Die im letzten Jahr im New England Journal of Medicine publizierte EMPA-REG-OUTCOME-Studie1 schlägt immer noch hohe Wellen. Als erstes Antidiabetikum seit Metformin hat der SGLT2-Hemmer Empagliflozin zeigen können, dass er das kardiovaskuläre Risiko signifikant senkt – und zwar erheblich. Was bedeutet das nun für den Einsatz von Empagliflozin in der Praxis? Das wollen wir im heutigen Beitrag kurz beleuchten.
Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie
Ursprünglich war die EMPA-REG-OUTCOME-Studie vor allem dazu gedacht, wie von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gefordert, den Nachweis für die kardiovaskuläre Sicherheit des SGLT2-Inhibitors Empagliflozin zu erbringen.
Über 7.000 Patienten wurden entweder auf Empagliflozin in den beiden Dosierungen 10 mg oder 25 mg oder auf Plazebo randomisiert – zusätzlich zur Standardtherapie. Nahezu alle Teilnehmer wiesen ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil bzw. eine entsprechende Vorerkrankung auf. Etwa die Hälfte hatte zuvor bereits einen Herzinfarkt durchlebt, 10% litten an einer Herzinsuffizienz.
Als primärer Endpunkt der dreijährigen Studie war zuvor ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis festgelegt worden:
Dabei stellte sich heraus, dass das Antidiabetikum Empagliflozin das kardiovaskuläre Risko nicht nur nicht erhöht, sondern überraschend deutlich senkt: den primären Studienendpunkt um 14% (relative Risikoreduktion; absolut: 10,5 vs. 12,1%), die kardiovaskuläre Mortalität um 38% (3,7 vs. 5,9%), die Gesamtmortalität um 32% (5,7 vs. 8,3%) und die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz um 35% (2,7 vs. 4,1%).
Einer von drei kardiovaskulären Todesfällen verhindert
Ganz konkret für den Praxisalltag bedeutet das, dass durch die Einnahme von Empagliflozin mehr als einer von drei kardiovaskulären Todesfällen verhindert werden konnte. Um das besser einordnen zu können, ist die „Number needed to treat“ anderer Medikamente hilfreich. Also die Zahl der Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, die behandelt werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern:
Mittlerweile erstreckt sich die Erfolgsstory der Empagliflozin-Studie auch noch auf mikrovaskuläre Endpunkte, hauptsächlich getrieben durch eine 39%ige relative Risikoreduktion (RRR) der Inzidenz oder Progression von Nierenerkrankungen. Für schwerwiegende Endpunkte (Verdopplung des Serum-Kreatinins, Initiierung einer Nierenersatztherapie oder nephropathische Mortalität) fiel der RRR-Effekt mit 56% noch stärker aus.
Schnelle Aufnahme in die Leitlinien
Das sind viele Zahlen auf einmal, aber sie sind in diesem Fall nun mal das Entscheidende und der Grund dafür, weshalb viele Experten diese Studie für so therapierelevant halten. Entsprechend zügig sind Hinweise auf deren Ergebnisse und den Einsatz von Empagliflozin in nationale und internationale Leitlinien aufgenommen worden: in Deutschland im Oktober 20154, in den USA im Januar 20165, in Kanada im März 20166 und auf europäischer Ebene im Mai 20167.
Auf welchen Wirkmechanismen beruhen denn nun diese überraschend erfreulichen Effekte, die bisher nur für Empagliflozin und keine anderen SGLT2-Hemmer belegt sind? Hierüber kann bis jetzt nur spekuliert werden1. Auffallend ist der relativ kurze Zeitraum, in dem sich die Unterschiede zur Plazebogruppe bemerkbar machten. Zusammen mit der Konstanz des Nutzen-Niveaus im weiteren Verlauf spricht das eher für hämodynamische und funktionelle denn für antiatherogene Effekte.
Mix von günstigen Effekten
Zu dem vermutlich „multidimensionalen“ Geschehen tragen sicherlich die günstigen Effekte bei, die die SGLT2-Inhibition auch für die therapeutische Praxis attraktiv machen. Dazu zählen neben der Blutzuckersenkung die Abnahme von Sympathikotonus, Harnsäurespiegel, Albuminurie, Körpergewicht, Blutdruck und Triglyzeriden bei gleichzeitigem Anstieg des HDL-Cholesterins. Als günstig ist ferner die natriuretische Wirkung einzuschätzen. Herzfunktion und kardialer Sauerstoffbedarf werden positiv beeinflusst.
Welche Erkenntnisse bietet die Studie bezüglich dem Nebenwirkungsprofil? Das Risiko für Genitalinfektionen war wie zu erwarten erhöht. Ansonsten waren kaum Unterschiede zwischen Empagliflozin und Plazebo zu verzeichnen.
Beträchtlicher Zusatznutzen attestiert
Im praktischen Alltag gilt für Ärzte und Patienten üblicherweise: Wer heilt, hat Recht. Von Heilung zu reden, wäre in diesem Fall zwar übertrieben. Einen therapeutischen Fortschritt anzuerkennen, scheint aber durchaus angemessen. Wie sehen das unsere obersten Erstattungsentscheider?
Offenbar ähnlich. Anders als das – in fast schon gewohnter Manier – negativ urteilende IQWiG, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den neuen Studiendaten einen beträchtlichen Zusatznutzen durch Empagliflozin für Menschen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulärer Vorerkrankung erkannt. Und zwar für vier verschiedene Behandlungssituationen (im Vergleich zur „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ und jeweils in Kombination mit einer weiteren Medikation zur Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren):
Und wie sind Ihre Praxiserfahrungen mit dem SGLT2-Hemmer? Über Kommentare würden wir uns freuen.
Referenzen: