Mitochondriale Erkrankungen bilden eine sehr heterogene Gruppe von komplexen Krankheitsbildern. In den meisten Fällen liegt ein multisystemischer Charakter vor. Mitochondriopathien gelten als seltene Erkrankungen.
Die erblichen Optikusneuropathien stellen eine heterogene Erkrankungsgruppe dar, die sich durch die Degeneration von retinalen Ganglienzellen auszeichnet. Ihnen liegt ein Defekt im mitochondrialen Energiestoffwechsel zugrunde. Zu den genetisch bedingten Optikusneuropathien zählen die Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) und die autosomal-dominante optische Atrophie (DOA). Abhängig von der Kausalität unterscheiden Experten von den genetisch bedingten Optikusneuropathien die malnutritiven und toxischen Optikusneuropathien. Ein nutritiver Mangel an Vitamin B12 und Folsäure kann in einer mitochondrialen Dysfunktion und schlussendlich in einer Optikusneuropathie resultieren. Toxische Optikusneuropathien können u. a. durch Medikamente wie Ethambutol und Linezolid verursacht werden.
Mitochondriale Dysfunktionen können zu gravierenden afferenten und efferenten ophthalmologischen Erkrankungen führen. Die klinischen Charakteristika sind eine Farbsinnstörung, bilaterale symmetrische Visusverluste, zentrale Gesichtsfelddefekte, Nervenfaserverluste im Bereich des papillomakulären Bündels sowie eine temporal betonte Papillenblässe.
Sind Muskelzellen betroffen, wird von einer mitochondrialen Myopathie gesprochen. Diese kann mit einer belastungsabhängigen, aber auch mit einer andauernden Muskelschwäche einhergehen. Durch das ubiquitäre Vorkommen der Mitochondrien im menschlichen Körper handelt es sich oft um Multisystemerkrankungen mit Beteiligung verschiedener Organsysteme. Mitochondriale Dysfunktionen können mit Störungen des Innenohrs, des Auges, des Magen-Darm-Traktes, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse einhergehen. Zum Symptomenkomplex dieser Multisystemerkrankungen gehören Muskelschmerzen, eine Erhöhung der Creatininkinase sowie Rhabdomyolysen.
Die entscheidenden Symptome betreffen das Erkrankungsalter, die Zeitkinetik der Sehstörung, den Visus sowie das Vorhandensein einer Schmerzsymptomatik. Erbliche Optikusneuropathien manifestieren sich meistens in der ersten Lebenshälfte. Hierdurch ist eine Abgrenzung zu einem Optikusinfarkt, der vor allem in der zweiten Lebenshälfte auftritt, möglich. Die Optikusneuritis geht mit einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik einher und unterscheidet sich dadurch von den hereditären Optikusneuropathien. Wichtige klinische Zeichen sind Veränderungen der Sehschärfe, perimetrische Einschränkungen sowie Fundusveränderungen.
Die DOA besitzt eine Prävalenz von 1:50.000. Der mittlere Visus liegt bei 0,15 und das Gesichtsfeld der Patienten ist meist gut erhalten. Im Gegensatz zur LHON zeigt sich bei der DOA keine Spontanerholung. In der Fundusbeurteilung ist eine kleine Papille mit temporal betonten/diffusen Atrophiezonen erkennbar. Liegt zusätzlich zu den ophthalmologischen Symptomen ein Hörverlust, eine Ataxie oder eine chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO) vor, wird diese als DOA plus bezeichnet. Über 110 verschiedene Mutationen des OPA1-Gens können zum klinischen Bild der DOA führen. Bei einer Mutation des OPA3-Gens geht die DOA mit einer Katarakt einher.
Die LHON hat eine Prävalenz von 1:40.000 und zeigt abhängig von der jeweils vorliegenden Mutation Spontanerholungsraten von 5-50 Prozent. In 25 Prozent der Erkrankungsfälle sind beide Augen simultan betroffen. Betrachtet man den Fundus, so ist im Akutstadium eine leichte bis mäßige Papillenschwellung erkennbar. In der Fluoreszenzangiographie zeigt sich keine Exsudation. Bei Vorliegen von Multiple Sklerose-ähnlichen Symptomen wird sie als LHON plus bezeichnet. Im klinischen Alltag ist eine differentialdiagnostische Abgrenzung zur dolenten Optikusneuritis essenziell.
Die bisherigen Therapieoptionen der LHON bestanden in der Vermeidung von Risikofaktoren. Der schwerwiegendste Risikofaktor ist und bleibt der Nikotinkonsum, gefolgt von Alkoholexzessen und jeglichem Drogenabusus. Symptomatisch stehen für die Behandlung von Patienten mit Mitochondriopathien akustische sowie Sehhilfen zur Verfügung.
Die LHON besitzt eine asymptomatische, eine subakute, eine dynamische sowie eine chronische Erkrankungsphase. In der asymptomatischen Phase liegt lediglich eine Mutation der mitochondrialen DNA vor. Durch den Einfluss sekundärer Faktoren, wie z. B. dem Nikotinkonsum, kann es zur Manifestation von Symptomen kommen. Als Resultat zeigt sich in der subakuten Phase eine mitochondriale Dysfunktion. Die mitochondriale Dysfunktion führt zu einer funktionellen Beeinträchtigung der retinalen Ganglienzellen. Der Patient kann in dieser Phase durch eine Visusminderung symptomatisch werden. Die funktionelle Beeinträchtigung ist in dieser Krankheitsphase prinzipiell reversibel. Dies zeigt sich in der Spontanremissionsrate der subakuten Phase. Eine medikamentöse Therapie setzt sich in diesem Krankheitsstadium zum Ziel, die Spontanremission zu fördern. In der chronischen Krankheitsphase kommt es durch Apoptose zu einem anatomischen Verlust retinaler Ganglienzellen. Der Visusverlust in diesem Krankheitsstadium ist irreversibel.
Die therapeutischen Ziele sind daher ein früher Therapiebeginn zur Stabilisierung eines guten Residualvisus sowie die Herbeiführung einer Visuserholung. Dazu wurde der Wirkstoff Idebenon vorgestellt, der zur Therapie der LHON entwickelt wurde. Auf molekularer Basis stellt Idebenon nach seiner Diffusion in die Mitochondrien die mitochondriale Funktion in den retinalen Ganglienzellen wieder her. Der Wirkstoff fungiert als Elektronen-Shuttle und reaktiviert die Protonenpumpe sowie die ATP-Produktion. Idebenon ist ein sehr potentes mitochondriales Antioxidans. Der Wirkstoff kann Elektronen vom zytoplasmatischem NAD(P)H auf den Komplex III der Atmungskette übertragen und fungiert somit als Bypass bei Komplex-I-Defekten. Das Resultat ist eine Verbesserung der ATP-Produktion und damit der Energiegewinnung der erkrankten Zelle.