Die neue Leitlinie entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) und der Interdisziplinären Arbeitsgruppe BlasenCarcinom (IABC) sowie unter Beteiligung von insgesamt 31 Fachgesellschaften. Sie gründet auf einer sorgfältigen systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung der wissenschaftlichen Belege zu den relevanten klinischen Fragestellungen sowie einem Expertenkonsens. Die Leitlinie Harnblasenkarzinom füllt eine große Lücke, denn bislang gab es für diese Tumorentität keine hochwertigen nationalen Leitlinien.
Die Aussagen zur Epidemiologie basieren auf einem gemeinsamen Expertenkonsens. Demnach tritt das Harnblasenkarzinom bei Männern häufiger auf als bei Frauen. Harnblasenkrebs ist vor allem eine Krankheit des höheren Alters; bei Männern im Mittel 73 Jahre, bei Frauen etwa 75 Jahre. Weltweit sind überwiegend die Industrieländer betroffen, in Europa gibt es ein Süd-Nord-Gefälle. Während die südeuropäischen Staaten hohe Blasenkrebs-Inzidenzen zeigen, sinkt die Häufigkeit auf dem Weg in die nördlichen Regionen.
Die genaue(n) Ursache(n) für die Entstehung des Blasenkrebses sind nach wie vor weitestgehend unbekannt. Dennoch gibt es einige mögliche Kandidaten, wie z. B langjähriges Rauchen oder bestimmte aromatische Amine, für deren Beteiligung an der Krebsentstehung ein starker Konsens herrscht. Ein direkter Zusammenhang besteht demzufolge zwischen einem hohen Tabakkonsum (> 30 Zigaretten/Tag über 40 Jahre hinweg) und dem Risiko für die Karzinomentwicklung. Ähnlich gesicherte Aussagen betreffen das Zytostatikum Cyclophosphamid, welches ebenfalls das Krebsrisiko in der Blase erhöht. Doch auch andere Substanzen, wie z. B. die aromatischen Amine, wirken in der Harnblase kanzerogen. Allerdings sind nicht alle der fünf Risikogruppen, in die sich die aromatischen Amine einteilen lassen, gleichermaßen gefährlich. Lediglich die Gruppe 1 (z. B. Benzidin und seine Salze) und die Gruppe 2 (z. B. p-Chloranilin, u. a.) stellen ein berufliches Expositionsrisiko dar. Dies führte dazu, dass das Blasenkarzinom infolge eines regelmäßigen beruflichen Umgangs mit diesen aromatischen Aminen als Berufskrankheit anerkannt wurde. Problem dabei ist jedoch, dass die heutigen Arbeitsplatzkonzentrationen dieser Substanzen deutlich geringer sind als in der Vergangenheit, und dass zwischen Exposition und Tumordiagnose bis zu 38 Jahre vergehen können. Daneben spielen chronische Blasenentzündungen und Bestrahlungen eine Rolle bei der Krebsentstehung.
Interessanterweise besteht im Expertenkonsens kein Zusammenhang zwischen der Ernährungsweise und dem Harnblasenkarzinom sowie zwischen einer bestimmten genetischen Konstitution und der Krebsentstehung. Da die Genetik beim Harnblasenkarzinom keine größere Bedeutung zu haben scheint – mit Ausnahme des Lynch-Syndroms –, ist auch der Einsatz eines Screenings, selbst in Risikogruppen, nicht sinnvoll. Die Leitlinie sagt zu diesem Sachverhalt das Folgende aus:
In dieser Empfehlung wird darüber hinaus dargestellt, dass keiner der derzeit kommerziell verfügbaren Urintumormarker, wie beispielsweise NMP22 (nukleäres Matrixprotein 22), FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung), BTA(Blasentumorantigen) bzw. Immunocyt/uCyt+, für das Screening nach einem Harnblasenkarzinom empfohlen werden kann.
Es besteht ein allgemeiner Expertenkonsens, dass es “abgesehen von der Vermeidung einer Exposition gegenüber nachgewiesenen Harnblasen-Karzinogenen keine validierten Maßnahmen zur Primär- oder Tertiärprävention des Harnblasenkarzinoms gibt. Die Empfehlungen zur Prävention sollten sich daher an den allgemeinen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation orientieren.”1
Quelle:
Schwentner C. S3-Leitlinie Harnblasenkarzinom: Epidemiologie, Risikofaktoren, Prävention, Früherkennung. F22 Onkologie; 68. DGU-Kongress 2016, Leipzig.