Im Skandal um verunreinigte Blutdrucksenker ist nun ein weiterer möglicherweise krebserregender Stoff in den Medikamenten nachgewiesen worden. Die Europäische Arzneimittel-Agentur hält das Risiko dennoch bisher für gering.
Im Skandal um verunreinigte Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Valsartan geht die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) von einem geringen Krebsrisiko für Patienten aus. Wer ein betroffenes Präparat in der höchsten Dosierung von 320 Milligramm täglich von Juli 2012 bis Juli 2018 genommen habe, habe dadurch ein Lebenszeit-Krebsrisiko von etwa 1 zu 5000, teilte die Londoner Behörde am Donnerstag auf ihrer Internetseite mit. Bei geringerer Dosierung oder kürzerer Einnahme sei die Gefährdung noch kleiner.
Diese Einschätzung wird der EMA zufolge gestützt von einer dänischen Studie, die mehr als 5000 Patienten untersuchte, die das Medikament im Schnitt viereinhalb Jahre lang genommen hatten. Die Blutdrucksenker waren bei der Herstellung durch das chinesische Unternehmen Zhejiang Huahai Pharmaceutical mit dem Stoff N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt worden, der als potenziell krebserregend gilt. Die Risikobewertung der EMA beruht auf den durchschnittlichen Mengen des Stoffes, die in den Chargen des Herstellers gefunden wurden.
Neben NDMA wurde inzwischen noch eine weitere unerwünschte Substanz in den Medikamenten des chinesischen Herstellers gefunden. Wie die EMA und ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn mitteilten, handelt es sich um N-Nitrosodiethylamin (NDEA), das ebenfalls zu den Nitrosaminen gehört. Der Stoff werde als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Die EMA nimmt daher nun auch diesen Stoff in ihr Risikobewertungsverfahren auf. Wie viel NDEA in den Medikamenten war, ist bislang nicht bekannt.
Auch das Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) des Pharmazeuten und Dopingexperten Fritz Sörgel im fränkischen Heroldsberg hat die Blutdrucksenker analysiert und darin Verunreinigungen mit NDEA festgestellt. "Wir haben jetzt etwa 40 verschiedene Präparate untersucht", teilte Sörgel mit. "Die Frage nach dem NDEA erschien uns deswegen wichtig, schnell zu kommunizieren, weil diese Substanz ja als kanzerogener gilt als NDMA."
Erst wenn alle Untersuchungen abgeschlossen seien, werde sein Institut einen Forschungsbericht dazu erstellen. Zuerst hatte die Welt über die Erkenntnisse berichtet. Ihm sei es darum gegangen, die Patienten zu informieren, sagte Sörgel. "Sie müssen ja jahrelang damit leben." Die Untersuchungen seines Instituts zeigten, "dass wir nicht alles verstehen, was beim Hersteller gelaufen ist".
Valsartan ist ein häufig verschriebenes Arzneimittel: Wie ähnliche Substanzen weitet es die Blutgefäße und senkt so den Blutdruck. Es wird auch bei Patienten mit Herzschwäche oder nach einem Herzinfarkt eingesetzt. Nach einer Schätzung der Bundesregierung könnten im vergangenen Jahr etwa 900.000 Patienten das verunreinigte Mittel eingenommen haben. Anfang Juli hatten Aufsichtsbehörden in Europa einen Vertriebsstopp und vorsorglichen Rückruf angeordnet.
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