Der Röntgenlaser European XFEL in Hamburg ist ein Leuchtturmprojekt der Forschung. Allerdings liegt er tief unter der Erde, richtig viel ist nicht zu sehen. Zum Start soll deshalb ein anderer Leuchtturm der Hansestadt etwas Glanz abgeben.
Wie eröffnet man als Stadt eine wichtige und sehr teure Forschungsanlage, die tief unter der Erde liegt und von der nicht allzu viel an der Oberfläche zu sehen ist? Man holt sich ein Kulturprojekt ins Boot, das ebenfalls wichtig ist und auch viel Geld gekostet hat. Schließlich sieht Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) die neue Röntgenlaseranlage European XFEL ja auch als "Elbphilharmonie der Forschung".
Das Konzerthaus sollte am Montagabend (28.8.) einen "Lasergruß" über Hamburgs Dächer zum Endpunkt der 3,4 Kilometer langen, unterirdischen Laseranlage nach Schenefeld senden. Den Betrieb nimmt die Superkamera für kleinste Teilchen im Nanokosmos dann am 1. September offiziell auf.
Es gibt tatsächlich Parallelen zwischen Elbphilharmonie und dem XFEL (X-Ray Free-Electron Laser / Röntgenlicht-Freie-Elektronen-Laser): Beide fußen auf älteren Fundamenten, die Elbphilharmonie auf einem Kaispeicher aus den 60er Jahren. Der XFEL ist eng mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld verbunden, wo ebenfalls seit den 60er Jahren mit Teilchenbeschleunigern gearbeitet wird. Auch die Bauzeit - zehn beziehungsweise acht Jahre - sowie die Kosten, 789 Millionen für die Elbphilharmonie und 1,22 Milliarden Euro für den XFEL, sind nicht so weit voneinander entfernt. Aber vor allem: Beide Projekte beanspruchen für sich, ganz neue Maßstäbe in ihren Bereichen zu setzen.
Im XFEL sollen die hellsten Röntgenblitze der Welt erzeugt werden, bis zu 27 000 pro Sekunde. Die Leuchtstärke soll milliardenfach über dem liegen, was vergleichbare Anlagen bislang leisten können. Forscher sollen mit Hilfe der ultrakurzen Röntgenblitze dreidimensionale Aufnahmen in atomarer Auflösung machen können. Dabei sollen Details von Viren und Zellen sichtbar werden. Auch das Filmen chemischer Reaktionen soll möglich sein. Belichtungszeiten von billiardstel Sekunden sorgen dabei für scharfe Aufnahmen.
Derzeit erzeugt der XFEL erst mehrere hundert Blitze pro Sekunde, wie Pressesprecher Bernd Ebeling sagt. Damit übertrifft das Projekt an Leistungskraft aber bereits vergleichbare Anlagen in den USA und Japan. Die ersten Experimente ab Mitte September sollen auch ein Test für den XFEL sein und helfen, ihn weiter zu verbessern. Bislang gibt es zwei Experimentierstationen ("Instrumente"), in die der Röntgenstrahl gelenkt werden kann.
In den nächsten Jahren sollen vier weitere Stationen hinzukommen. Zwei Wissenschaftler aus Australien und Polen, die beide bereits in Hamburg tätig sind, werden voraussichtlich die ersten Nutzer sein. Anton Barty und Kollegen wollen Bilder von Biomolekülen gewinnen, Wojciech Gaweldas Team plant, eine chemische Reaktion zu filmen.
Elf europäische Länder sind am XFEL beteiligt. Größte Geldgeber sind Deutschland mit 58 und Russland mit 27 Prozent. Die übrigen Länder sind mit jeweils 1 bis 3 Prozent der Kosten dabei. Spannungen in der internationalen Politik hätten die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland nicht beeinträchtigt, versichert Ebeling. "Russland hat sehr viel beigetragen, nicht nur finanziell, sondern auch an Know-how und Bauteilen." Ursprünglich komme sogar die Idee für einen Freie-Elektronen-Laser aus Moskau.
Auch die Kooperation mit Großbritannien laufe sehr gut. Der Beitritt des Landes zu dem Forschungsprojekt werde bis Ende des Jahres unterzeichnet sein. Die Briten hatten zu Beginn des Projekts im Jahr 2009 aus finanziellen Gründen zunächst einen vorgezogenen "Brexit" gemacht. Jetzt gehören britische und russische Forscher zu den ersten Nutzern, denen bereits Experimentierzeit eingeräumt wurde.
Bei so viel europäischer Eintracht könnte bei der Feier am Freitag eigentlich Beethovens "Freude schöner Götterfunken" gespielt werden, wie bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. Doch für eine solche Überhöhung ihrer Arbeit sind nüchterne Wissenschaftler wohl nicht zu haben. Darum soll nur eine Band die 800 Gäste aus Politik und Wissenschaft mit einem Medley aus Melodien der Partnerländer erfreuen.