Ernährung für Hypertoniker: Diffuse Studienlage erschwert Therapiefindung

Hypertonie ist zu einer Volkskrankheit geworden. Sowohl um den richtigen Zielwert als auch um Therapieansätze gibt es wissenschaftliche Diskussionen. Insbesondere beim Thema Ernährung wissen selbst Ärzte kaum noch, was sie empfehlen sollen.

Hypertonie ist zu einer Volkskrankheit geworden. Sowohl um den richtigen Zielwert als auch um Therapieansätze gibt es wissenschaftliche Diskussionen. Insbesondere beim Thema Ernährung wissen selbst Ärzte kaum noch, was sie empfehlen sollen.

Ein hoher Blutdruck gehört zu den primären Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfälle und Nierenversagen. Auch zahlreiche Komorbiditäten sind mit einer Hypertonie assoziiert – Diabetes und Adipositas stehen mit dem erhöhten Blutdruck in einem engen Zusammenhang.

Um den Hypertonus und seine möglichen Folgeschäden zu vermeiden, wird Betroffenen von Ärzten seit Jahren eine gesunde Lebensweise ans Herz gelegt: Ausreichend Bewegung, Gewichtsregulierung und insbesondere eine ausgewogene Ernährung sind inzwischen gleichrangig mit einer medikamentösen Therapie anzusehen. Doch genauso wie spätestens seit der SPRINT-Studie eine wissenschaftliche Diskussion um den richtigen Zielwert für den Blutdruck entbrannt ist, so ist auch umstritten, welche Ernährung präventiv einer Hypertonie vorzubeugen hilft und wie sie aussehen soll, wenn bereits ein erhöhter Blutdruck vorliegt.

Was heißt gesunde Kost konkret? Und was ist zum heutigen Zeitpunkt überhaupt wissenschaftlich bewiesen? Einige aktuelle internationale Metastudien liefern zumindest eine evidenzbasierte Basis für die Bewertung.

Salzreduktion aus Prinzip?

Ein Zusammenhang zwischen hohem Blutdruck und vermehrtem Konsum von Kochsalz ist schon lange und vielfältig belegt. Die Intersalt-Studie aus den achtziger Jahren gilt es wegweisen. Doch Patienten prinzipiell vom Griff zum Salzstreuer abzuraten, greift aus mehreren Gründen zu kurz.

Man geht heute davon aus, dass nur etwa die Hälfte der Hypertoniker überhaupt salzsensitiv ist. Das heißt, dass nur bei diesen die vermehrte Salzelemination auf Kosten eines Druckanstiegs stattfindet. Die andere Hälfte, die der Nicht-Sensitiven würde dagegen – gegebenenfalls unter großer Anstrengung – auf Salz verzichten und hätte trotzdem keinerlei Vorteile. Wer zu welcher Gruppe gehört, kann zurzeit offenbar nur durch eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung ermittelt werden. Ältere, Übergewichtige und Patienten mit metabolischen Syndrom gehören erfahrungsgemäß eher zur sensitiven Gruppe. Wenn Ihr Patient also glaubhaft versichert, dass er weitgehend aufs Nachsalzen verzichtet, der Blutdruck aber hoch bleibt, ist er gegebenenfalls einfach nicht salzsensitiv.

Eine allzu disziplinierte, längerfristig Salzreduktion kann mit diversen Herzkreislaufstörungen einhergehen, was gerade für Patienten, die nach der Diagnosestellung alles richtig machen wollen, durchaus gefährlich werden kann. Die tägliche Kochsalz-Einnahme sollte etwa 5 g/Tag idealerweise nicht deutlich über-  aber eben auch nicht massiv unterschreiten.

Ein isolierter Verzicht auf Speisesalz ohne Diätumstellung ist nur bedingt zielführend: Man weiß mittlerweile, dass die Reduktion von NaCl durch die Nahrung vor allem dann effektiv ist, wenn gleichzeitig ein Anstieg des Kaliums – insbesondere in Form von frischem Lebensmitteln – angestrebt wird. Erst in dieser Kombination macht eine salzarme Diät überhaupt Sinn.

Kombination aus nachweislich effektiven Nährstoffen

Wobei wir gleich bei den sonstigen Bausteinen für eine gesunde Kost wären. Hier finden sich in den diversen Studien viele bekannte Klassiker: Frisches Obst, Gemüse (insbesondere Wurzelgemüse und Blattsalate), Vollkornprodukte, fetter Fisch wie Lachs oder Makrele, fettarme Milchprodukte, Geflügelfleisch und hochwertige Öle – also genau die Nahrungsmittel, die auch helfen, einer Adipositas vorzubeugen. Offenbar ist es die günstige Kombination von gleich mehreren nachweislich hochpotenten Mikronährstoffen wie langkettigen n-3 Fettsäuren, Polyphenolen sowie weiteren sekundären Pflanzenstoffen, die in ihrer Gesamtheit den blutdrucksenkenden Effekt dieser Ernährungsform begründen. Im internationalen Kontext wird diese vollwertige Ernährungsweise auch DASH diet (Dietary Approaches to Stop Hypertension) genannt. Im deutschen Sprachraum hat sich der Begriff der Mittelmeerdiät beziehungsweise mediterrane Kost etabliert, was insofern irreführend ist, weil große Mengen Pasta und Fleisch in bestimmten mediterranen Ländern Bestandteil des täglichen Speiseplans sind.

Frische und Hochwertigkeit zählen

Zu einer gesunden Ernährung können explizit auch (unbehandelte) Nüsse gerechnet werden. Hier bestätigen gleich mehrere neue Studien eine wenn auch nur leichte Blutdruckverbesserung durch regelmäßigen Genuss von Pistazien, Walnüssen, Mandeln und ähnlichem. Ob fünf Nüsse am Tag den Blutdruck senken? Forscher wie Prof. Thomas Unger, Scientific Director am CARIM der Maastricht University, bezweifeln derartige Wundereffekte.

Entgegen früherer Annahmen kann auch rotes Fleisch vom Rind und Schwein durchaus zu einer tonusfreundlichen Kost gehören. Hier ist es allerdings wichtig, zu einer eher fettarmen Zubereitung zu greifen und möglichst keine saturierten Bratfette zu verwenden.

Auf Zucker und Zuckeraustauschstoffe sollte weitestgehend verzichtet werden, auch und gerade, wenn harmlos klingende Namen wie Fructose oder Fructose-Sirup auf der Zutatenliste stehen. Es zeichnet sich wissenschaftlich immer stärker ab, dass die diversen Formen des künstlich produzierten Fruchtzuckers zu vielfältigen gesundheitlichen Problemen beitragen, von denen Hypertonie offenbar eines ist. Natürlicher Zucker in Früchten gilt dagegen als gesundheitsförderlich.  

Fazit: Die Ernährungs-Empfehlungen, die der Arzt seinem hypertonen Patienten nach heutiger Evidenzlage geben kann, haben sich durch aktuelle Erkenntnisse verfeinert und konkretisiert. Im Großen und Ganzen entsprechen sie aber durchaus einfach dem gesunden Menschenverstand bezüglich einer balancierten Kost. Grob könnte man also zusammenfassen: Der Hypertoniker – und der, der es nicht werden will – kann (fast) alles essen, allerdings gilt: etwas weniger, etwas frischer, etwas hochwertiger!

Quellen:

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Am J Clin Nutr. 2015 Oct;102(4):914-21. Sugar-sweetened beverage consumption and incident hypertension: a systematic review and meta-analysis of prospective cohorts. Jayalath VH et al

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Am J Clin Nutr. 2015 Aug;102(2):302-8. Dietary Approaches to Stop Hypertension diet retains effectiveness to reduce blood pressure when lean pork is substituted for chicken and fish as the predominant source of protein. Sayer RD et al

Nutrients. 2016 Oct 14;8(10). Diet Quality-The Greeks Had It Right! Anderson JJ et al

Adv Exp Med Biol. 2016 Oct 19. Impact of Salt Intake on the Pathogenesis and Treatment of Hypertension. Rust P et al

Weitere Berichterstattung zum 40. wissenschaftlichen Kongress der deutschen Hochdruckliga 2016 finden Sie hier.