Auf einen Kaffee mit Valentina, Assistenzärztin in Berlin

Valentina ist Assistenzärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Im Interview spricht sie über ihren Beruf, Arbeitszeiten und Work-Life-Balance.

"Es gibt weniger Ärzte. Und die, die es gibt, arbeiten auch weniger. Oder nein, nicht weniger, sondern regelgerecht."

Berlin ist bekanntermaßen ein Dorf. Hat man sich erst einmal getroffen, läuft man sich immer wieder über den Weg. In Cafés, Kneipen oder Clubs - man sieht sich, sagt hallo, und irgendwann kennt man sich einfach. So ungefähr war es auch mit Valentina, mit der ich mich an diesem Samstag zur Brunch-Prime-Time in Friedrichshain auf die Suche nach einem halbwegs ruhigen Café mache, um mit ihr über ihre berufliche Situation zu sprechen. Dass sie Ärztin ist, weiß ich schon länger, und schon länger habe ich mich gefragt, was wohl dran ist an den Geschichten über ständig überarbeitete Menschen in weißen Kitteln, miserable Arbeitsbedingungen und Horror-Schichtpläne - sind die noch aktuell? Und wie gehen eigentlich junge Ärztinnen und Ärzte mit einem so hohen Arbeitsdruck um? Was ist denen denn eigentlich wichtig? Und welche Möglichkeit haben sie, sich in dem Beruf, den sie gewählt haben, auch persönlich zu entfalten? So ähnliche Fragen habe ich dann auch Valentina gestellt, die mit mir gut gelaunt und ziemlich ausgeruht über ihren eigenen Werdegang, ihre Berufssituation und ihre Ambitionen gesprochen hat. Und was sie zu erzählen hat, klingt erstens ziemlich spannend und zweitens ziemlich entspannt.

Medizinstudium in Italien, dann ab nach Berlin

Valentina hat in Italien Medizin studiert. Das sechsjährige Studium sei dort überwiegend theoretisch aufgebaut, erzählt sie mir. Ein Praktisches Jahr gibt es nicht. Als sie vor drei Jahren nach dem Studium nach Deutschland kommt, muss sie deshalb erst mal viel nachholen - man erwartet von ihr, dass sie viele Dinge bereits kann und von Anfang an Verantwortung übernimmt. Da sei sie schon am Anfang regelmäßig nach der Arbeit sehr fertig gewesen. Aber dann ging es mit der Zeit besser und sie habe alles gut gelernt und in den Griff bekommen. In ihrem fünften Studienjahr hatte sie bereits ein Erasmus-Jahr in Göttingen absolviert. Die Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf die Ausbildung waren ihr dort zum ersten Mal richtig bewusst geworden: "Zuerst einmal wie das Studium in Deutschland aufgebaut ist: Wir durften plötzlich viel mehr machen, auch bei den Patienten. Und die Technik und das Krankenhaus waren vielleicht auch ein bisschen besser, und das hat mir einfach alles einen besseren Eindruck gemacht. Da habe ich mich dann auch dafür entschieden, nach dem Studium nach Deutschland zu gehen und nicht in Italien zu bleiben."

Anerkennung der Approbation in Deutschland

Ein weiterer dreimonatiger Erasmus-Aufenthalt in Berlin macht ihr dann auch klar: das ist die Stadt, in der ich leben will. Daran, dass das mit dem Job in Berlin funktioniert, hat Valentina keine Zweifel, als sie schließlich Italien verlässt. Sie muss zuerst ihre Approbation anerkennen lassen und bei der Ärztekammer die Fachsprachprüfung ablegen: "Aber ich war ehrlich so motiviert, ich wusste einfach, dass das alles klappen würde."

Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie: schwierig, aber interessant

"Warum eigentlich ausgerechnet Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie?", möchte ich von ihr wissen. "Mich hat das immer fasziniert. Das ist eine sehr interessante Fachrichtung, und ich bin damit sehr zufrieden. Es ist schwieriger als erwartet, aber es macht auch richtig Spaß. Ich bin ein Mensch, der etwas Abwechslungsreiches braucht, und das habe ich auch gefunden. Es wird wirklich nie langweilig." Dann erklärt sie mir die Besonderheiten und Aufgaben der einzelnen Bereiche, in denen sie tätig ist: welche Narkose-Arten es gibt, worauf man achten muss, wie es sich mit kritisch kranken Patientinnen und Patienten verhält und wie man mit chronischen Schmerzen verfährt. "Mit den ganzen Monitoren und Beatmungsgeräten um mich herum fühle ich mich manchmal wie die Pilotin eines Flugzeugs", beschreibt sie ihr Arbeits-Feeling.

