Landesweite Schulschließungen in Deutschland oder nicht? Noch gibt es keine bundesweite Entscheidung dazu. Die Kanzlerin empfiehlt in jedem Fall harte Maßnahmen für jeden Einzelnen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bevölkerung wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus zu drastischen Einschnitten aufgefordert. Wo immer möglich, sollten die Menschen auf Sozialkontakte verzichten, sagte die CDU-Politikerin am Abend des 12.03. nach Beratungen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin. Auch "alle nicht notwendigen" Veranstaltungen mit weniger als 1.000 Teilnehmenden sollten abgesagt werden. Details nannte sie nicht. Am 13.03. dürften wahrscheinlich weitere Veranstaltungen abgesagt werden. Mit Spannung erwarten Eltern auch die Entscheidung zahlreicher Bundesländer, ob bald in größerem Maß Schulen geschlossen werden.
Die vorübergehende Schließung von Kindergärten und Schulen etwa durch das Vorziehen der Osterferien sei eine Option, hatte Merkel gesagt. Eine bundesweite Schließung der Schulen beschlossen Bundesregierung und Ministerpräsidenten aber nicht. Unter anderem in Berlin, Niedersachsen, Bayern und NRW ist inzwischen bereits die Entscheidung gefallen, Schulen und Kitas ab dem 16.03. zu schließen.
Im Saarland sollen ebenfalls alle Schulen und Kindertageseinrichtungen bis Ende der Osterferien geschlossen bleiben. Dies geschehe aufgrund der Situation des Saarlandes als Grenzland zum Risikogebiet Grand Est in Frankreich, teilte die Staatskanzlei in der Nacht zum 13.03. mit. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es Beratungen des Kabinetts. Bei der Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag waren großflächige Schulschließungen zunächst nicht geplant worden. Die Konferenz schließe jedoch eine derartige Maßnahme nicht aus, sagte die Vorsitzende, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verwies wie zuvor schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) darauf, dass Eltern auch Betreuung für ihre Kinder bräuchten. Viele arbeiteten in der Pflege, bei der Feuerwehr oder im Gesundheitssystem.
Das Nachbarland Frankreich hat hingegen bereits derartige Maßnahmen angekündigt. "Ab Montag und bis auf Weiteres werden alle Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Universitäten geschlossen", kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Fernseh-Ansprache an. "Diese Epidemie ist die schlimmste Gesundheitskrise in Frankreich seit einem Jahrhundert", betonte Macron.
Belgien schließt wegen des Virus alle Cafés, Restaurants und Diskotheken. Die Schulen stellen den Unterricht ein, alle Sport- und Kulturveranstaltungen werden abgesagt, wie Ministerpräsidentin Sophie Wilmès nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates am späten Donnerstagabend in Brüssel sagte.
Um die Krankenhäuser für Corona-Patientinnen und -Patienten in Deutschland freizuhalten, sollen nach dem Willen von Bund und Ländern alle planbaren Operationen, Aufnahmen und Eingriffe verschoben werden. Dies solle soweit medizinisch vertretbar für unbestimmte Zeit gelten, heißt es in einem Beschluss von Bundesregierung und den Ministerpräsidenten. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagte, die gesamten Krankenhauslandschaft müsse so umgestellt werden, dass genügend Intensivbetten zur Verfügung stehen. "Es darf auf keinen Fall dazu führen, dass wir wie in Italien und anderswo in die Situation kommen, dass in den Krankenhäusern Entscheidungen getroffen werden müssen, welcher Patient in welchem Alter behandelt wird."
Unterdessen schlossen weitere Länder faktisch ihre Grenzen, so zum Beispiel Tschechien. Betroffen davon sind auch Deutsche, die keinen festen Wohnsitz in dem EU-Mitgliedstaat haben. Der internationale Bahn- und Fernbusverkehr in die genannten Länder wird eingestellt.
In Deutschland sind bislang mehr als 2.400 Infektionen mit dem neuen Coronavirus bekannt. Das geht aus einer Auswertung hervor, die die gemeldeten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt. Am Donnerstagabend wurde der sechste Coronavirus-Todesfall in Deutschland gemeldet - es ist der dritte im besonders betroffenen Kreis Heinsberg. Die Todesopfer in Deutschland sind zwischen 67 bis 89 Jahre alt.
Gravierende Spuren werde die Epidemie auch im Wirtschaftssystem haben, sagte Merkel. "Das ist eine unbekannte Herausforderung für uns", sagte Merkel. "Wir sind in einer Situation, die außergewöhnlich ist in jeder Beziehung, und zwar, ich würde sagen außergewöhnlicher als zu der Zeit der Bankenkrise".
Nach der Europäischen Zentralbank (EZB) will auch die EU-Kommission Konjunkturhilfen in der Coronavirus-Krise vorschlagen. Es geht zum einen darum, die EU-Regeln für staatliche Schulden, Defizite und Beihilfen großzügig auszulegen, damit EU-Staaten geschädigten Firmen und Branchen unter die Arme greifen können. Zum anderen will die Kommission Investitionen, Liquiditätshilfen für Banken und billige Kredite für Unternehmen ermöglichen. Darüber hinaus wird eine Einschätzung erwartet, wie stark die Epidemie die europäische Wirtschaft schädigen könnte.
Bund und Länder wollen nach den Worten von Bayerns Ministerpräsident Söder eine Wirtschaftskrise in Deutschland als Folge des Coronavirus verhindern. "Wir werden alles tun, was notwendig ist, um die wirtschaftliche Stabilität zu erhalten", sagte Söder am Abend des 12.03. in Berlin. Die Erhöhung von Liquiditätshilfen sei "zentral". Deutschland sei ein reiches Land. Eine "tiefe Rezession" solle vermieden werden. Der Bundestag will im Schnellverfahren Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschließen.
Die München Klinik Schwabing will ein experimentelles Ebola-Mittel an COVID-19-Patienten testen. Das Medikament Remdesivir hemmt die Vervielfältigung des Erbguts von sogenannten RNA-Viren, zu denen auch das neuartige Coronavirus gehört. An der klinischen Studie des US-Pharmakonzerns Gilead wollen demnach auch die Universitätskliniken Hamburg und Düsseldorf teilnehmen. In China und den USA laufen bereits Studien mit dem Mittel.
Nach einem Coronavirus-Fall bei McLaren wurde das Auftaktrennen in der Formel 1 in Australien abgesagt. Die nordamerikanische Basketball-Liga NBA unterbrach ihre Saison nach einem positiven Test bei einem Spieler des NBA-Clubs Utah Jazz.
Unterdessen wurde bei den Vereinten Nationen in New York ein erster nachgewiesener Fall des neuartigen Coronavirus bekannt. Eine philippinische Diplomatin wurde positiv getestet, wie aus einem internen Brief der UN-Mission hervorging.
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