Akute Leukämien können sich innerhalb weniger Wochen entwickeln. Bei erkrankten Patienten können sich schnell große Mengen leukämischer Zellen in Knochenmark und Blut ansammeln, was die Bildung gesunder Blutzellen stark beeinträchtigt. Im Ergebnis sind die Immunabwehr, der Blutgerinnung und der Sauerstoffversorgung gestört. Die kranken Zellen können auch innere Organe besiedeln und deren Funktion beeinträchtigen. Eine Behandlung muss entsprechend rasch einsetzen. Die Inzidenz der akuten myeloischen Leukämie steigt mit dem Alter kontinuierlich an. Sie tritt häufiger beim männlichen Geschlecht. Ihre Inzidenz beträgt 2,5-3/100.000 im Jahr. Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate sinkt trotz Chemotherapie mit dem Alter kontinuierlich.
Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben eine vor Kurzem entdeckte neue Blutkrebsart charakterisiert: Sie haben ihre genetischen Eigenschaften und ihren Ursprung beschrieben sowie herausgefunden, dass Patienten mit dieser Form der akuten Leukämie eine Stammzelltransplantation benötigen, um geheilt zu werden. Die Forschungsergebnisse veröffentlichte das Journal "Leukemia". Zudem waren die Experten maßgeblich an einer Studie beteiligt, die ein Online-Rechensystem hervorgebracht hat, mit dem für jeden einzelnen Leukämiepatienten Nutzen und Risiken einer Stammzelltransplantation ermittelt werden können. Die Studie publizierte das Fachjournal "Nature Genetics".
Das Team um Professor Dr. Michael Heuser, Privatdozentin Dr. Felicitas Thol und Sabrina Klesse fand heraus, dass bei Patienten mit der neuen Form des Blutkrebses eine Chemotherapie nicht ausreicht. Sie benötigen zusätzlich eine Stammzelltransplantation. "Denn nach einer Chemotherapie verbleibt die Blutbildung im sogenannten CHIP-Stadium, aus dem sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Blutkrebs entwickelt", erläutert Professor Heuser. Die Wissenschaftler arbeiten in der MHH-Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation, deren Direktor Professor Dr. Arnold Ganser ist.
Bei der neuen Blutkrebsart handelt es sich um eine Form der akuten myeloischen Leukämie (AML), der die Forscher den Namen "AML mit lympho-myeloischer klonaler Hämatopoese" gegeben haben. Bei ihr sind nicht nur die Blutzellen, sondern auch T-Lymphozyten des Immunsystems von einer bestimmten Mutation betroffen. Schon vor einigen Jahren hatten die Wissenschaftler diese Mutation in AML-Patienten festgestellt und im "Journal of Clinical Oncology" publiziert. "Nun können wir besser verstehen, warum die Therapie dieser Patienten so schwierig ist", sagt PD Dr. Felicitas Thol.
Die MHH-Forscher haben darüber hinaus zu einer weiteren Studie beitragen können, die in der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ publiziert worden ist. Darin entwickelten Wissenschaftler aus Cambridge und Ulm ein System, mit dem online Nutzen und Risiken einer Stammzelltransplantation für jeden einzelnen AML-Patienten errechnet werden können. Kliniken sollen in Zukunft bei jedem Patienten eine Wissensdatenbank befragen, in der die genetischen Profile mit den Behandlungsergebnissen anderer Patienten in Verbindung gebracht werden. "Diese Arbeit ist ein wichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zur individualisierten Therapie", sagt Professor Ganser.