Innovative Urlaubsregelung für maximale Erholung

Als Valentina ihren Job beginnt, ist die Arbeitsbelastung viel höher als jetzt. Das liegt nicht nur daran, dass sie vieles aufholen muss, was deutsche Ärztinnen und Ärzte bereits im Praktischen Jahr lernen. Zunächst willigt sie nämlich in die Opt-Out-Regelung ein und erklärt sich bereit, mehr als die vom Gesetzgeber vorgesehenen maximal 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dadurch steigt die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit schnell auf 60 Stunden. "Das ist aber tatsächlich viel. Natürlich verdient man auch mehr." Valentina entscheidet sich schließlich, die Opt-Out-Regelung zu widerrufen. Da es sich dabei um eine freiwillige Leistung handelt, entstehen ihr dadurch auch keine Nachteile. Jetzt arbeitet sie in Vollzeit, 40 Stunden pro Woche, plus Bereitschaftsdienste, das heißt, es können auch mal 60 Stunden werden. "Aber dann mit Freizeitausgleich. Wenn man 24-Stunden-Bereitschaftsdienst hat, ist der Tag danach frei und man hat dann Stunden auf dem Stundenkonto, die mit Freizeit ausgeglichen werden. Das funktioniert." Ihr Urlaubsanspruch beträgt 30 Tage. Zusätzlich bietet ihre Klinik die Möglichkeit an, einmal im Jahr einen Monat unbezahlt frei zu nehmen. Für Valentina ist das optimal. "Ich lege den Monat im Voraus fest, dann kann ich einen langen Urlaub bei meiner Familie am Meer machen. Und meine regulären Urlaubstage verteile ich auf kleinere Zeiträume über das Jahr. Da nehme ich lieber öfter mal nur zwei, drei Tage frei."

Work-Life-Balance für 100 Prozent Arbeitseinsatz

Sie lege sehr viel Wert auf ihre Work-Life-Balance, betont sie. Sie braucht das, um sich hundertprozentig auf ihre Arbeit konzentrieren zu können, wenn sie in der Klinik ist. Für sie ist es wichtig, genug Zeit zu haben, um Sport zu machen und ihre Freunde zu sehen. Aber sie beschreibt es auch als Teil eines aktuellen, generationsbedingten Problems. Neben dem Ärztemangel gebe es nämlich auch ein steigendes Bewusstsein der jüngeren Generation für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Job und Privatleben: "Das ist aber auch ein Konzept der jüngeren Generationen - es war damals nicht so, da haben Ärzte wirklich viel mehr gearbeitet. Diese Ärztezeit fehlt. Und das ist auch ein Problem: Es gibt weniger Ärzte. Und die, die es gibt, arbeiten auch weniger. Oder nein, nicht weniger, sondern regelgerecht."

Weder Karriere noch Familie - die Mischung macht's

Auf meine Frage nach ihren Zukunftsplänen erzählt mir Valentina, dass sie sich jetzt erst einmal auf ihre Facharztprüfung konzentrieren und dann vielleicht auch noch mal Berufserfahrung in einer größeren Klinik sammeln will. Sie habe auch schon mal über eine Niederlassung nachgedacht, das sei aber in der Anästhesie schwierig. Und Karriere? "In einer Führungsposition sehe ich mich eher nicht. Ich möchte meine Work-Life-Balance beibehalten. Das hat auch nichts mit Familienplanung zu tun, ich plane im Moment keine Familie."

"Was würdest du denn gerne an deinem Berufsalltag ändern, wenn du könntest?", frage ich sie. "Ich mag das so wie es ist. Es ist sehr abwechslungsreich. An einem Tag sind wir im OP-Saal, dann machen wir vielleicht mehr Allgemeinchirurgie, dann wieder mehr Gynäkologie, dann gibt es die Sprechstunde, dann haben wir Nachtdienst oder vielleicht Bereitschaftsdienst. Die Zeit vergeht sehr schnell." Valentina lacht: "Aber eine Sache würde ich dann doch ändern, wenn ich könnte: Ich hätte statt einer halben gerne eine Stunde Mittagspause. Ich bin halt doch Italienerin, ich brauche einfach mehr Mittagspause". Finde ich unmittelbar einleuchtend. Und sehr sympathisch. 
 

Und was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?

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