Tuberöse Sklerose (oder Tuberöse Sklerose Komplex / TSC) gehört zu den neurokutanen Syndromen und manifestiert sich als genetische Störung, die mehrere Organsysteme betrifft und bei einem von 6000 Kindern auftritt. Dabei führen Mutationen der Gene TSC1 oder TSC2 zur Unterbrechung des intrazellulären TSC1–TSC2-Proteinkomplexes, was wiederum zur Überaktivierung des sogenannten mammalian target of rapamycin (mTOR)-Proteinkomplexes führt. Die Leitlinien zum Monitoring und zur Therapie sowie klinische Kriterien zur Diagnostik des TSC wurden 2012 neu aufgesetzt, und so werden derzeit mTOR-Inhibitoren als Behandlungsoptionen für subependymale Riesenzellastrozytome und renale Angiomyolipome empfohlen – zwei der häufigsten Ausprägungen der Erkrankung. Dennoch ist der Hauptanteil der Morbidität und Mortalität des TSC neurologischen und neuropsychiatrischen Manifestationen geschuldet. Eine der größten Herausforderungen im Rahmen der Erkrankung bleibt die Behandlung der TSC-assoziierten Epilepsie – 60 Prozent der Patienten leiden unter Krampfanfällen. Die TSC-assoziierte Epilepsie tritt initial häufig fokal auf; oft entwickeln sich – auch schon bei Kindern – konsekutiv infantile Spasmen, die neben fokalen Krampfanfällen bestehen können. Epilepsie betrifft ein Prozent der Weltbevölkerung.
In Europa leiden derzeit laut Angaben der WHO sechs Millionen Menschen an konvulsiven Anfällen. In über 65 Prozent der Fälle hat das Krankheitsbild seinen Ursprung bereits in der Kindheit. Problematisch an der kindlichen Epilepsie ist, dass sie nicht nur Krampfanfälle verursacht, sondern häufig auch mit psychiatrischen und Verhaltensstörungen vergesellschaftet ist – darunter Entwicklungsverzögerungen, Lernbehinderungen und verschiedene Formen von Autismus. Neuropsychiatrische Störungen, die mit einem TSC auftreten – sogenannte Tuberöse Sklerose-assoziierte neuropsychiatrischen Störungen (TAND) – manifestieren sich in unterschiedlichen Ausprägungen, treten bei den meisten TSC-Patienten auf, aber sind derzeit nur unzureichend untersucht und dementsprechend schlecht zu behandeln. Klinische Studien zu mTOR-Inhibitoren für die Behandlung von epileptischen Anfällen und TAND-Manifestationen laufen zurzeit.
Eines der aktuellen Forschungsprojekte trägt den Namen EPISTOP (für EPIleptogenesiS in a genetic model of epilepsy – Tuberous sclerOsis comPlex). Dabei handelt es sich um eine prospektive Langzeitstudie zur Untersuchung klinischer und molekularer Biomarker der Epileptogenese (Epilepsieentstehung) in einem genetischen Modell der Epilepsie bei TSC. Leiter der Studie sind Dr. med. Bernhard Weschke, der an der Berliner Charité als Mitarbeiter in der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie tätig ist, sowie Dr. med. Christoph Hertzberg vom Zentrum für Sozial- und Neuropädiatrie (DBZ) am Vivantes Klinikum Neukölln und Prof. Martha Feucht von der Medizinischen Universität in Wien.
In der Studie sollen Mechanismen aufgedeckt werden, die bei Säuglingen und Kleinkindern mit TSC zu epileptischen Anfällen führen. In das Projekt sind 14 Kliniken und Labore in Europa und den USA eingebunden. Das multizentrische Forschungsprojekt läuft bereits seit November 2013 und soll im Oktober 2018 abgeschlossen sein. Derzeit sind 86 Patienten in die Studie eingebunden – unter anderem aus Polen, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich. Eines der wichtigsten Ziele der Studie ist es, neue Angriffspunkte zur Verhinderung der Entstehung einer Epilepsie zu identifizieren und auf diese Art und Weise den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Darüber steht das übergeordnete Ziel, möglichst neue Leitlinien zur Therapie der TSC zu entwickeln, um die Lebensqualität der Patienten zu optimieren. In die Studie werden Säuglinge und Kleinkinder zur Durchführung verschiedener Untersuchungen eingebunden. Dazu zählen im Rahmen des Beobachtungsteils das EEG (Elektroenzephalographie), das MRT des Kopfes (cMRT) und Analysen von Blutproben zur Identifizierung von beispielsweise molekulargenetischen und immunologischen Faktoren. Im randomisierten Teil der Studie sollen Vorteile einer frühzeitigen Epilepsie-Diagnose mit konsekutiver antiepileptischer Therapie bei Kindern mit TSC evaluiert werden. Voraussetzung zur Einbindung der jungen Probanden ist in dem Fall, dass elektroenzephalografisch noch keine Anfälle nachgewiesen werden konnten. Zusätzlich werden Gewebeuntersuchungen durchgeführt, sofern sich die Kinder im Rahmen einer bestehenden Epilepsie einem neurochirurgischen Eingriff mit Entnahme von Hirngewebe unterziehen.
Im Rahmen der EPISTOP-Studie konnte bereits gezeigt werden, dass eine Epilepsiebehandlung noch vor der klinischen Erstmanifestation nicht nur das Risiko der klinischen Manifestation insgesamt reduzieren kann, sondern auch, dass dadurch spätere Phasen der Epileptogenese modifiziert werden können, wobei das Risiko für eine therapierefraktäre Behandlungssituation und neurologische Entwicklungsstörungen, die mit der Epilepsie assoziiert sind, gesenkt wird. Eine frühzeitige klinische Diagnose, so die Studienleiter, ermöglicht ein konsequentes klinisches Monitoring der Patienten, bevor sich die Epilepsie zum ersten Mal manifestiert – das sei gewöhnlich im Alter von vier bis sechs Monaten der Fall. Schädigungen des Hirnparenchyms – zum Beispiel durch Verletzungen oder durch genetische Prädisposition – lösen eine Kaskade von zellulären und molekularen Prozessen aus, die zur klinischen Manifestation von Krampfanfällen führen. Diesen Prozess wollen die Forscher im EEG detektieren. Damit verfolgen sie nach eigenen Angaben einen Ansatz zur Untersuchung der kindlichen TSC-assoziierten Epilepsie, der möglicherweise therapeutische Ansätze liefern kann, die den Krankheitsverlauf entscheidend verändern und dafür sorgen, dass ein optimiertes Outcome für junge TSC-Patienten generiert wird.
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