Die sektorale Trennung der medizinischen Versorgung in Deutschland ist ein Anachronismus, der zu erheblichen Reibungsverlusten und damit zur Verschwendung knapper Ressourcen führt. Das wird den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft mit steigender Multimorbidität, insbesondere bei internistischen Erkrankungen nicht mehr gerecht, kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Professor Markus Lerch, am 17.02. bei der Jahrespressekonferenz in Berlin.
Das habe erhebliche Effizienzverluste zur Folge, denn pro Kopf der Bevölkerung arbeiten in Deutschland zwei- bis dreimal so viele Ärzte, fühlen sich aber tendenziell überlastet. Beispiele zeigten, dass die strikte Trennung ambulanter und stationärer Medizin zur Unterversorgung führen kann. Lerch benennt hierzu konkret den Fall Hersbruck in Franken: Wegen Unwirtschaftlichkeit habe das örtliche Krankenhaus der Grundversorgung mit 60 Betten und drei Fachabteilungen geschlossen werden müssen. Dies habe jedoch nicht dazu geführt, dass niedergelassene Ärzte die entstandene Versorgungslücke hätten füllen können. Vielmehr hätten sechs Vertragsärzte ihren Praxissitz an den Ort der nächstgelegenen Klinik verlegt, eine Praxis sei geschlossen worden. Der DGIM-Generalsekretär Prof. Georg Ertl sieht darin einen Beleg dafür, dass beide Leistungsbereiche sich gegenseitig brauchen, aber aufgrund der Rahmenbedingungen keine verzahnte Versorgung zustande bringen.
Ursächlich dafür sei auch, dass das Vergütungssystem für die ambulante Versorgung Vorhaltekosten für die Versorgung von komplexeren und risikobehafteten Krankheitsfällen nicht abbilde – und insofern Vertragsärzte im Regelfall die Leistungen eines Krankenhauses nicht ersetzen können.
Hinzu komme, dass sich der Grad der Digitalisierung in komplett unterschiedliche Richtungen entwickele und einen Informationsaustausch, beispielweise über eine einheitliche digitale Krankenakte, bislang verhindere.
Lerch warnt: "Wenn es in den nächsten Jahren nicht zu einer Integration über die Sektorengrenzen hinweg kommt, so wird die Schere zwischen dem Anspruch an Versorgungssicherheit und finanzierbaren Budgets immer größer." Notwendig sei eine konsequente Ambulantisierung stationärer Medizin: Die Zulassung von Kliniken für ambulante Eingriffe mit höheren Erstattungsbeträgen zur Abdeckung von Vorhaltekosten für erhöhte Risiken und Nachüberwachung einerseits und die Umwandlung unwirtschaftlicher Kliniken in intersektorale Versorgungszentren, die auch für niedergelassene Ärzte attraktive Arbeitsbedingungen schaffen.
Gerade für die Innere Medizin sei die Überwindung von Sektorengrenzen ausschlaggebend für Qualität und Versorgungssicherheit, so DGIM-Generalsekretär Professor Georg Ertl. Multimorbide ältere Patienten, oft mit mehreren internistischen Erkrankungen benötigten Behandlungen und Betreuung durch ihren Hausarzt, niedergelassene Fachärzte und gegebenenfalls auch in Krankenhäusern. Als Lösungsmöglichkeiten nennt Ertl: die elektronische Patientenakte, regionale Vernetzung und deren Förderung und Sicherstellung durch Regionalbudgets sowie die Bildung von regionalen Versorgungszentren unter Einbeziehung niedergelassener Ärzte, auch zur Versorgung von pflegebedürftigen Menschen.
Ein weiteres Sorgenkind der DGIM ist die fehlende Förderung der internistischen Weiterbildung als Basis der zukünftigen primärärztlichen Versorgung durch hausärztlich tätige Internisten. Diese Gruppe übernehme etwa ein Drittel der Arbeitslast in der hausärztlichen Versorgung, so Dr. Marcel Schorlepp, Sprecher der DGIM-Arbeitsgruppe Hausärztliche Internisten. Anders als in der Allgemeinmedizin, in der seit 2015 mindestens 7.500 Weiterbildungsstellen gefördert werden sollen, gibt es für Weiterbildungsassistenten in der Inneren Medizin nur sehr begrenzt Zuschüsse.