Auf der Unterseite ist der Fuß empfindlich. Müssen Menschen deswegen Schuhe tragen? An der TU Chemnitz sammelt ein Team um Professor Thomas Milani Daten aus Kenia und Deutschland für eine Antwort.
Thomas Milani läuft noch ein wenig unrund. Die Folgen einer Fußoperation schränken den begeisterten Läufer ein. Für seine Arbeit an einer Studie aber ist der Nachteil unerheblich: Um herauszufinden, ob Schuhträger oder Barfußläufer sensibler auf Reize an der Fußsohle reagieren, setzen der Professor für Bewegungswissenschaft und sein Team an der TU Chemnitz auf Freiwillige. "Wir zeigen, wie bestimmte mechanische Eigenschaften der Haut sich auf die Sensorik auswirken", sagt Milani im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Der Test dafür ist unspektakulär. Im Keller des Unigebäudes steht in einem kleinen Raum eine Liege, daneben sind ein Tisch mit einem Computer und davor ein Dreibein mit einer Apparatur aufgebaut. Für den Probanden heißt es: Schuhe und Socken aus und bäuchlings rauf auf die Liege. Zwei Kreuze auf Ferse und Ballen markieren die Messstellen. Zuerst werden die Hauthärte mit einem Durometer, die Hautsteifigkeit mit einem Indentometer und die Hautdicke mittels Ultraschall ermittelt.
Die meiste Zeit nehmen die anschließenden Vibrationsmessungen in Anspruch. Der Mini-Shaker, ein kleiner vibrierender Stößel, sendet Wellen mit 200 Hertz und mit 30 Hertz auf die Fußsohle. Sobald der Proband die Schwingungen spürt, muss er einen kleinen Knopf drücken. Das Ergebnis ist beeindruckend: Gesunde Menschen spüren schon eine Eindringtiefe in die Haut von unter einem Mikrometer. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 50 Mikrometer dick.
Bis zum März sollen so 40 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren getestet werden. Erst dann sind die Daten vollständig. Denn im Juni 2017 wurden in Kooperation mit der US-Universität Harvard bereits drei Wochen lang Studien in Kenia durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 80 Männer und Frauen in zwei Gruppen untersucht: Die eine trägt nie Schuhe, die andere hin und wieder. Für Milani steht die Frage: Spüren Barfußläufer wegen der dicken Hornhaut unter den Füßen weniger?
Die Antwort kennt der Professor vom Institut für Angewandte Bewegungswissenschaften - wissenschaftlich gesehen - erst nach Auswertung der Studie. Dennoch ist für ihn schon klar: Wer mehr spürt, kann das Gleichgewicht besser halten, sagte er. "Ich plädiere dafür, dass Menschen auf den entsprechenden Untergründen mehr barfuß laufen." Barfußläufer stärken die Fußmuskulatur, was sich letztlich auf die gesamte Körperhaltung auswirkt.
"Durch Schuhe wird die sensorische Kapazität verringert", sagt Milani. Die empfindlichen Fußsohlen können weniger Signale ins Gleichgewichtssystem senden. In der Folge steigen Stolper-, Sturz- und Verletzungsgefahr. "Wir müssen weg von dem Aberglauben, wenn ich dicke Schuhe trage, schütze ich mich. Der Körper ist in der Lage, sich zu schützen", betont der Forscher.
Auch auf anderem Gebiet ist die Fußsensorik von großer Bedeutung: Bei der Früherkennung der Zuckerkrankheit. Weil bei Diabetes die Nervenbahnen nicht mehr gut durchblutet werden, nimmt das Empfinden ab. Schmerzen zum Beispiel durch den Druck eines Steins im Schuh werden erst spät oder gar nicht gespürt. "Wir sind durch die Messtechnik in der Lage, Diabetes zu erkennen, wenn die sensorische Kapazität nachlässt", erklärt Thomas Milani.