Die SPD will durch eine Bürgerversicherung der Trennung in gesetzlicher und privater Krankenversicherung entgegenwirken. Privatversicherte sollen sich gesetzlich versichern lassen können, Neuversicherte sollen grundsätzlich in die Bürgerversicherung. Welche Stellung hat Deutschlands derzeitiges duales Krankenversicherungssystem im internationalen Vergleich?
Deutschland hat mit der Trennung von gesetzlich und privat europaweit eine Sonderstellung. Rund 11 Prozent der Bevölkerung sind privat versichert, mit rund 85 Prozent vor allem der Großteil der Beamten. Die Gesundheitssysteme der übrigen europäischen Länder sind nach einheitlichen Finanzierungsregeln organisiert. In Spanien bestehen für bestimmte Gruppen Selbstständiger Opt-Out-Möglichkeiten für den Ausstieg aus dem Einheitssystem sowie Sonderregeln für Beamte.
Prinzipiell gibt es in den anderen Ländern zwei unterschiedliche Ausrichtungen der Gesundheitsfinanzierung: eine steuerfinanzierte Basisabsicherung und die beitragsfinanzierte Versicherung. In der Realität dominieren heute Mischformen. Hauptsächlich über Steuern ist das Gesundheitssystem in Großbritannien mit seinem Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) organisiert, ferner gilt dies auch für die Systeme in Irland, Dänemark, Finnland, Island, Italien, Norwegen, Portugal, Schweden und Spanien. Eine zentrale staatliche Steuerung der Versorgung gibt es dabei in Großbritannien und Irland.
Bei den beitragsfinanzierten Systemen lassen sich Länder mit Einheitskasse, verschiedenen Krankenkassen ohne freie Kassenwahl sowie mit freier Wahl unterschieden. In Österreich zum Beispiel sind die Erwerbstätigen automatisch und verpflichtend versichert, auch Spitzenverdiener, Selbstständige und Beamte. Eine freie Wahl der Krankenkassen gibt es nicht, auch keinen Wettbewerb zwischen den Kassen. Die Verwaltungskosten der Kassen liegen hier bei rund der Hälfte derer in Deutschland. Die Wahl zwischen Kassen haben die Versicherten außer in Deutschland in den Niederlanden, der Schweiz, Tschechien und der Slowakei.
Die steuerfinanzierten, staatlichen Versorgungsnetze von Arztpraxen und Krankenhäusern, zu denen alle Einwohner Zugang haben, haben ihre Wurzeln in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Versicherungen mit Sozialabgaben der Versicherten und ihrer Arbeitgeber haben ihren Ursprung in der in Deutschland von Otto von Bismarck 1883 eingeführten Gesetzlichen Krankenversicherung. Für Arbeiter gab es fortan eine Versicherungspflicht. Andere, etwa Lehrer und Beamte, wurden angeregt, sich ebenfalls abzusichern - die private Krankenversicherung entwickelte sich.
Eine Trennung in privater und gesetzlicher Krankenversicherung gab es bis 2006 auch in den Niederlanden. Heute beschränkt sich das Geschäftsmodell der privaten Versicherungen in den anderen Ländern auf Zusatz- und Ergänzungsversicherungen.