Was wissen Frauen tatsächlich über Verhütung und was glauben Gynäkologen, was ihre Patientinnen wissen, wie gut sie informiert sind und was sie möchten? Dass dazwischen bisweilen Welten liegen zeigen die Ergebnisse der TANCO-Studie (Think About Needs in Contraception). Auf dem 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) in Stuttgart stellte PD Dr. Patricia Oppelt, Funktionsoberärztin in der Frauenklinik der Universität Erlangen, jetzt die Studienresultate und die sich daraus ergebenden praktischen Konsequenzen vor.
In die weltweit größte Versorgungsstudie wurden sowohl Patientinnen als auch Gynäkologen eingeschlossen. Im Zeitraum 11. Mai bis 9. November 2015 wurden 18 521 Patientinnen und 1089 Gynäkologen befragt. Das durchschnittliche Alter der befragten Frauen lag bei 29 Jahren. 15% der Befragten befanden sich am Anfang und 15% am Ende ihrer Verhütungskarriere. Die Frauen wurden nach der verwendeten Verhütungsmethode gefragt, nach ihrem Wissensstand und Informationsbedürfnis, ihrem Interesse an langwirksamen Methoden der Empfängnisverhütung und ihrer Einschätzung von Qualität und Umfang der Verhütungsberatung in Deutschland. Die Gynäkologen wurden befragt, wie sie das Informationsbedürfnis, den Wissensstand und die Zufriedenheit ihrer Patientinnen und wie sie Qualität der Verhütungsberatung einschätzten.
“Erster Ansprechpartner für die Wahl der Verhütung war bei 82 Prozent der Patientinnen altersunabhängig der Gynäkologe”, berichtete Oppelt. Wie ausführlich und gut die Beratung ist – das schätzen Frauen und Ärzte recht unterschiedlich ein. Geben 52% der befragten Gynäkologen an über die östrogenfreie Pille ausführlich informiert zu haben, geben nur 13% der befragten Frauen an ausführlich informiert worden zu sein. Beim Verhütungsring und der Kupferspirale sieht das ähnlich aus: 53% vs 9% bzw. 40% vs 10%. Und während sich 41% der Frauen häufigere und ausführlichere Informationen über Verhütungsmethoden wünschen, glauben Gynäkologen hingegen, dass das nur von 21% der Frauen gewollt wird.
Mit weitem Abstand ist die Kombinationspille mit 56% die häufigste Verhütungsmethode, gefolgt vom Kondom (9%) und der Hormonspirale (6%). Mehr als die Hälfte aller Frauen hat vor der aktuell benutzten Methode schon einmal eine andere Verhütungsmethode verwendet und zu über 50% waren das Kombinationspillen.
Die Befragung zeigt, dass die Frauen – unabhängig von der Verhütungsmethode – auf eine hohe Verhütungssicherheit Wert legen. Wichtig ist vielen Frauen auch der Aspekt ‘keine Wechselwirkungen’. “Erstaunlich ist allerdings, dass Frauen die systemisch verhüten genauso häufig keine Wechselwirkungen wünschen oder erwarten wie Frauen, die lokal verhüten”, so Oppelt. Auffällig sei auch, dass 62% der Frauen, die einen Verhütungsring nutzen, sich eine “möglichst geringe Hormondosis” wünschen. Das lege doch die Frage nahe, ob es um das Verhütungswissen vieler Patientinnen tatsächlich so gut bestellt sei. Jedenfalls sei zu vermuten, dass bei einigen Frauen Wissensdefizite bestünden. Insgesamt ist das Wissen zur Wirkweise der einzelnen Verhütungsmethoden eher lückenhaft, so Oppelts Einschätzung. Der eigene Wissensstand wird von den befragten Frauen meist weit überschätzt und auch die befragten Ärzte glauben ihre Patientinnen informierter, als diese das tatsächlich sind.
Mehr als die Hälfte der Pillenanwenderinnen nehmen die Pille konsequent und regelgerecht ein. “Aber 47 Prozent nehmen ihre Pille nicht regelmäßig ein, davon geben elf Prozent an, die Pille ‘häufig zu vergessen'”, so Oppelt.
Die befragten Gynäkologen schätzen die Compliance ihrer Patientinnen deutlich besser ein: Sie gehen davon aus, dass 66 % der Patientinnen die Pille korrekt einnehmen. “Die mangelnde Compliance ist dabei über alle Altersklassen gleich schlecht verteilt, es ist also nicht so, dass es hinsichtlich des korrekten Einnehmens einen Lerneffekt gäbe”, so Oppelt. In der Befragung schätzen Gynäkologen, dass 28% der Pillenanwenderinnen die Einnahme lästig finden. Von den einnehmenden Frauen geben das aber nur 11% (Kombinationspille) und 10% (östrogenfreie Pille) an. Die Einschätzung “lästig” oder “nicht lästig” scheint für die schlechte Compliance bei der Pillen-Einnahme wohl nicht verantwortlich zu sein.
49% der Frauen wünschen sich mehr Informationen zur Langzeitverhütung, die Gynäkologen schätzen hingegen diesen Anteil auf 25%. Für 60% der Frauen wäre Langzeitverhütung eine Option (wenn sie mehr Informationen dazu erhalten würden), die Gynäkologen verorten diesen Anteil hingegen bei nur 18%. “Gerade die jungen Frauen, die die am Anfang ihrer Verhütungskarriere stehen haben ein sehr großes Interesse an Langzeitverhütung. Es ist also nicht so wie wir Gynäkologen oft denken, dass an Langzeitverhütung eher ältere Frauen interessiert sind”, stellt Oppelt klar. Vielmehr gilt: Je jünger die Frau desto größer der Wunsch nach einer sicheren Verhütungsmethode.
“Wir überschätzen die Compliance der Frauen und das Wissen über Verhütungsmethoden und unterschätzen deutlich das Informationsbedürfnis der Frauen zum Thema Verhütung”, fasste Oppelt zusammen. Sie empfiehlt, gezielt Beratungsgespräche über Verhütung anzubieten um dem Informationsbedürfnis entgegen zu kommen. “Auch die Akzeptanz der Patientinnen bezüglich einer Langzeitverhütung wird von uns Gynäkologen weiterhin stark unterschätzt”. Notwendig ist aus ihrer Sicht auch, Frauen explizit nach Complianceproblemen bei der Pille zu fragen.
Quelle:
61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGGG) Messe Stuttgart ICS 19. bis 22. Oktober 2016
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Kontrazeption: Was ist aus Arzt-und was aus Patientinnensicht relevant?