frage auf: Hat der Hirntod den Status des Lebens oder des Todes? Für die Mehrheit des Ethikrates ist er “ein sicheres Todeszeichen”. Eine Minderheit des Rates akzeptiert zwar auch den Hirntod als Kriterium, dass Organe entnommen werden können. Sie hält ihn aber eben nicht für den Tod des Menschen.
Diese Unsicherheit des Rates wäre kaum erwähnenswert, wenn sie nicht auch den potenziellen Organspender befallen könnte. Sicherlich gelten die Organspendenskandale in Göttingen, München, Berlin oder Bremen als Ursache für die Verunsicherung der Bevölkerung und den Rückgang der Spendenbereitschaft. Manipulationen bei der Verteilung der Spenderorgane sind das eine. Aber die Vorstellung, dass unmittelbar vor der Organentnahme, quasi bei aufgeschnittenem Bauch, Fehler bei der Feststellung des Hirntodes aufgedeckt werden, dürfte viele Spender noch mehr umtreiben.
Die Angst des Patienten vor einer Organentnahme aufgrund einer Fehldiagnose ist nicht einfach wegzuwischen. Die gegenwärtige Debatte wird möglicherweise zu sehr aus Sicht der Ärzte geführt, die, so die Hoffnung, als gut ausgebildete Mediziner in diesem Grenzbereich zwischen Leben und Tod die Grenze schon an der richtigen Stelle ziehen werden.
Auf die Gefühlslage des potenziellen Organspenders geht die Debatte nur wenig ein. Der sollte beruhigt, sollte aufgeklärt werden. Gelegentlich schwingt auch der Vorwurf mit: Warum spendest Du eigentlich keine Organe und rettest Leben? Da ist die Frage schon erlaubt: Und was ist mit mir? Wird für mich auch alles nur Erdenkliche getan – oder nur für meine Organe?
Der Ethikrat mahnt auch bei der Ärzteschaft eine intensivere Aufklärung über die Organspende an, angefangen beim persönlichen Gespräch mit den Angehörigen über die Aufklärung der Bevölkerung. “Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, seine individuelle Entscheidung zur Organspende auf der Grundlage hinreichender Informationen zu treffen. Dies gilt auch für die Frage, wann der Mensch tot ist.”
Der Ethikrat sieht auch weiteren gesetzlichen Klärungsbedarf. Bundesärztekammer und Bundesgesundheitsministerium sind gefordert, Grauzonen bei den Richtlinien für die Hirntoddiagnostik und bei der Organverteilung auszuräumen.
Text: dpa /fw